5. Januar 2020, 8:37 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Deutschland kann so nervig sein. Genauso wie Reisen. TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel ist leidenschaftliche Langzeit-Reisende, die immer wieder gern nach Hause kommt. Für uns hat sie all die Dinge aufgeschrieben, die sie nach einer langen Reise in Deutschland stören und die, die sie auf langen Reisen sehr vermisst.
Kennen Sie auch diese Komfortzone? Bequem, oder? Die wird beim Reisen ganz schön strapaziert. Zumindest war meine eigene sehr weit entfernt, als ich nachts bei Dauerregen in Neuseeland frierend im Van lag und das Wasser tröpfchenweise durch die Fenster kam. Und seit ich in Indien eine Toilette mit Affen, Spinnen und menschlichen Ausscheidungen teilen musste, kann mich garantiert keine Berliner Clubtoilette mehr schocken.
Klingt fürchterlich? War im Moment auch nicht so toll, hat aber gemacht, was langes Reisen so macht: Mein Tellerrand hat jetzt Panoramaaussicht und zimperliche Empfindlichkeit in Sachen Dreck ist Vergangenheit. Äußere Umstände, an denen ich im Moment nichts ändern kann, bringen mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe. Aber das ganze Horizont-Erweitern bringt auch einen Nachteil mit sich: Dinge, die ich mal als „normal“ interpretiert und hingenommen habe, empfinde ich heute als sehr unangenehm. Vor allem fallen mir jetzt viele Verhaltensweisen auf, die nicht guttun. Mir nicht und anderen bestimmt auch nicht.
Deshalb hier jetzt eine Meckerliste voll mit Dingen, die ich in Deutschland sehr anstrengend finde. Weil ich Deutschland aber auch nicht nur bashen will, gibt’s nach der Mecker-Arie eine Liste mit allem, was ich bei aller Reiseliebe trotzdem vermisst habe.
Diese 6 Dinge stören an Deutschland nach einer langen Reise
Aufregen über Kleinkram und schlechte Laune
Schreiende Kinder, kackende Hunde, über den Zaun wachsende Gebüsche, Zigarettenqualm – wer will, findet täglich Millionen Gründe, um sich maßlos aufzuregen. Irgendwas ist ja immer. Aber wozu aufregen? Wer wütend schnauft, atmet den Qualm noch schneller ein und wer wütend schreit, animiert das Kind nur zu mehr Geschrei. Will sagen: Sich aufzuregen führt oft nicht näher an die Lösung eines „Problems“, sondern weiter davon weg. Und dann ist nicht nur die Situation doof, sondern die Stimmung gleich mit. Womit ich zum zweiten Punkt in der Schlechte-Laune-Kategorie komme: Deutsche haben den „Humorlosigkeits”-Stempel weg – und ich stimme dem nicht zu. Aber: In Deutschland gibt es sehr, sehr, sehr viele Menschen, die ihre schlechte Laune zu gern spazieren fahren. Da werden dann gern alle einbezogen und Meckerkübel über Unbeteiligten ausgekippt. Das ist anstrengend.
An gleicher Stelle freue ich mich aber auch regelmäßig über jede Menge Selbstironie, denn übertriebenes Aufregen führt oft zu viel Gelächter. Dann ist’s auch gut.
Hektik und Stress
Stress ist ungesund. Wissen wir mittlerweile alle, oder? Trotzdem wird Effizienz hierzulande oft mit Hektik verwechselt. Und dann wird geschubst, gedrängelt und andere gleich mit in den eigenen unausgeglichenen Kosmos gezogen. Wird das Leben schöner, wenn alles auf einmal und nur halb bewusst gemacht wird und wir in ständigem Stress durch unseren Alltag hasten? Bestimmt nicht. Zurück in Berlin vermisse ich Ruhe und entschleunigtes Nichtstun (fällt mir hier nämlich auch schwerer). Einfach mal innehalten und durchatmen kann helfen.
Pünktlichkeit
Ich sehe ja ein, dass Leute nicht ständig tausend Jahre aufeinander warten wollen, aber ist es echt so ein Drama, wenn man mal zehn Minuten warten muss? Warum? Minutengenaue Pünktlichkeit ist so eine merkwürdige, ach so deutsche Tugend, die ich nicht verstehen will. Klar, hängt mit Stress zusammen, aber auch der ist nicht notwendig.
Geräuschkulisse
Okay, ein nur halb-fairer Punkt, weil es garantiert lautere Orte gibt. Aber wenn ich in meiner Kreuzberger Hochparterre-Wohnung nachts aufwache, weil sich zwei Druffis vor meinem Fenster lautstark streiten, während eine Kolonne Polizeiautos durch die Straße kachelt, vermisse ich eben das entfernte Meeresrauschen vor meinem Neuseeland-Van.
Bürokratie
Muss ich nicht weiter erklären, oder? Deutsche Bürokratie mit all ihren Formularen, absurden Regelungen und übertriebenen Details ist nervig. Scheint ja auch anders zu gehen. Zumindest kommen andere Länder auch anders klar.
Fremdenhass
Ja, Idioten gibt es überall. In Deutschland scheint aber die Anzahl an Spinnern, die was gegen Ausländer, Zuwanderer, Geflüchtete oder wie auch immer „andere“ haben, nach meinen Reisen gefühlt zugenommen zu haben. Diese gruselige Bewegung, die Menschen ausschließt, ist nicht nur unsympathisch, sie ist auch sehr gefährlich.
So, fertig gebasht. Es gibt ja schließlich auch Gründe, zurückzukommen. Das Zuhausesein ist für mich der wichtigste. Denn so schön und aufregend es ist, unterwegs zu sein und jeden Tag Neues zu sehen, ist Nachhausekommen eben auch manchmal toll. Denn irgendwas macht einen (oder mehrere) Ort(e) eben zum Zuhause. Und in dem gibt es einige Dinge, die auf langen Reisen schon mal fehlen.
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Brot und Brötchen
Hach, da sind doch viele von uns richtig deutsch – egal, wie globetrotterig sie unterwegs sind. Brot und Brötchen, zumindest gute, sind auf der Welt Mangelware. Klar, es gibt Ausnahmen und an vielen Orten inzwischen deutsche Backangebote. Aber mal eben eine Schrippe beim Bäcker holen hat mir spätestens nach zwei Monaten immer gefehlt. Deshalb die Tradition mit meiner Mama: Holt sie mich vom Flughafen ab, bringt sie Käsestullen mit.
Freunde und Familie
Dank Skype, Facetime & Co. bedeuten Tausende Kilometer weit entfernte Länder zum Glück nicht mehr das Ende jedweder Kommunikation. Aber auf Dauer ersetzt kein Smartphone-Gespräch das Zusammensitzen mit den Liebsten. Und auch wenn ich auf Reisen viele tolle Menschen kennenlerne, ersetzen die nicht die langjährigen Freunde, mit denen nicht jedes Gespräch mit einem Mini-Lebenslauf beginnt.
Kinder der Freunde
Einen Extrapunkt verdienen für mich die Kinder meiner Freunde. Anders als die Großen wachsen die Kleinen nämlich noch und ich habe immer das Gefühl, dass ich viel zu viel verpasse, wenn ich lange weg bin.
Die eigene Wohnung
Was mir nach Monaten unterwegs und ohne festen Wohnsitz am meisten gefehlt hat, war das Zuhausegefühl. Ich kann mich noch so chamäleonmäßig anpassen und die wohnungslose Freiheit lieben, trotzdem ist es irgendwann schön, in der eigenen, frisch gewaschenen Bettwäsche zu schlafen. Und eigener Dreck ist auch einfacher zu übersehen als fremder.
Andere Klamotten
Klar, alles ist waschbar und neues kaufen geht auch. Aber wenn unterwegs alles gewaschen werden muss, ich gerade noch ein Outfit für den Tag behalte und dann die Wäschefrau zwei Tage schließt, ist’s eben doch doof und ich sehne mich nach Kleidung, die nicht dabei ist.
Leitungswasser, das man trinken kann
Mitten in der Nacht bei 30 Grad in Sri Lanka und mit fürchterlichem Durst, weil ich vergessen hatte Wassernachschub zu besorgen, lernte ich eine übertriebene Sehnsucht nach heimischen Wasserleitungen kennen – und Spätis.
Krankenbetreuung
Mein Abenteurergeist hat in Indien einen kleinen Dämpfer bekommen, als ich richtig krank geworden bin. Statt heimeliger Einsamkeit war meine Situation eine Achter-WG mit Bettenmangel und Schimmelwänden. Ich glaube, ich habe ein eigenes Zuhause und deutsche Hygienestandards niemals so sehr vermisst wie in den Wochen.
Fazit: Reisen ist schön, Nachhausekommen ist schön. Beides immer wieder abzuwechseln ist für mich am schönsten.