Es ist eine absolute Horrorvorstellung, die für einen Mann im Süden von England kürzlich zur Realität wurde: Als er in seinem Garten stand, entlud ein Flugzeug eine komplette Ladung Fäkalien über ihm. TRAVELBOOK erklärt, wie es dazu kommen konnte, ob so etwas häufiger vorkommt und wie genau Flugzeugtoiletten eigentlich funktionieren.
Das Wohnhaus des von den Fakäalien getroffenen Mannes, der anonym bleiben möchte, befindet sich laut der britischen Zeitung „Manchester Evening News“ in Windsor in der Grafschaft Berkshire im Süden von England. Der Vorfall habe sich bereits Mitte Juli ereignet, sei aber erst jetzt während einer Stadtratssitzung bekannt geworden.
Die zuständige Stadträtin Karen Davies sagte demnach auf der Sitzung, sie sei von einem Bürger aus ihrem Wahlkreis auf den „schrecklichen“ Vorfall angesprochen worden. „Ich weiß, dass es jedes Jahr eine Reihe von Vorfällen mit gefrorenen Abwässern aus Flugzeugen gibt. Aber dieses war nicht gefroren und sein ganzer Garten wurde auf sehr unangenehme Weise bespritzt“, wird Davies zitiert. Auch der Mann selbst sei über und über mit Fäkalien bedeckt gewesen. Ein weiterer Stadtrat mutmaßte, das extrem warme Wetter zu diesem Zeitpunkt könnte dazu geführt haben, dass die Exkremente als „flüssigeres Material“ am Boden gelandet seien. Er sprach von einer „Chance von eins zu einer Milliarde“, dass so etwas passiere.

Was passiert mit den Fäkalien aus Flugzeug-Toiletten?
Aber kommt es wirklich so selten vor, dass Fäkalien aus der Flugzeug-Toilette in der Luft abgelassen werden? Tatsächlich ist es schon eine Besonderheit, dass überhaupt Kot und Urin aus dem Flugzeugrumpf ins Freie abgelassen wurde. Denn eigentlich wird das seit Längerem nicht mehr praktiziert, wie Luftfahrt-Experte Heinrich Grossbongardt im Gespräch mit TRAVELBOOK erklärt. „Das war vielleicht mal in den Kindertagen der Fliegerei so. In der modernen Verkehrsluftfahrt gibt es das schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Anders als zum Beispiel bei der Bahn, die bis vor wenigen Jahren die Fäkalien direkt über ein Fallrohr in die Umwelt ableitete.“
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Stattdessen werden in Flugzeugen heutzutage sogenannte Vakuum-Toiletten eingesetzt, die anders funktionieren als normale Wasser-Toiletten. „Eine Wasserspülung wie am Boden kann es aus Gewichtsgründen nicht geben. Dazu müsste sie auf einem Langstreckenflug viele Tonnen Wasser mitführen. Das wäre jedoch und würde durch den zusätzlichen Kerosinverbrauch eine hohe Umweltbelastung verursachen“, erklärt Grossbongardt.

Spülung von Flugzeugtoiletten dauert nur Sekunden
Bei Vakuum-Toiletten handelt es sich um ein geschlossenes System, die Fäkalien werden in einem Tank gesammelt. Sie funktionieren wie eine Art Staubsauger. Ein Ventil öffnet sich und der Inhalt der Kloschüssel wird mittels Unterdruck „eingesaugt“ – zu erkennen am lauten Geräusch, das kurz nach dem Betätigen der Spülung zu hören ist. „Man nutzt dazu den Umstand, dass der Luftdruck außerhalb des Flugzeugs sehr viel niedriger ist als in der Kabine“, erklärt Luftfahrt-Experte Grossbongardt. Der große Vorteil: Nur wenig Wasser wird benötigt, um die Exkremente von der Toilettenschüssel abzuspülen. Nach zwei bis drei Sekunden ist es vorbei, ein Verstopfen oder Überlaufen der Toilette unmöglich.
Die Erfindung geht auf den Flugzeugingenieur James Kemper zurück, der sich die Vakuum-Toilette im Jahr 1975 patentieren ließ. Seit den 1980er-Jahren wird das Unterdruck-System in allen Passagierflugzeugen eingesetzt. Ist die Maschine gelandet, wird der Fäkalien-Tank mit einem Spezialfahrzeug entleert und der Inhalt der Abwasserentsorgung am Zielort zugeführt. Damit keine Exkremente im Tank anhaften, werden Chemie-Zusätze verwendet. Deren Umweltverträglichkeit ist jedoch umstritten. Für die Hygiene an Bord sind diese Zusätze laut Grossbongardt allerdings zwingend notwendig, um ein Übertragen gefährlicher Krankheiten zu verhindern. „Zumindest in Europa, Nordamerika und vielen anderen Ländern gibt es aber strenge Vorschriften für die fachgerechte, umweltverträgliche Entsorgung“, ergänzt er.
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Fäkalien aus undichten Flugzeug-Toiletten können entweichen
Gänzlich sicher vor Fäkalien-Abfällen aus der Luft sind wir dank des fortschrittlichen Toilettensystems allerdings nicht, wie auch der oben beschriebene Vorfall in England zeigt. In der Vergangenheit kam es auch immer wieder vor, dass ganze Urin-Klumpen auf die Erde fallen. 2012 gab es eine merkwürdige Häufung solcher Fälle. Bei einer Familie in Nürnberg etwa landete damals ein zwei Kilogramm schwerer Eisklumpen aus Urin im Garten. Im selben Jahr zerschlug ein handtellergroßer Eisbrocken die Ziegel eines Hausdachs in Fellbach (Baden-Württemberg).
Einen besonders verheerenden Fall gab es in Indien: Eine Frau wurde Ende 2015 von einem Urin-Eisblock verletzt, wie das britische Nachrichtenportal BBC berichtet. Sie erlitt eine schwere Schulterverletzung. Laut einem Augenzeugen entging sie nur knapp dem Tod, da der Eisblock zuvor auf ein Dach fiel und dadurch abgebremst wurde.
Woher kommen solche gefrorenen Urin-Klumpen? „Dies passiert, wenn das Ventil, das am Boden genutzt wird, um die Abwassertanks zu entleeren, ein wenig undicht ist“, erklärt Luftfahrt-Experte Grossbongardt. „Toilettenflüssigkeit, die heraus sickert, gefriert wegen der eisigen Temperaturen in Reiseflughöhe sofort. Über die vielen Stunden eines Langstreckenfluges bildet sich dann unter dem Heck ein Eisklumpen, der manchmal abfällt, wenn das Flugzeug beim Landeanflug wieder in wärmere Luftschichten kommt.“ So etwas komme aber nur sehr selten vor, weil die Ablassventile aus Sicherheitsgründen regelmäßig auf Dichtigkeit überprüft würden.