Quan Peng ist 29 Jahre alt und sitzt seit zwölf Jahren im Rollstuhl. Dennoch reiste er allein von Peking nach Hongkong – ohne Hilfe anderer Menschen. Und sein Abenteuer ist noch lange nicht zu Ende. TRAVELBOOK erzählte er seine unglaubliche Geschichte.
Gerade mal 17 Jahre war Quan Peng alt, als er wegen eines Tumors in der Brust operiert werden musste. Doch die Operation blieb nicht ohne Folgen, Komplikationen führten zu einer beidseitigen Lähmung, die ihn fortan an den Rollstuhl fesselte. Der Eingriff hatte den jungen Chinesen so viel Geld gekostet, dass er nicht mehr genug für die eigentlich notwendige Rehabilitation übrig hatte. Quang Peng musste ohne medizinische Hilfe lernen, mit seiner Behinderung umzugehen. Die folgenden acht Jahre verbrachte er zu Hause, abhängig von der Hilfe anderer Menschen, die ihn bei den alltäglichsten Dingen unterstützen mussten. Peng verlor an Lebensfreude und verfiel immer mehr in Depressionen.

Aber der junge Mann wollte nicht aufgeben und fasste 2013 den Entschluss, trotz aller Widrigkeiten, selbstständig zu leben. Peng lernte kochen, trainierte wie besessen und zog schließlich alleine nach Peking, wo er ein Jahr lang arbeitete. „In dieser Zeit veränderte sich mein Körper, und meine Stimmung drehte sich um 180 Grad“, sagt er rückblickend zu TRAVELBOOK. Nach einem zweitägigen Trip zur Chinesischen Mauer habe er gewusst: Mein Traum ist das Reisen.
5000 km von Peking nach Sanya
Nach gründlicher Planung startete Peng vor zwei Jahren seine unglaubliche Reise. Sein Plan: Alleine und ohne Hilfe mit seinem Rollstuhl mehr als 5000 Kilometer von Peking nach Sanya zu reisen. In den vergangenen zwei Jahren legte er davon schon die beeindruckende Strecke von Peking nach Hongkong zurück, fast 4000 Kilometer.

Die Ausrüstung hält er dabei sehr einfach: Er nahm nur mit, was er wirklich brauchte. Peng: „Ich glaube, die beste Vorbereitung für eine Reise ist ein Gedicht und ein offenes Herz. Nur ein mutiges Herz ist bereit zum Träumen. Ich habe zehn Jahre gebraucht, um zu realisieren, dass Reisen mein Traum ist.“ Ob er seine Familie und Freunde vermisse? „Natürlich bin ich einsam, aber ich genieße auch das Alleinsein“, sagt Peng.
Sein abenteuerlicher Trip brachte ihn schon an viele Orte, mehr als 50 chinesische Städten hat er durchrollt. Dabei schläft er meist in einem Zelt. Peng: „Am Fluss, am Meer, im Park, in den Wäldern, am Berg, auf einer Bank, im Krankenhaus. Überall.“

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Die Gefahr lauerte bergab
Das Gefährlichste an Pengs Reise ist zweifellos Chinas chaotischer Verkehr. Sein Rollstuhl ist ein simples Konstrukt ohne Hightech. Bremsen kann er ihn nur mit den Händen. Vor allem bergab kann das zum Problem werden: Ein kleiner Stein im falschen Moment kann dazu führen, dass sich der Rollstuhl überschlägt. „Besonders auf einer viel befahrenen Straße ist das extrem gefährlich“, erzählt der 29-Jährige. Einmal sei er, als er vor lauter Nebel kaum noch etwas sehen konnte, von der Spur abgekommen und bergab gebrettert, erzählt Peng im Interview mit TRAVELBOOK. Erst ein Zaun konnte den Rollstuhl stoppen.
Neben den gefährlichen Momenten erlebt er aber auch viel Positives. „Die Hilfsbereitschaft der Menschen hat mich sehr beeindruckt.“ Viele einstige Fremde, die nun Pengs Freunde sind, halfen dem Abenteurer, gaben ihm Wasser und Lebensmittel und ermutigten ihn, nicht aufzugeben.

Was war die größte Herausforderung?
Am liebsten rollt Peng durch ländliche Gegenden und rastet in historisch gewachsenen Städten. „Da, wo die Menschen noch einfach sind.“ Ein Freund der Metropolen ist er nicht. Zu viele Hindernisse, zu wenige Ausweichmöglichkeiten. Doch insgesamt liebt er sein Land sehr: „Die chinesische Kultur ist sehr vielfältig, jeder Ort hat andere Dialekte, Sitten und Bräuche.“
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Menschen mit Behinderungen haben es in China nicht leicht, finanzielle Unterstützung gibt es kaum. Arme Familien müssen ihre kranken Kinder oft weggeben, sie können sich die Pflege nicht leisten und eine Behinderung wird vielerorts immer noch als Schande angesehen. Mit dem Vorurteil, Menschen mit Behinderung wären ein Leben lang auf Hilfe angewiesen, möchte Peng aufräumen. Er will zeigen, dass man als Mensch mit Beeinträchtigung sehr wohl vollkommen selbstständig leben kann. Und dass man sogar Dinge schaffen kann, zu denen selbst viele Menschen ohne Behinderung nicht in der Lage sind.

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Für die Freiheit
Warum sich Peng all diesen Strapazen aussetzt? „Für die Freiheit! Das Schicksal hat mir meine Freiheit genommen, und ich habe sie mir zurück geholt. Gegen alle Widerstände.“ Durch die Reise hat Peng sich die Lebensfreude zurückerobert. „Ich habe meine Schwäche, meine Depression und meine Angst mit Mut überwunden. Das Reisen hat mich näher an den Glauben gebracht.“
Mit seinem Abenteuer hat Peng weltweit Aufmerksamkeit geweckt, auch der US-amerikanische Nachrichtendienst CNN berichtete über seine Reise. Noch hat Peng 18 Städte vor sich, bis er die Stadt Sanya, und damit sein Ziel, erreicht. „Ich würde danach gerne weiter reisen, denn mein Traum geht weiter. Ich möchte die ganze Welt bereisen.“