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Schloss Gravensteen

Belgiens wunderschöne Burg mit grausamer Vergangenheit

Schloss Gravensteen
Schloss Gravensteen in Gent ist heute das bedeutendste Wahrzeichen der Stadt. Doch jahrhundertelang war es ein Ort des Schreckens Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

12.10.2022, 11:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Schloss Gravensteen in der belgischen Stadt Gent blickt zurück auf eine mehr als 800 Jahre lange Geschichte. Einst gebaut und zu Ruhm gelangt als das „Schloss der Grafen“, ist der Ort auch verbunden mit unsagbaren Gräueltaten. Denn jahrhundertelang wurde hier im Namen des Gesetzes gefoltert. Heute ist die einstige Schreckensburg die meistbesuchte Touristenattraktion der Stadt.

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Wohl nur wenige Städte in Europa können von sich sagen, dass ihre heute größte Touristenattraktion vor allem wegen ihrer grausamen Vergangenheit bekannt ist. Schloss Gravensteen in Gent ist jedoch genau so ein Ort. Denn einst war die mächtige Trutzburg an der Mündung der Flüsse Leie und Scheldt das berüchtigtste Foltergefängnis des Landes. Dabei begann seine Geschichte bereits vor über 800 Jahren als ruhmreicher Sitz einer mächtigen Herrscher-Dynastie.

Laut der offiziellen Seite von Schloss Gravensteen befand sich am Ort des heutigen Prunk-Bauwerks bereits im 9. Jahrhundert eine befestigte Wehranlage aus Holz. Gent entwickelte sich zu dieser Zeit zum industriellen Sitz der Grafschaft Flandern. Das Schloss stellte nun das Epizentrum dieser neuen Wirtschaftsmacht dar. Wenig verwunderlich, wurde auch es in den folgenden Jahrhunderten erweitert, von Mauern aus Stein und einem Wassergraben umschlossen.

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Kaum besuchter Prunksitz

Schloss Gravensteen
Wo einst Grafen residierten, wurde über lange Zeit grausam gefoltert und gemordet Foto: Getty Images

Im Jahr 1180 erhielt Schloss Gravensteen schließlich seine heutige Gestalt, als Graf Philipp von Flandern es wiederum ausbauen ließ. Unlängst von den Kreuzzügen zurückgekehrt, ließ er sich dabei vermutlich von der legendären Burg Crac des Chevaliers im heutigen Nord-Syrien inspirieren. Sein persönlicher Herrschaftssitz erhielt insgesamt 24 Türme, der größte davon 30 Meter hoch. Über dem zentralen Eingangstor prangt heute noch ein Schriftzug, der auf Philipp als Erbauer des Schlosses verweist.

Nun war Schloss Gravensteen zwar vielleicht ein Symbol seiner Macht, zu seinem permanenten Zuhause machte er es aber nie. Nur ab und zu besuchte er die Burg auf den Reisen durch seine Grafschaft, logierte dann hier mit seinem Gefolge. Das Schloss war zwar das administrative Zentrum der Provinz, aber die Bewohner von Gent, viele von ihnen reich geworden durch die Woll-Industrie, waren für Philipps Geschmack zu rebellisch. Dennoch erhielt der Ort in dieser Zeit den respektvollen Beinamen, der er noch heute trägt: das „Schloss der Grafen“.

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Vom Schloss zum Foltergefängnis

Schon im 14. Jahrhundert begann für Schloss Gravensteen jedoch ein neues, grausames Kapitel. Kaum noch von seinen adeligen Herren bewohnt, wurde es zum Zentrum der Gerichtsbarkeit in Flandern. Hier wurde Recht gesprochen und Verbrechen verfolgt, und das oft mit durchaus barbarischen Methoden. Denn das ehemalige Schloss der Grafen diente auch als Gefängnis, in dem Folter an der Tagesordnung war. Um bei Verhören Geständnisse zu erzwingen, war jedes Mittel recht, vom Auspeitschen bis zum Abhacken von Gliedmaßen. Im 17. Jahrhundert hielten hier vier verschiedene Gerichte gleichzeitig Hof.

Die teils unterirdischen Gefängniszellen waren gefürchtet, denn hier war es feucht, zugig und vor allem im Winter sehr kalt. Erst im 18. Jahrhundert kamen die Gräuel auf Schloss Gravensteen zu einem Ende, als die Gerichtsbarkeit umzog. Bei einer Auktion, die Geld in die Staatskasse spülen sollte, wurde die Folter-Burg schließlich an einen Architekten verkauft. Dieser baute sie zu einem Industrie-Komplex um, in dem Angestellte Baumwolle und Metall verarbeiteten. Etwa 50 Familien lebten zu dieser Zeit in bescheidenen Hütten auf dem Gelände.

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Von der Ruine zur Touristenattraktion

Als die Industrie ein Jahrhundert später an den Rand der Stadt zog, schien das endgültige Ende für Schloss Gravensteen gekommen. Nicht wenige Stimmen forderten, den immer mehr verfallenden Bau abzureißen. Der Stadtrat von Gent und die belgische Regierung stemmten sich jedoch dagegen, und erwarben sukzessive das ehemalige „Schloss der Grafen“ von seinen privaten Besitzern zurück. Bereits 1907 konnte es so erstmals für Besucher geöffnet werden. Seit der Weltausstellung in Gent im Jahr 1913 ist es die größte Touristenattraktion der Stadt.

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Heute ist Schloss Gravensteen rund ums Jahr für Besucher von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet für einen Erwachsenen aktuell 12 Euro. Bei Gruppen von mindestens 15 Teilnehmern reduziert er sich auf 10 Euro pro Person, Kinder zahlen zwei Euro. Leider ist das Schloss mit seinen mehr als 480 Stufen nicht für Menschen im Rollstuhl geeignet. Für alle Besucher gibt es einen Audioguide, gesprochen von dem belgischen Comedian Wouter Deprez.

Laut der offiziellen Tourismus-Seite der Stadt Gent wird auch die grausame Vergangenheit bei einem Besuch auf Schloss Gravensteen nicht ausgespart. So gibt es hier ein Foltermuseum, in dem die Besucher unter anderem eine Guillotine und andere Schreckens-Werkzeuge besichtigen können. Bei Einheimischen ist das Schloss auch beliebt als besondere Hochzeits-Location. Auch auf dem Portal Tripadvisor zeigen sich die User begeistert von der ehemaligen Folter-Burg. „Ich liebe Schlösser, und dieses ist mein liebstes in ganz Europa“, schreibt einer. Ein zweiter meint: „Die Geschichte des Schlosses und sein guter Zustand sind absolut beeindruckend.“ Zahllose Nutzer loben zudem die Tour und den Audioguide. 

Themen: Europa
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