2. Juni 2015, 11:25 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Man stelle sich vor, man könnte sich dort niederlassen, wo einem danach ist, wäre nahezu unabhängig von Energiekonzernen – und hätte fast alle Annehmlichkeiten eines normalen Zuhauses. Was nach dem Aussteiger-Traum schlechthin klingt, haben slowakische Architekten entworfen: eine Öko-Kapsel für Selbstversorger.
Ruft man bei Tomas Zacek an, einem der drei Gründer von Nice Architects, spürt man schnell, dass bei ihm derzeit ziemlich viel los ist. Im Hintergrund sind Kinder zu hören und Zacek selbst wirkt, als hätte er bereits am Morgen schon Dutzende Gespräche hinter sich. Der Grund hierfür ist ein Ding, das aussieht wie ein großes, silbernes Ei. Name des futuristischen Objekts: Ecocapsule, eine transportable Wohnung, die sich selbst mit Energie und sogar Trinkwasser versorgen kann. Ende Mai wurde sie beim Pioneers Festival in Wien präsentiert und bekommt seitdem sehr viel positive Resonanz.
„Wir haben bislang 1000 Anfragen aus aller Welt erhalten“, erzählt Zacek TRAVELBOOK. Fast hat es den Anschein, dass er und seine Mitstreiter nicht mit diesem großen Interesse gerechnet hatten. Warum auch? Schließlich ist die Idee eines mobilen Zuhauses nicht unbedingt neu: Seit Jahren erfreuen sich immer luxuriösere Wohnmobile großer Beliebtheit und neuerdings werden auch „Floating houses“, Hausboote, zunehmend nachgefragt.
Doch die Ecocapsule ist besonders: Mithilfe einer Solaranlage auf dem Dach und einer ausfahrbaren 750-Watt-Windturbine versorgt sie sich selbst mit Strom. Fast ein Jahr lang sei dies möglich, erklärt Zacek, wobei es natürlich vom Ort abhänge, wo sie stehe. Der Prototyp sei unter anderem in den Niederlanden und der Slowakei erfolgreich getestet worden.
Lediglich im Januar, also dann wenn die Tage besonders kurz seien und der Heizbedarf hoch sei, habe es zuweilen einen kurzen Energie-Engpass gegeben. Aber in Australien stelle dies kein Problem dar, sagt Zacek. Wenn über längere Zeit Sonne und Wind nicht ausreichen, werde der Energiebedarf über Akkus gedeckt, die übrigens auch zum Aufladen von Elektro-Fahrzeugen genutzt werden können.
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Trinkwasser wird selbst gemacht
Zwei Personen finden in einer solchen Ecocapsule Platz – und genießen den Komfort eines modernen, wenn auch ziemlich kompakten Zuhauses: Küchennische, Arbeits- und Schlafbereich, Klo, Bett, Stauraum und eine Dusche mit sauberem und heißen Wasser passen in die Kapsel. Auch Trinkwasser produziert das Mini-Haus, indem es Regenwasser sammelt und mithilfe von Filtern reinigt. Zudem gewährleisten eine Heizung sowie spezielle Isolation, dass man in kalten Regionen oder Jahreszeiten drinnen nicht friert.
Neben vielen Privatpersonen, die ihren Traum vom Aussteigen realisieren oder einfach nur einen unkonventionellen Zweitwohnsitz haben wollen, finden sich unter den Interessenten auch zahlreiche Firmen, darunter einige Hotels, wie Tomas Zacek bestätigt.
Den Einsatzmöglichkeiten seien jedoch kaum Grenzen gesetzt: So sei eine Nutzung als unabhängige Forschungsstation, Touristen-Lodge oder Notunterkunft denkbar, heißt es auf der Website. In Städten, in denen Wohnraum knapp und überteuert sei, könnten Ecocapsules beispielsweise auf Dächern platziert werden.
Einen Preis wollen Nice Architects erst Ende des Jahres kommunizieren, aber Tomas Zacek, der privat in einem Niedrigenergiehaus wohnt, hofft, dass sich, wenn die Produktionskosten entsprechend günstig seien, irgendwann jeder eine solche Kapsel leisten könne.
Im ersten Halbjahr 2016 sollen schon die ersten Einheiten ausgeliefert werden. Das Gute: Die Ecocapsule – Maße: 2,55 hoch, 4,45 lang, 2,25 Meter breit – ist so konzipiert, dass sie problemlos in einen klassischen Schiffscontainer passt.