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29.000 Badeabschnitte betroffen

EU will drastische Änderung an Italiens Stränden durchsetzen  

Italien Bezahlstrände
Ein Küstenabschnitt zwischen Ravenna und Rimini an der Adria. Fast der gesamte Strand ist in sogenannte „stabilimenti balneari“ (z. Dt.: Badeanstalten) unterteilt. Foto: Getty Images
Angelika Pickardt
Redaktionsleiterin

23.08.2023, 17:06 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Wer schon mal Badeurlaub in Italien gemacht hat, kennt das Bild: An den kilometerlangen Mittelmeerstränden reihen sich Tausende Liegen und Sonnenschirme aneinander, farblich unterteilt in verschiedene Strandabschnitte, die jeweils von einem anderen Inhaber betrieben werden. Knapp 30.000 solcher sogenannten „stabilimenti balneari“ gibt es in Italien, und mit dem Vermieten der Schirme und Liegen verdienen die Betreiber ein Vermögen. Doch jetzt kommt eine grundlegende Gesetzesänderung auf sie zu. TRAVELBOOK erklärt die Hintergründe.

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Wer in Italien einen Strand besuchen möchte, muss oft zwangsläufig für Liege und Sonnenschirm zahlen. Denn mehr als 50 Prozent der Tausende Kilometer langen Küste sind mit „stabilimenti balneari“ belegt. Für die Betreiber ist es ein lukratives Geschäft: Rund 15 Milliarden Euro Umsatz verbuchen die Bezahlstrände laut einem Bericht des „Tagesspiegel“ pro Jahr. Oft gehören die Strandabschnitte einzelnen Familien, und während der Badesaison haben 300.000 Menschen dort ihren Arbeitsplatz.

Teilweise sind die Bezahlstrände seit Jahrzehnten in derselben Hand. Man munkelt, dass auch die Mafia einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat. Um neue Konzessionen mussten die Betreiber sich bislang nicht kümmern. Doch genau das soll sich bald schon ändern. Hintergrund ist die bereits im Jahr 2006 von der EU erlassene Bolkestein-Richtlinie, mit der öffentliche Dienstleistungen liberalisiert und für private Anbieter geöffnet werden sollen. Jahrelang hatte es allerdings kein Politiker in Italien gewagt, diese Richtlinie auf die Bezahlstrände anzuwenden, wie unter anderem das italienische Nachrichtenportal „Tiscali News“ schreibt. Die Zulassungen für die Betreiber seien einfach immer wieder verlängert worden.

Zulassungen für Bezahlstrände in Italien sollen neu vergeben werden

Italiens Vorgänger-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi hatte in dieser Hinsicht Anfang 2022 erstmals ein Machtwort gesprochen. In einem neuen Gesetz wurde festgelegt, dass alle Konzessionen für die knapp 30.000 Strandabschnitte ab dem 1. Januar 2024 neu ausgeschrieben werden müssen. Wer also sein Strandbad weiter betreiben will, muss sich neu bewerben und gegen andere Bewerber durchsetzen. Und die dürfen sogar aus einem anderen EU-Land kommen.

Doch Giorgia Meloni, Draghis Nachfolgerin im Amt und Vorsitzende der rechtsnationalen und populistischen Partei Fratelli d’Italia, ruderte erneut zurück. Sie bezeichnete Draghis Gesetz als den ersten „Akt der Enteignung“ von fast 30.000 Unternehmen. Nach ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 verschob sie die Umsetzung des Gesetzes um ein weiteres Jahr. Die EU jedoch bleibt hart, besteht auf einer Neuvergabe der Lizenzen bereits ab 2024.

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Neukartierung aller Strände – um Zeit zu schinden?

Weil die Zeit langsam knapp wird, hat sich Italiens Regierung nun eines „Tricks“ bedient, wie die italienische Nachrichtenagentur „ADG informa“ schreibt. Demnach sollen zunächst sämtliche Strände mit Konzession nebst den freien Strandabschnitten neu vermessen und kartiert werden. Ziel sei es, der EU zu beweisen, dass Italien kein Land ist, in dem es an freien Stränden mangelt. Die Regierung behauptet der Nachrichtenagentur zufolge, dass „das Phänomen nur in bestimmten Gebieten der italienischen Küste vorhanden sei“. Die „Süddeutsche Zeitung“ mutmaßt, dass dann auf den bisher noch freien Stränden womöglich neue Bäder bewilligt werden könnten. „Die könnte man in den Wettbewerb geben, um die alten Lizenznehmer nicht allzu sehr quälen zu müssen. Das träfe dann die Liebhaber freier Strände ebenso wie womöglich den Naturschutz“, schreibt die Zeitung.

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Unter den Betreibern der Bezahlstrände ist die Sorge jedenfalls groß, dass sie nach 2023 ihre Zulassungen und damit ihr gesichertes Einkommen verlieren könnten. „Immer wieder heißt es, die Strandbetreiber wollen sich nicht dem Wettbewerb stellen“, sagt Mauro Vanni, Besitzer eines Bezahlstrandes in Rimini und Vorsitzender der Genossenschaft Bagnini, dem Nachrichtensender ntv. „Das stimmt aber nicht. Wir sind es leid, seit Jahren in der Ungewissheit zu leben. Was wir fordern ist ein Gesetz, das uns garantiert, sollten wir die Konzession nicht wieder zugeschrieben bekommen, die Investitionen, die wir im Laufe der Jahre gemacht haben, zurückzubekommen“, so Vanni weiter.

Auch Alessandro Berton, Vorsitzender des Verbands Unionmare Veneto und ebenfalls Besitzer von Bezahlstränden in Jesolo, Eraclea und Lido di Venezia, findet deutliche Worte gegenüber ntv: „Der Strand gehört dem Staat, das Strandbad ist aber ein Privatunternehmen, das weder dem Staat noch Brüssel gehört.“

Themen: #amex Italien
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