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Jahrhundertealte Tradition

Sokushinbutsu – die japanischen Mönche, die sich selbst mumifizierten

Sokushinbutsu
Als würde er sich nur ausruhen: Die mumifizierte Leiche eines Mönchs wird in einem gläsernen Schrein ausgestellt Foto: dpa Picture Alliance
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TRAVELBOOK Redaktion

16.08.2022, 12:19 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Über Jahrhunderte zelebrierten japanische Mönche eine heilige, aber äußerst grausame Praxis, bei der sie sich selbst mumifizierten – bei lebendigem Leibe. Noch heute kann man einige dieser Mumien besichtigen. TRAVELBOOK erklärt die Prozedur.

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In der nördlichen japanischen Präfektur Yamagata befindet sich auf dem Berg Mt. Yudono eine „Touristenattraktion“, die wohl weltweit einmalig ist. Zum Glück, möchte man fast sagen, denn es handelt sich um die Mumie eines Mönches, eines sogenannten Sokushinbutsu. Das allein wäre vielleicht noch nicht so ungewöhnlich. Wäre da nicht der Fakt, dass der Mönch sich einst selbst mumifizierte. Und zwar bei lebendigem Leib.

Wie die Seite „Atlas Obscura“ berichtet, bedeutet Sokushinbutsu soviel wie „Buddha im eigenen Körper“. Die Praxis geht zurück auf den japanischen Mönch Kūkai zurück, der im Jahr 835 starb. Dem Glauben seiner Anhänger zufolge befand er sich jedoch nur im nyūjō, einem Zustand tiefer Meditation, war also nicht wirklich tot. Die Legende besagte auch, Kukai würde in etwa 5,6 Millionen Jahren nach Japan zurückkehren, um gläubige Seelen mit sich ins Nirvana zu nehmen.

Mehrjährige Prozedur

Um ein Sokushinbutsu wie Kūkai zu werden, unterzogen sich in den folgenden Jahrhunderten immer wieder Mönche einer äußerst aufopferungsvollen Prozedur. Sie ist erstmals im Jahr 1081 nachgewiesen, der letzte bekannte Fall datiert aus dem Jahr 1903. Zunächst einmal reduzierte ein Mönch, der den Status des Sokushinbutsu anstrebte, seine Nahrungsaufnahme radikal.

So aß er für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren nur noch Nüsse, Samen, Blüten und Wurzeln. Während dieser 1000-tägigen Periode war er zudem körperlich sehr aktiv, um so viel Fett wie möglich zu verbrennen. Mittels Meditation stärkte der angehende Sokushinbutsu seinen Geist und distanzierte sich innerlich immer weiter von der Welt um ihn herum.

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Bis zu 20 Jahre Leiden

Darauf folgte ein ebenfalls mindestens dreijähriger Zyklus, während dem der Mönch nur noch Rinde und Wurzeln aß. Zusätzlich trank er einen Tee aus dem Saft eines Baumes, der Brechreiz hervorrief und so zu weiterem Flüssigkeitsverlust führte. Die Giftstoffe in dem Tee töteten aber auch Maden oder andere Parasiten ab, die die Mumifikation hätten gefährden können.

Viele der Mönche praktizierten dieses grausame Regime gegen den eigenen Körper sogar länger als die vorgeschriebenen 1000 Tage. Es ist ein Fall bekannt, in dem ein Mann sich unglaubliche 20 Jahre auf das finale Stadium vorbereitete, um ein Sokushinbutsu zu werden. Um dieses zu vollführen, stoppte der Mönch jegliche Nahrungsaufnahme, trank fortan nur noch salziges Wasser und meditierte.

Sokushinbutsu
Die Sokushinbutsu werden auch heute noch verehrt für ihre Opferbereitschaft Foto: dpa Picture Alliance

Nicht alle gelangten an ihr Ziel

Wenn der Mönch seinen Tod nahen spürte, war er bereit für die finale Phase der Sokushinbutsu-Werdung: Man legte ihn in einen Sarg und beerdigte ihn, noch lebendig. Über einen Bambushalm konnte er weiter atmen, mittels einer Glocke ließ er seine Ordensbrüder wissen, dass er noch lebte. Verstummte diese schließlich, war der Mönch von seinem irdischen Leiden erlöst.

Man versiegelte anschließend das Grab, und nach weiteren drei Jahren nahm man die Leiche in Augenschein. Zeigte sie auch nur die geringsten Spuren der Verwesung, hatte der Mönch umsonst gelitten und wurde endgültig beerdigt. Nur makellos mumifizierte Körper erhob man in den Stand des Sokushinbutsu, fortan wurden sie in gläsernen Schreinen ausgestellt.

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Die Mumien sind ein gutes Geschäft

So sehr strebten die Mönche nach diesem Zustand, dass der letzte Fall 1903 bekannt wurde. Ein Mönch namens Bukkai hatte sich selbst mumifiziert, obwohl es die Regierung bereits drei Jahrzehnte vorher als grausam und unmenschlich verboten hatte. Sieben dieser Mönchs-Mumien werden heute noch rund um den Berg Mt.Yudono ausgestellt.

Die Tempel, die sie beherbergen, machen mit den Sokushinbutsu einträgliche Geschäfte. So verlangen die meisten, in denen die Mumien ausgestellt sind, nicht nur Eintritt, sondern verkaufen auch Talismane. Diese stellt man aus der alten Kleidung der Mönche her, die mindestens alle zwölf Jahre traditionell gewechselt wird.

Zu den berühmtesten Tempeln Dainichibō und Churenji kommen die Touristen heutzutage in Busladungen, es gibt seit 2015 sogar eine Stempelkarte, die Besucher animieren soll, alle vier Sokushinbutsu-Tempel der Region zu besichtigen. Und egal, was man von der Tradition der Selbst-Mumifizierung auch denkt – sie ist ein Teil der Geschichte von Japan.

Themen Asien Japan
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