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Im Hafen von Philadelphia

„SS United States“ – warum das schnellste Schiff der Welt seit Jahrzehnten vor sich hin rostet

"SS United States"
Die „SS United States“ im Hafen von Philadelphia. Einst das schnellste Schiff der Welt, liegt es dort seit 1996. Foto: picture alliance / AP Photo | Matt Rourke
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

13.09.2023, 15:30 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Die „SS United States“ hält bis heute den Rekord für die schnellste Atlantik-Überquerung. Und das, obwohl das Schiff bereits seit 1969 außer Betrieb ist. Alle Pläne, den stolzen Ozeanriesen zu reaktivieren, scheiterten bislang. So rostet er noch immer im Hafen von Philadelphia vor sich hin.

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Wer in der Stadt Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania den Hafen besucht, der wird sich ihrem beeindruckenden Anblick mit Sicherheit nicht entziehen können. Seit mehr als 25 Jahren rostet hier ein Riese vor sich hin, der einst als „Amerikas Flaggschiff“ bekannt war, auf den eine ganze Nation stolz war. Die Rede ist von der „SS United States“.

Ihre Dimensionen, die auf der offiziellen Seite des Schiffes nachzulesen sind, beeindrucken auch heute noch. Gut 300 Meter lang, 45.400 Tonnen schwer und unglaubliche 247.785 Pferdestärken. Sechs Stockwerke hoch ihre beiden Schornsteine, eine Spitzengeschwindigkeit von 38 Knoten, bzw. 70 Kilometern pro Stunde. Ihr Bau verschlang 78 Millionen Dollar (ca. 65 Millionen Euro), doch schon auf ihrer Jungfernfahrt zeigte die „SS United States“, dass sie ihr Geld wert war.

Die „SS United States“ – ein Lebenstraum

Am Anfang stand nur ein Traum. Der Traum des jungen Ingenieurs William Francis Gibbs, das schnellste Schiff der Welt zu bauen. Bereits 1916 kündigt er daher seinen alten Job und überzeugt J.P. Morgan, einen der reichsten Männer der USA, ihn fortan Schiffe konstruieren zu lassen. Erstes Geld verdient er sich mit der Renovierung der „Vaterland“, einem von Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg beschlagnahmten Ozeanriesen. Als dieser unter dem neuen Namen „Leviathan“ wieder schwimmt, ist er das größte bewegliche Objekt der Welt.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird Gibbs von der US-Armee als Ingenieur für das Projekt „Liberty Ship“ angeheuert. Sein Unternehmen liefert ein fertiges Schiff in nur 42 Tagen. Dann kann er 1950 endlich mit seinem Lebenstraum beginnen, dem Bau der „SS United States“. Die Regierung möchte einen neue Luxusliner, der bei Bedarf auch in einen Truppentransporter umgewandelt werden kann.

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Ein Rekord für die Ewigkeit?

Am 8. Februar 1950 ist es schließlich soweit. Der Kiel der „SS United States“ wird in der Newport News Shipbuilding and Dry Dock Company gelegt, die schon lange mit der US-Navy zusammenarbeitet. Von nun an bauen mehr als 3100 Menschen fieberhaft an der Fertigstellung dessen, was schon schon bald ein Symbol für den Stolz einer ganzen Nation werden soll.

Denn als die „SS United States“ am 3. Juli 1952 zu ihrer Jungfernfahrt aufbricht, stellt sie einen bis heute ungebrochenen Rekord auf. Nie wieder hat ein anderes Schiff schneller den Atlantik überquert als die „SS United States“. Passagiere, die mit dem Schiff fuhren, berichteten immer wieder, man habe sich aufgrund des heftigen Fahrtwinds meist nur drinnen aufhalten können. Draußen an Deck zu stehen, sei wie ein Schlag ins Gesicht gewesen.

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Feuerfeste Pianos

Die „SS United States“ hat 395 Kabinen, 14 Suiten und 23 öffentliche Räume, darunter mehrere Ballsäle und Theater. Hätte man sie senkrecht in New York hingestellt, wäre sie das höchste Gebäude der Stadt gewesen. Der Ingenieur Gibbs ist derart besessen von der Sicherheit, dass an Bord keinerlei Holz verwendet werden darf, mit Ausnahme der Schlachterblöcke sowie der Pianos. Laut „CNN“ liefert der Hersteller Steinway seine Instrumente daher aus einem besonders feuerfesten Mahagoni-Holz.

Doch nicht nur das, Gibbs lässt aus Angst vor Feuer an Bord eine ganze Suite an Land nachbauen und anzünden. Mit dem Resultat ist er hochzufrieden, sagt demnach: „Man kann sie nicht verbrennen, man kann sie nicht versenken, und man kann sie nicht einholen.“ Zur Sicherheit hat er zwei unabhängig voneinander arbeitsfähige Motoren einbauen lassen sowie die Außenhülle des Schiffes verstärkt. Bereits nach ihrer Jungfernfahrt ist die „SS United States“ nicht nur das schnellste, sondern auch das berühmteste Schiff der Welt. Dennoch währt ihre Blütezeit nur kurz.

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Ein Schiff für die Reichen und Schönen

Doch zunächst einmal geben sich die Schönen und Reichen auf „Amerikas Flaggschiff“ die Klinke in die Hand, wie die offizielle Seite des Schiffs beschreibt. Berühmtheiten wie Prinzessin Grace von Monaco überqueren auf der „SS United States“ den Atlantik. Auch Salvador Dalí geht an Bord, genau wie Präsident Harry Truman und der Musiker Duke Ellington. Walt Disney lässt gleich mehrere seiner Filme an Deck der „SS United States“ drehen. Doch eine neue Erfindung lässt ihren Stern schnell sinken.

1958 werden die ersten Linienflüge eingeführt, die im Vergleich zu einem Ozeanriesen wie der „SS United States“ sehr viel spritsparender unterwegs sind. Die Zeit der großen Luxusdampfer neigt sich ihrem Ende zu. Immer mehr Schiffe gehen außer Betrieb, bis schließlich 1969 auch die „SS United States“ aus dem Verkehr gezogen wird. Dies geschah so abrupt, dass viele Crew-Mitglieder nicht mal mehr an ihre Sachen kamen, die sie an Deck zurückgelassen hatten. Bis 1978 blieb die „SS United States“ als Reserveschiff für die Navy noch einsatzbereit, wurde aber nie benötigt.

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Sticht die „SS United States“ noch einmal in See?

Für sie begann vielmehr eine Zeit der Unsicherheit und des Verfalls unter immer wieder wechselnden Eigentümern. Mehrfach gab es bereits Pläne, dass sie wieder zur See fahren sollte, doch bislang wurden sie alle aus Kostengründen verworfen. Seit 1996 liegt sie nun im Hafen von Philadelphia vor Anker, wo sie mit der Zeit immer mehr verrostet. Aufgegeben wurde die „SS United States“ aber noch lange nicht.

Wie auf der Seite der „SS United States Conservancy“, einer Stiftung zur Erhaltung des Schiffes, nachzulesen ist, gibt es aktuell mal wieder große Hoffnungen auf ein Revival. So arbeite man gemeinsam mit der Firma RXR Realty an einem Projekt. Hierbei soll unter anderem ein Hotel und ein Museum auf dem Schiff entstehen. Auf einer Fläche von etwa 55.000 Quadratmetern soll es auch ein Kulturzentrum geben. Diverse Hafenstädte wie New York, San Francisco und Los Angeles hätten bereits Interesse signalisiert, „Amerikas Flaggschiff“ ein neues Zuhause zu geben. Und so könnte es sein, dass das Schiff, das bis heute das schnellste der Welt ist, doch noch einmal auf große Fahrt geht.

Themen Nordamerika USA
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