9. Oktober 2019, 11:35 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Laut aktuellen Studien geben deutsche Urlauber gerne an, bei der Buchung einer Reise um die Umwelt besorgt zu sein und dementsprechend auf Nachhaltigkeit zu achten. Oft steht die Einstellung aber im starken Gegensatz zum eigenen Handeln. Die Zahlen zeigen: Insgesamt buchen die meisten Deutschen komplett an ihren guten Vorsätzen vorbei.
Die Zahl der Flugreisen in Deutschland ist seit der Gründung der Fridays-for-Future-Bewegung gestiegen, wie eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes ergeben hat, berichtet die Rheinische Post. Laut der Auswertung starteten in den zwölf Monaten von August 2018 bis Juli 2019 von Deutschland aus rund 125,1 Millionen Flugpassagiere, während von Juli 2017 bis Juli 2018 nur 119,4 Millionen Flugpassagiere verzeichnet wurden. Den Daten nach gab es seit August 2018 jeden Monat einen Anstieg zum entsprechenden Vorjahresmonat.
Trotz steigender Flugbuchungen geben über 70 Prozent der Deutschen an, an nachhaltigen Reisen interessiert zu sein
Auch die ersten Ergebnissen der Deutschen Forschungsgesellschaft für Urlaub und Reisen e.V. (FUR) für 2019, sowie eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg zeigen, dass die Deutschen nicht so nachhaltig sind, wie sie gerne behaupten: Demnach geben 71% der deutschen Reisenden an, sehr an nachhaltigen Reiseangeboten interessiert zu sein. Den Auswertungen der real erfolgten Buchungen nach, berücksichtigen jedoch nur etwa 33% tatsächlich nachhaltige Aspekte, also zum Beispiel klimafreundliches Reisen, Flugverzicht, die Auswahl von ökologisch orientierten Hotels und die Vermeidung massentouristischer Ziele. Flugreisen, insbesondere Fernreisen, nehmen zu. 73 Prozent aller Urlaubsreisen der Deutschen führten 2018 ins Ausland. Nur jeder fünfzigste Flugreisende kompensiert seine verursachten CO2-Emissionen durch Zahlung einer kleinen Spende an Organisationen, die Klimaschutzprojekte fördern.
Spiegel Online führte jüngst eine eigene Leserumfrage durch, bei der nicht einmal 12 Prozent der Befragten angaben, wegen der Klimakrise bei ihrer diesjährigen Urlaubsplanung auf eine Flugreise verzichten zu wollen.
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„Hubschrauberrundflüge passen nicht zu einer klimafreundlichen Reise“
Thorsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband sagt TRAVELBOOK auf die Frage, wie nachhaltig das Reiseverhalten der Deutschen sei:
„Zwar sind die Kunden der Reisewirtschaft gut über Klimawandel und Klimaschutz informiert. Dennoch hält sich die konkrete Bereitschaft, entsprechend zu kompensieren noch in Grenzen.“ Er weist darauf hin, dass es zahlreiche Möglichkeiten für Urlauber gibt, um ihre Reise umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten.
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So könnten Touristen schon bei der Wahl des Urlaubshotels etwas tun und sich für ein als nachhaltig zertifiziertes Hotel entscheiden und somit ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren. Im Urlaub selbst können Reisende auf klimafreundliche Transportmittel zurückgreifen, beispielsweise mit dem Bus oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, statt mit dem Taxi. „Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Jetski fahren oder Hubschrauberrundflüge passen nicht zu einer klimafreundlichen Reise und sollten entsprechend überdacht werden,“ findet Schäfer.
Direktflüge sind weniger schädlich für die Umwelt
Wer unbedingt fliegen möchte, dem empfiehlt der Experte beim Airline-Index der Klimaschutzorganisation atmosfair nachzusehen, wie viele durchschnittliche Emissionen verschiedene Airlines haben und sich für eine Airline zu entscheiden, die darauf achtet, ihre Emissionen einzuschränken.
„Interessant zu wissen ist außerdem: Direktflüge sind nicht nur komfortabler und stressärmer für den Reisenden, auch verursachen sie bis zu 50 Prozent weniger CO2. Denn für die Starts und Landungen muss besonders viel Energie aufgewendet werden, was zu einem erhöhten Kerosinverbrauch und damit höheren Emissionen führt.“
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Langfristig sind nachhaltige Reisen im Trend
Roland Streicher, Inhaber der Agentur „ReNatour“, einer der größten deutschen Anbieter für nachhaltige Reisen, sieht dennoch einen konstanten Zuwachs in seiner Branche: „Für die letzten fünf Jahre kann ich absolut bestätigen, dass das Interesse für nachhaltig konzipierte Reiseangebote konstant zugenommen hat. Mit ReNatour konnten wir jährlich zulegen zwischen 5 und 20%.“
Einen Schub durch medienwirksamen Klimaschutzaktivismus, wie etwa die Fridays-for-Future-Bewegung, konnte das Unternehmen bis jetzt noch nicht feststellen.