14. Oktober 2014, 11:57 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Bronx – da denken viele gleich an Kriminalität, Straßengangs und düstere Gestalten. Dabei ist der nördlichste Stadtbezirk von New York City für viele längst „the place to go“, bietet kulinarische, architektonische und künstlerische Highlights wie kaum ein Viertel sonst. Eine Entdeckungstour durch die Bronx.
Kriminell, gewalttätig, gefährlich: ein No-go für Touristen? Susan Birnbaum liebt es, mit solchen Vorurteilen aufzuräumen. „Diese Zeiten sind doch lange vorbei“, sagt die New Yorkerin, die seit fünf Jahren Touren durch die einst so verrufene Bronx anbietet. Manche ihrer Kunden wollen trotzdem in Manhattan abgeholt werden. Dann fährt sie mit ihnen vom Grand Central in 25 Minuten zum Grand Concourse, dem großen Boulevard der Bronx. „Die Rückfahrt trauen sie sich dann alleine zu.“ Die ehemalige Sozialarbeiterin grinst. Und als wollte sie umgehend alles auf den Kopf stellen, was man über diesen berüchtigtsten der fünf New Yorker Stadtteile je gehört hat, fährt sie gleich in den schönsten aller Bronx-Bezirke: Riverdale.
Hübsche Einfamilienhäuser, stattliche Villen in gepflegten Vorgärten – Vorstadtidylle auf grünen Hügeln. Im Ortsteil Wave Hill mit Blick auf den Hudson River lebte unter anderem John F. Kennedy, der hier zur High School ging. Die Bronx war bis in die 1950er-Jahre ein angesehenes, gutbürgerliches Viertel. Auch der Designer Ralph Lauren und die Songwriterin Carly Simon stammen von hier. Theodore Roosevelt wohnte hier ebenso wie Mark Twain. Die Bronx war eben immer schon besser als ihr Ruf. Susan grinst erneut und präsentiert gleich ein weiteres Highlight ihrer Heimat: die Arthur Avenue.
Zu der „Fressmeile“ kommen inzwischen auch die feinen Leute aus Manhattan. Denn dieses Little Italy gilt längst als authentischer als das ungleich bekanntere von Manhattan. Bei Robert’s bekommt man am Wochenende ohne Reservierung nie einen Platz. Gut besucht ist auch seine schicke Trattoria Zero Otto Nove ein paar Häuser weiter, in der man dank gelungener Wandmalerei wie in einem mediterranen Innenhof sitzt.
Emilias Restaurant verdankt seinen Ruf vor allem auch einer winzigen Szene in „Der Pate“.
Auch die kleine Markthalle ist beliebt, weil hier Exilkubaner noch dicke Zigarren per Hand rollen und es bei Dave Greco die besten überbackenen Auberginen gibt. „Die Bronx war immer bekannt für exzellentes Essen“, erklärt Susan. Viele Geschäfte sind seit Generationen im Familienbesitz wie seit 1915 der bis unter die Decke vollgestopfte Delikatessenladen Teitel Brothers. Für den Käse von Casa della Mozzarella, die frischen Nudeln von Borgatti und die Austern von Cosenzas kommen die Feinschmecker von weit her. Ebenso wie für das knusprige Brot der Traditionsbäckerei Madonia Brothers und Addeo Gennaro & Sons.
Doch nicht nur für Kulinarisches ist die Bronx inzwischen „the place to go“. Viele Künstler, denen die Mieten erst in Manhattan, dann in Brooklyn zu teuer geworden sind, sind in der Bronx gelandet – wie Jeanine Alfieri. Die Malerin und Bildhauerin schwärmt „wie großartig die Energie, wie engagiert die Kunst-Szene und wie hilfsbereit die Menschen sind“. Und doch ist sie pessimistisch, was die Zukunft angeht. „Es ist immer dasselbe. Erst kommen die Künstler, der Stadtteil wird hip, dann explodieren die Mieten und wir Künstler können sie nicht mehr bezahlen.“
Walter Puryear stammt zum Glück aus einer wohlhabenden Familie. Er hat ein ehemaliges Altenheim übernommen und zum Künstlertreff mit Ausstellungen und zahlreichen Events gemacht. Der Andrew Freedman Complex ist einer der interessantesten Plätze der Bronx. Wie angesagt der Stadtteil ist, zeigt auch die Eröffnung des Opera House, ein stylisches Boutiquehotel, das sich über Nachfrage nicht beklagen kann.
Merkwürdig: Nur die HipHopper, die von hier aus die Welt eroberten, sucht man vergebens. Musik-Clubs findet man besser in Harlem, das ebenfalls seinen schlechten Ruf hinter sich und bessere Zeiten vor sich hat. Die Bevölkerung der Bronx ist ohnehin ein bunter Multikulti-Mix aus Schwarzen, Latinos, Asiaten.
Vorbei am berühmten Yankee Stadium, der Heimat des legendären New-York-Yankees-Teams, den Art-Deco-Häusern der Viertel Concourse und Melrose und dem 1000 Quadratmeter großen Botanischen Garten wartet schließlich noch eine weitere Überraschung: die Puppenstube der Bronx. Eine Brücke führt zur kleinen Insel City Island mit hübschen pastellfarbenen Holzhäusern, Jachtclubs, Hummerrestaurants und Sandstränden.
Zuletzt wird auch noch das Geheimnis gelüftet, warum die Bronx der einzige der fünf New Yorker Stadtteile ist, der in Verbindung mit einem Artikel benutzt wird: Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich in dem damaligen Farmland die wohlhabende schwedische Familie Bronck angesiedelt. „ We go to see the Broncks“ (Wir besuchen die Broncks) hieß es damals, und so ist es geblieben.