Das erste Mal Mexiko, das erste Mal Fernreise, das erste Mal über meinen Geburtstag im Urlaub – ja, meine Reise im November versprach viele erste Male. Sechs Wochen nach Buchung steht fest: Das erste Mal Insolvenz der Fluggesellschaft gehört jetzt auch dazu – oder wie es Air Berlin selbst ausdrückt:
„Sehr geehrter Fluggast, leider kann der von Ihnen gebuchte Flug nicht mehr durchgeführt werden. Hierfür bitten wir Sie in aller Form um Entschuldigung. Wir bedauern, dass wir Ihnen für die gebuchte Verbindung keine passende Alternative anbieten können“, so stand es in der Email, die den Betreff „Ihre Stornobestätigung “ trug – so als hätte ich selbst um das Storno gebeten und als sei das alles überhaupt meine eigene Schuld. Denn was da so trocken stand, war eigentlich ein Drama in vier Akten.
Auftakt
Ich habe mein Ticket von Berlin nach Cancun am 3. Juli gebucht. Dann, als noch nicht klar war, dass Air Berlin Insolvenz anmeldet, und ich ganz normal aus ihrem Flugangebot Flüge nach Mexiko, in die USA oder sonst wohin buchen konnte. Air Berlin bot die für mich beste Verbindung an, nur knapp 13 Stunden sollte der Flug dauern, mit einem Umstieg. Sechseinhalb Wochen später stellt die Airline ihren Insolvenzantrag, genauer am 15. August. Krass, aber das geht ja nicht so schnell, dachte ich, ist schließlich die zweitgrößte Airline Deutschlands. Und ja, die Bundesregierung stellte sogar noch einen 150-Millionen-Euro-Kredit bereit, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt beruhigte: „Wir gehen davon aus, dass der Flugbetrieb bis Ende November gesichert ist.“ Und ich damit, dass auch mein Flug safe war, immerhin flog ich mit meinem Freund vom 1. bis 18. November. Doch die Idylle bröckelte.
Zuspitzung
Meine Urlaubsplanung war unterdessen gefühlt zum Gesprächsthema Nummer eins geworden. Familie, Freunde, Kollegen – alle fragten nach dem Stand meiner Reise. „Bisher fliege ich noch“, war meine Standardantwort, weil Air Berlin meine Route nach Cancun noch nicht gestrichen hatte und auch sonst alle Zeichen auf: „Die Fluggesellschaft, die Air-Berlin-Anteile kauft, wird die gebuchten Flüge schon noch übernehmen“ standen. Und überhaupt: Wie oft passiert es einem schon, dass die Fluggesellschaft pleite geht, ohne dass man das Geld für seine Flüge zurückbekommt? Da muss es doch eine Lösung geben und Air Berlin würde sich schon bei seinen Kunden melden, wenn es wirklich so akut wäre. Immerhin bekommt man immer zügig Mails, wenn eine Buchung bezahlt werden soll oder es neue Mega-Schnäppchen im Angebot gibt. So eine wichtige Sache würde man ja nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Air Berlin konnte.
Und zwar genau so lange, bis die Bundestagswahl in trockenen Tüchern über die Bühne gegangen war. So mutete es jedenfalls an. Am 25. September war klar, alle Langstreckenflüge des Berliner Unternehmens werden ersatzlos gestrichen. Das erfuhr ich durch meine Facebook-Timeline. Dort überschlugen sich die Links zu entsprechenden Berichten und Wutkommentare der Betroffenen. Von allen Seiten wurde ich mit Nachrichten zugepflastert, einzig in meinem Email-Postfach herrschte gähnende Leere. Hatte Air Berlin nun auch kein Geld mehr, um den Email-Provider zu zahlen? Oder die Mitarbeiter, die die Mails schreiben? Ich wartete ab. In Zeiten von Fake News bestand Hoffnung, dass zwar alle Strecken in die Karibik und USA abgesagt wurden und nur die Verbindung Berlin/Cancun stattfindet, weil beste Route und weil ich mitfliege und mir sowas ja noch nie passiert war.
Höhepunkt
Am 1. Oktober dann die Gewissheit in Mailform, meine Flüge waren tatsächlich gestrichen worden. „Sofern Sie Ihr Flugticket am oder nach dem 15. August 2017 auf airberlin.com gekauft haben, erhalten Sie den vollständigen Ticketpreis automatisch auf die in der Buchung hinterlegte Zahlungsart erstattet. Zu der Erstattung erhalten Sie von uns eine Stornorechnung. Für Flugtickets, die vor dem 15. August 2017 gekauft wurden, ist eine Erstattung aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht möglich“, so informierte mich die Email.
Stellen sich folgende Fragen: Warum kriegen die, die wussten, dass Air Berlin pleite ist und trotzdem gebucht haben, ihr Geld zurück? Und die Unwissenden, die vorher gebucht haben, nicht? Und warum kriege ich die Email, dass mein Flug nach Cancun gestrichen wurde, erst am 1. Oktober, obwohl diese Info bereits Tage zuvor auf der Air-Berlin-Website zu finden war? Timing is tatsächlich a bitch — und seeehr teuer. Vergleichbare Alternativflüge waren zu dem Zeitpunkt natürlich unbezahlbar oder nur mit einem 24-Stunden-Trip verbunden. Viel zu lange. Und ganz ehrlich: Ich wollte auch einfach, dass diese Odyssee endet, auch wenn sie ja gar nicht richtig begonnen hatte. R.I.P. Mexiko.
Katastrophe
992,87 Euro – so viel haben die Flüge von Berlin nach Cancun gekostet. Dafür muss ich lange arbeiten und noch länger sparen. Aber hey, es sollte unser Traumurlaub werden, mit dem mein Freund und ich uns den – nicht existenten – Sommer in Deutschland verlängern wollten. Zweieinhalb Wochen wollten wir in Tulum Cocktails schlürfen, Flamingos am Strand fotografieren und die Pyramiden der Mayas besichtigen. Das Geld ist jetzt weg. Genauso wie meine Vorfreude und die Zeit, die ich in die Routenplanung investiert habe. Eben das erste Mal Urlaub ohne alles, noch so eine Premiere.
Auch interessant: Mein irrer Chaos-Flug von München nach Berlin

Foto: Screenshot