Wer schon mal in Bangkok ist, nutzt mitunter auch die Gelegenheit und besucht die legendären Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha. Mit dem Flieger ein Kurztrip (1 Stunde Flugzeit), mit dem Zug und Auto ein 15-stündiges Abenteuer. Tim Röhn hat es gewagt.
Wer am Bahnhof Hualamphong in Bangkok für 48 Baht (etwas mehr als 1 Euro) ein Dritte-Klasse-Ticket für die sechsstündige Zugfahrt Richtung Aranyaprathet und kambodschanische Grenze kauft, macht sich auf so manches gefasst – doch was dann tatsächlich auf der Reise geschieht, überrascht uns dann doch.
Eine Dame, vielleicht 40 Jahre alt, setzt sich auf den Sitz gegenüber und stellt eine kleine Kiste neben sich. Darin: ein dunkelblonder Pudel. Der Hund trägt ein T-Shirt, hat eine Schleife im Haar und darf Platz nehmen auf dem Schoß seines Frauchens. Die Dame greift in eine Tüte Kekse und zerbröselt den Inhalt mit ihren Fingern. Der Pudel frisst ihr aus den Händen. Dann isst sie selbst, aber das mag der Pudel gar nicht. Er beißt zu. Also bekommt er aufs Neue Kekse.
Dann hält sie ihn aus dem Fenster, dem Pudel fegt der Wind durchs Gesicht. Kurz darauf trinken Pudel und Frauchen aus dem gleichen Strohhalm einen Kakao. Das bekommt dem Pudel gar nicht gut, er muss brechen. Die Frau hat glücklicherweise ein Handtuch dabei und wischt dem Pudel den Mund ab. Dann muss er zurück in die Kiste. Aber weil er quiekt, darf er nach einer Minute wieder raus. Und muss dann sofort wieder rein. Wieder raus, wieder rein.
So geht das sechs Stunden lang, wir und die anderen ausländischen Mitreisenden im Abteil haben alle Mühe, uns nicht vor Lachen in unseren Sitzen zu krümmen. Etwas Abwechslung bringt der Blick nach draußen, der Zug gleitet über ewig weite Reisfelder hinweg und durch Dörfer, in denen unzählige Rinder herumlaufen und die Kinder freudig winken.
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Klimaanlage, Bordbistro? Fehlanzeige!
Es ist brüllend heiß, die Sonne knallt vom blauen Himmel. Eine Klimaanlage gibt es nicht, natürlich auch kein Bordbistro, aber dafür kann man im vordersten Abteil die Glastür zur Seite schieben und gemeinsam mit dem Lokführer den Blick geradeaus zum Horizont genießen.
Es dämmert schon, als der Zug in den Bahnhof von Aranyaprathet einfährt. Die Dame packt ihren Pudel in die Kiste und verschwindet in dem Menschenauflauf, der sich auf dem Bahnsteig gebildet hat. Taxifahrer, Hotelbesitzer und Essensverkäufer buhlen um die Gunst der Reisenden.
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Der Abzockversuch mit den Visa
Ein Taxi zur Grenze, mehr brauchen wir nicht. Wenn man dank des Internets schon vorher eine Vorstellung davon hat, was einem am Grenzübergang Aranyaprathet – Poipet erwartet, und seine Wertsachen immer gut versteckt hält, sind die Geschehnisse hier ziemlich amüsant. Es beginnt mit dem Taxifahrer, der versichert, die Büros der Grenzbehörden seien heute leider schon geschlossen. Er fährt daher zu einer als „Konsulat“ gekennzeichneten Baracke, wo das Visa für Kambodscha 40 statt 20 US-Dollar kosten soll.
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Gesundheitspass für die Einreise? Unsinn!
Wir machen dem Taxifahrer lachend klar, dass wir von dem Trick gehört haben, und bitten ihn, nun doch bitte zur Grenze zu fahren. Er lacht nun auch. „Why not trying?“, sagt er und gibt Gas. Auch an der Grenze selbst ist das Dienstleistungsangebot riesig. Junge, starke Männer wollen für ein paar Dollar Taschen und Koffer nach Kambodscha tragen. Ein Herr macht uns darauf aufmerksam, dass wir für die Einreise noch einen exklusiv bei ihm zu erwerbenden Gesundheitspass benötigen – was natürlich riesengroßer Unsinn ist.
Zwischen der thailändischen und kambodschanischen Seite liegt ein 500 Meter breiter Streifen Niemandsland. Links und rechts stehen Spielkasinos, hierher fahren viele Thailänder, weil Glücksspiel in ihrem Land verboten ist. Männer in Anzügen versuchen, die Reisenden aus dem Gedränge heraus in ihre Etablissements zu zerren und locken mit „100 percent winning“. Ein bisschen Hektik, ein bisschen Chaos.
„Today new price“, steht an der Glasscheibe der Behörde
Im Büro der kambodschanischen Immigration sollte es aber doch ehrlich zu gehen, mag man vermuten. Dann aber entdeckt der Reisende einen DIN-A4-Zettel an der Glasscheibe, hinter der fünf Kambodschaner in Militär-Uniform warten. „+ 5 Dollar Tax“ steht darauf. Auf die Frage, was es denn mit dieser Zusatzgebühr auf sich habe, entgegnet einer der Uniformierten: „Today new price“, heute neuer Preis.
Widerwillig schieben wir die Extra-Dollar über den Tisch, dann werden unsere Pässe endlich gestempelt. Zwei Stunden warten wir an der Gepäck-Kontrolle, dann dürfen wir kambodschanischen Boden betreten. Die Auto-Fahrt nach Siem Reap, wo die weltbekannten Tempelanlagen von Angkor Wat liegen, kostet 40 Dollar.
Es ist schon kurz vor Mitternacht, als sich der alte Fiat in Bewegung setzt. Wir sitzen zu viert auf der Rückbank. Vorne versucht ein grauhaariger Franzose, mithilfe des Fahrers die Sprache der Khmer zu lernen. Zwei Stunden lang, ohne Pause und – so macht es den Anschein – auch ohne Verstand.
Die Lichter von Siem Reap erscheinen in der Ferne, nach einer 15-stündigen Tour. Der Flug dauert eine Stunde und soll sehr komfortabel sein. Aber da kann man einen Pudel nicht in den Wind halten. Und Abzocker abschütteln geht auch nicht.