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Republik Molossia

Die skurrile Mikronation, die einen „Krieg“ gegen die DDR führt

Die Polizeistation und das angrenzende Gefängnis von Molossia
Die Polizeistation und das angrenzende Gefängnis von Molossia Foto: Kevin Baugh
Larissa Königs
Larissa Königs

16.06.2023, 16:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ein Land, das kleiner als ein Fußballfeld ist, von keiner Nation der Welt anerkannt wird und außerdem im Krieg mit einem Staat ist, den es schon seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gibt. Das ist so absurd, dass man es sich nicht ausdenken könnte – willkommen in der Republik von Molossia! TRAVELBOOK hat mit dem Präsidenten des skurrilen Fantasiestaats gesprochen.

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In den USA gibt es viele skurrile Dinge. Aber weniges ist so seltsam wie die Mikronation „Republic of Molossia“. Der selbst ernannte Zwergstaat liegt in den USA, im Ort Deyton, Nevada. Hier residiert über 5.300 Quadratmeter Landesfläche der Präsident von Molossia: Kevin Baugh. Er herrscht über ein Reich mit 35 Einwohnern, von denen aber kaum einer wirklich dort lebt. Dennoch seien sie alle Familienmitglieder, das Land sei „eine Familien-Nation“, erklärte Baugh 2020 im Interview mit TRAVELBOOK. Man könne deswegen zwar keine neuen Einwohner erlauben, die Population wachse aber dennoch immer weiter – dank Enkelkindern oder neuen Lebenspartnern. Mittlerweile gibt es 36. Bürger und Bürgerinnen in Molossia, einer irren Parallelwelt.

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Nation mit eigener Flagge, Briefmarken und Weltraumprogramm

Denn Molossia hat, so Baugh, „alles, was auch eine größere Nation hat“. Dazu gehören: eine eigene Flagge, eigene Briefmarken, ein eigenes Telefonsystem, eine Radiostation, eine Poststelle, eine Bank und sogar ein Weltraumprogramm. Mit diesem „Weltraumprogramm“ habe man sogar als erste Mikronation weltweit ein lebendes Wesen emporgeschossen. Doch ganz so spektakulär, wie man nun denken könnte, lief die Mission nicht ab. Das Programm ist nämlich der Größe und Ernsthaftigkeit dem Staat angepasst, in dem es angesiedelt ist. Die Rakete ist eine Spielzeug-Rakete, das Programm nicht mehr als die Möglichkeit, besagte Rakete abschießen zu dürfen und das „lebende Objekt“ waren Keimlinge von Springbohnen.

 Eine Rakete des molossischen Space-Programs
Eine Rakete des molossischen Space-Programs Foto: Kevin Baugh

Die von Baugh angepriesene „eigene Eisenbahnstrecke Molossias“ entpuppt sich als Modelleisenbahn. Die Nationalparks sind nicht mehr als großzügige Blumenbeete. Und beim molossischen Geld, der Währung Valora, handelt es sich um Pokerchips, die mit Papier beklebt wurden. Es sind Kleinigkeiten wie diese, die zeigen, dass Baugh, im Gegensatz zu anderen selbsternannten Herrschern von Mikronationen, sein eigenes Land eher mit Humor als mit Ernsthaftigkeit betrachtet. Auch wenn er sich zwar mit seinesgleichen, etwa dem Grand Duke Travis der Nation Westarctica, trifft, weist Baugh darauf hin, dass viele der Handlungen in seinem Land satirisch angehaucht seien. Dennoch ist und bleibt die Idee, seine eigene Nation zu gründen, irre. Wie kommt man darauf?

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Die Gründung von Molossia

Gegründet wurde die Republik Molossia von Baugh und seinem Freund James am 26. Mai 1977 – damals noch unter dem Namen „Große Republik von Vuldstein“. Die beiden Männer kamen auf die Idee, als sie den Film „Die Maus, die brüllte“ sahen, eine Komödie, in der es um die Geschicke des Fantasiestaats „Groß Fenwick“ geht. „James ging irgendwann zu anderen Projekten über, aber ich blieb bei der Idee“, erzählt Baugh. Als er sich 1989 im nördlichen Nevada niederließ und dort Land kaufte, stand endlich die Heimat für seine Nation fest, die er schließlich in Molossia umbenannte. Doch was bezweckt Baugh mit dem Fantasiestaat?

Den heute pensionierten US-Sergeant trieb laut eigener Aussage die Neugier an. „Mit Molossia wollte ich abtasten, was eigentlich ein Land ausmacht – sei es nun bezüglich der Regierung, der Wirtschaft oder der Kultur“, erzählt Baugh. Dabei geht er sogar so weit, dass er sich im Krieg mit einer anderen Nation wähnt. Diese ist allerdings genauso wenig mit einer Armee ausgestattet wie Molossia selbst – was vor allem daran liegt, dass sie gar nicht mehr existiert. Molossia befindet sich nämlich seit mehr als 40 Jahren im Krieg mit der DDR.

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Molossia und der Krieg mit der DDR

Der bizarre Konflikt begann 1983. Zu diesem Zeitpunkt war Baugh, der damals noch seine landlose Mikronation eher als Hobby betrieb, für die US-Army in Westdeutschland stationiert – und über diesen Job nicht erfreut. „Ich war so genervt davon, jede Nacht mehrere Male aufzustehen, um die kommunistische Gefahr zu bekämpfen, dass ich der nächstgelegenen Ostblock-Nation den Krieg erklärte – der DDR“, berichtet Baugh von seiner Kriegserklärung. Als er schließlich wieder abgezogen wurde, vergaß der molossische Aggressor, der übrigens auch Kriegsminister seines Landes ist, zwar zeitweise sogar, dass er diesen „Krieg“ noch führt. Doch dann erfuhr er vor etwa zehn Jahren von einer Insel: der Ernst-Thälmann-Insel vor Kuba.

Präsident Kevin Baugh in seinem herrschaftlichen Büro
Präsident Kevin Baugh in seinem herrschaftlichen Büro Foto: Kevin Baugh

Diese unbewohnte, 15 Kilometer lange Insel hat tatsächlich eine rege Geschichte, die sie mit der DDR verbindet. Laut Baugh war sie 1973 ein Geschenk Fidel Castros an die DDR, wurde aber in den Auflösungsverträgen der Wiedervereinigung vergessen und sei deswegen ein Teil der DDR, der weiterbestehe. Zwar ist es so, dass die Insel noch heute den Namen Thälmanns trägt, tatsächlich hat sie aber nie ihre Besitzverhältnisse gewechselt und gehörte somit mitnichten der DDR. Dieser Fakt ist Baugh aber egal. Da die Insel unbewohnt sei, sehe er sich nicht in der Lage mit jemandem Friedensgespräche zu führen und „dementsprechend geht der Krieg weiter, vermutlich für immer“, so Baugh.

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Wie lange der einseitige Konflikt schon andauert, können Interessierte auch auf der Website von Molossia verfolgen. Ein kleiner Ticker verkündet dort stetig, in welchem Tag des Krieges man sich aktuell befände. Und direkt darunter kann man sich auch für das „Ende des Kriegs“ einsetzen. Dafür muss man nur eine Kriegsanleihe kaufen. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, daran Interesse haben: Der Preis für einen „Molossian War Bond“ liegt aktuell bei 3 Dollar.

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Etwa 200 Besucher pro Jahr in Molossia

Die „Kriegsanleihen“ sind nur einer der skurrilen Versuche, mit der Mikronation Geld zu verdienen. So sei nach wie vor die „Wirtschaft“ die größte Herausforderung von Molossia. Man sei eben „keine reiche Nation“, sagt Baugh. Deswegen müsse man immer wieder Wege finden, um das Land weiter voranzubringen. Einer dieser Wege scheint die Öffnung zum Tourismus zu sein. Baugh und seine Familie bieten von April bis Oktober Touren an, in denen die Besucher in die Welt der Mikronation eingeführt werden.

 Dieser Anblick erwartet Besucher bei der Ankunft in Molossia
Dieser Anblick erwartet Besucher bei der Ankunft in Molossia Foto: Kevin Baugh

Die Anzahl der Touristen ist dabei aber durchaus passend zur Größe des Landes: Pro Jahr kommen nur etwa 200 Besucher. Viel Zeit brauchen diese nicht einzuplanen, die Tour dauert nur eine Stunde. Sie sei deswegen so kurz, weil es schlicht kaum mehr zu sehen gäbe, wie Interessierte schon bei Buchung der Touren auf der Website erfahren. Noch kürzer wird es, wenn ein Besucher einen der folgenden Gegenstände mitbringt, deren Einfuhr in Molossia strengstens untersagt ist: Glühlampen, Plastiktüten, Seewölfe, frischer Spinat, Zwiebeln, Verkäufer und Missionare sowie Walrosse.

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Falls es bisher noch nicht klar geworden ist: „Wir haben viel Spaß hier“, sagt Baugh. Und fügt abschließend noch patriotisch hinzu: „Wer weiß, was die Zukunft für unser kleines Land bringt, die Republik von Molossia!“

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