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TRAVELBOOK sprach mit Gunther Holtorf

Meine 5 Lieblingsziele nach 26 Jahren (!) Weltreise

Nicola Otto

05.05.2015, 12:47 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Gunther und Christine Holtorf waren mit ihrem Geländewagen „Otto“ 22 Jahre lang in der Weltgeschichte unterwegs. Bis Christine 2010 starb. Ihren gemeinsamen Traum lebte Gunther Holtorf danach trotzdem weiter. Mit TRAVELBOOK sprach der 77-Jährige über seine beeindruckende Lebensgeschichte, verriet, welchen Ehrenplatz Otto jetzt bekam und was seine fünf Lieblingsziele waren.

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„Der 77-Jährige, der vor 26 Jahren in sein Auto stieg und eine Weltreise machte“, könnte die Biografie von Gunther Holtorf heißen, einem sympathischen und abenteuerlustigen Mann, der abgesehen von einigen Inselstaaten und drei afrikanischen Ländern die ganze Welt gesehen hat.

Alles begann am 19. Dezember 1988 mit seiner dritten Ehefrau Beate in Kenia. Mit „Otto“, dem nagelneuen hellblauen Mercedes-Geländewagen, wollten sie bis Südafrika fahren. Die Ehe hielt nicht, aber Otto. Im Jahr darauf, mit 51, kündigte Gunther Holtorf seinen Job als Luftfahrt-Manager und begab sich mit Christine, einer neuen Liebe, die er über eine Zeitungsannonce kennengelernt hatte, auf große Reise.

In insgesamt 215 Ländern brachten sie 411 überquerte Grenzen außerhalb der EU hinter sich. Sowie: rund 900.000 Kilometer. Das ist mehr als die gesamte Stecke bis zum Mond und zurück. Rein rechnerisch haben die beiden mehr als 22 Mal die Erde umrundet. Ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ist sicher.

Heute, nach insgesamt 26 Jahren auf Weltreise, lebt Gunther Holtorf wieder in seiner Wahlheimat Gstad am Chiemsee. Warum er zurück kam? Die Antwort ist kurz und einfach: „Die Welt ist bereist.“ Und: „Wenn man die Schitte der Welt erlebt hat, […] weiß man das in Oberbayern zu schätzen.“

Der Mercedes namens Otto wurde auf der ganzen Reise insgesamt 41 Mal mit dem Schiffscontainer transportiert und war manchmal bis zu drei Monate auf See – die Zeit nutzten die Weltreisenden dann, um zurück in die Heimat zu fahren. Technische Hilfsmittel wie Laptop, Navigationsgerät oder Telefon hatten sie übrigens nicht dabei. Das hätte Holtorfs Meinung nach ohnehin nicht viel gebracht: „Der ADAC wird bestimmt nicht in die Mitte der Sahara kommen.“

Christine Holtorf und „Otto“ in brasilianischen Gewässern, 1999
Christine Holtorf und „Otto“ in brasilianischen Gewässern, 1999. Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf

Die Fotos machte Holtorf ausschließlich mit seiner analogen Leicaflex SL Camera. Über 8000 Bilder wurden eingescannt und auf www.ottosreise.de veröffentlicht, einer digitalen Biografie, die exklusiv vom stern dokumentiert wurde. Der Aufwand für die Aufarbeitung seiner Weltreise war enorm: Zwei Monate dauerte es, die Fotos auswählen, ebenso lang deren Digitalisierung.

Reisen ist mehr als ein Stempel im Pass

Großstädten sind die beiden möglichst aus dem Weg gegangen. Sie wollten das jeweilige Land und seine Kultur so authentisch wie möglich kennenlernen – das geht nur abseits der touristischen Wege. „Wir haben hautnah mit der lokalen Bevölkerung gelebt“, sagt Holtorf, „nicht im klimatisierten Hotel.“

Das Ehepaar habe sich immer lieber in der Natur aufgehalten und sei der Zivilisation möglichst aus dem Weg gegangen. „Tiere sind außerdem die besseren Menschen, “ sagt Holtorf. Spannend war für ihn vor allem die „Tatsache der absoluten Freiheit.“ Es ist ganz klar: Das Reisen bedeutet für ihn mehr, als nur einen Stempel im Pass zu haben.

In , 1992: Kultur und Menschen hautnah kennenlernen, war das Ziel der Holtorfs auf ihrer Weltreise
In , 1992: Kultur und Menschen hautnah kennenlernen, war das Ziel der Holtorfs auf ihrer Weltreise. Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf

Aus Sicherheitsgründen seien sie nirgends länger als notwendig geblieben. „Wir mussten weg sein, bevor die Menschen mitbekamen, dass wir da sind“, erzählt er. Bei Otto gab es ja auch viel zu holen: ein kompletter Haushalt sowie eine Werkstatt mit Lager von über 400 verschiedenen Ersatzteilen.

Letztlich sind die beiden nie überfallen worden. Eine der gefährlichsten Situationen ereignete sich im Grenzgebiet von Somalia, Dschibuti und Äthopien: Hier musste Holtorf sogar in den Lauf einer Kalaschnikow schauen. Lediglich der Respekt vor älteren Menschen und eine Art „Polizeipsychologie“ habe ihn gerettet.

Bei Otto hatte alles seinen Platz: zwei Betten, Lebensmittel, Werkzeuge und vieles mehr
Bei Otto hatte alles seinen Platz: zwei Betten, Lebensmittel, Werkzeuge und vieles mehr. Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf

Sein Lebenswerk nach all der Zeit zu betrachten und vielfach in den Medien zusammengefasst zu sehen, geht nicht spurlos an Holtorf vorbei. Und das hat vor allem einen Grund: den Tod seiner vierten Ehefrau Christine. Im Jahr 2010 erlag sie dem Krebs, der 2003 diagnostiziert wurde. Für Therapien in der Heimat unterbrachen die beiden ab dann regelmäßig ihre Reise, ließen Otto einfach dort stehen, wo sie gerade waren. „Dadurch, dass meine Frau verstorben ist, geht mir das manchmal schon ganz schön unter die Haut“, sagt Holtorf.

„Wir waren letztlich über 20 Jahre zusammen, wie siamesische Zwillinge“, erzählt er, „24 Stunden aneinander gekettet. Und das unter teilweise schwierigen Umständen.“ Nach Christines Tod gab er ihren gemeinsamen Traum aber nicht auf: So begleiteten ihn zeitweise Christines Sohn Martin oder Elke Dreweck, eine Freundin des Ehepaares.

Gunther Holtorfs 5 Lieblingsziele

Auch wenn es ihm schwer fällt, sich auf einige wenige zu beschränken, bekommt Holtorf seine fünf liebsten Reiseziele und schönsten Erinnerungen doch recht schnell zusammen. Unvergessliche Momente hatten die Holtorfs auf den endlosen Wüstenstrecken Australiens, in der größten Salzpfanne der Welt in Bolivien oder auch an einem traumhaften Strand südlich von Freetown (Sierra Leone).

In dem westafrikanischen Land, das heute stark unter der Ebola-Epidemie leidet, verbrachten die beiden damals sogar eine ganze Woche, obwohl sie normalerweise aus Sicherheitsgründen nie länger als eine Nacht an einem Ort blieben. Aber auch die herrlichen Farben des Indian Summer in Kanada sowie das Heißluftballon-Festival in der US-Stadt Albuquerque wird Holtorf nie vergessen.

Von Castro persönlich genehmigt

Die Einreise mit Otto war nicht immer leicht: Für manche Länder mussten die Weltreisenden bis zu sechs Jahre auf eine Erlaubnis warten. In St. Lucia etwa war die Genehmigung sogar Tagesordnungspunkt der Kabinettssitzung. Als „gut bar zahlende Staatsgäste“ von Diktator Kim Jong-il waren Holtorf und sein Sohn 2011 auch in Nordkorea unterwegs. Außerdem war Otto Kubas „erster besuchende ausländische Wagen“  seit 1959 – von Raúl Castro höchstpersönlich genehmigt.

Nach dem Tod seiner Frau wurde Gunther oft von ihrem Sohn begleitet, wie hier nach Nordkorea
Nach dem Tod seiner Frau wurde Gunther oft von ihrem Sohn begleitet, wie hier nach Nordkorea. Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf Foto: stern/www.ottosreise.de/Gunther Holtorf

Tipps für Nachahmer

So eine Weltreise im Auto sei laut Holtorf heute schwieriger als damals, als er sich mit Otto und Anhang auf den Weg machte. Die neuen modernen Wagen seien quasi „Computer auf vier Rädern“ und auf moderne Werkstätten angewiesen. Eine Reise in Gebiete jenseits der Zivilisation sei wie „ein dickes russisches Roulette.“ Da helfe nur ein altes Auto, das man im Notfall selber reparieren kann.

Wichtig sei selbstverständlich auch, möglichst nur das Nötigste mitzunehmen. Zum einen, um Platz zu sparen. Zum anderen, um Überfälle zu vermeiden. Essentielle Eigenschaften für Weltreisende wären vor allem Nachsicht und Geduld, denn nichts laufe so wie in Mitteleuropa. „Die Geduld wird bis zum Exzess strapaziert“, erinnert sich der 77-Jährige.

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Otto ist heute Ehrengast im Museum

Inzwischen ist Otto von Merdedes übernommen worden und gehört dem 77-jährigen Weltreisenden nicht mehr. Seit dem 23. Oktober 2014 steht das G-Klasse-Modell im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart – von Gunther Holtorf persönlich an Daimler-Chef Dieter Zetsche übergeben. Im Museum steht er allerdings nicht in einer Reihe mit andern Fahrzeugen, sondern im Eingangsbereich – mit offenen Türen und gemachten Betten – „eben so, wie er abends auch immer im Busch gestanden hat.“

Seinen treuen hellblauen Wegbegleiter abzugeben, fühlte sich für Holtorf „wie eine Scheidung“ an. Kein Wunder, war Otto nicht doch einfach ein Auto, sondern treuester Begleiter. Aber warum eigentlich der Name? Ganz einfach: „Das Kind musste einen Namen haben“. Es ergab sich irgendwann, dass einer von beiden fragte, wo denn der Otto sei, ohne darüber nachzudenken. „Meine Frau hat später irgendwann von ihrem Ottilein gesprochen“, erzählt Holtorf.

Ein weiterer wichtiger Begleiter und Talisman war übrigens eine kleine Garfield-Figur auf einer Querstange über Ottos Armaturenbrett. Dort sitzt er Tag und Nacht seit nunmehr 26 Jahren – mittlerweile, von der Sonne ausgebleicht, nahezu farblos.

Themen: Kenia
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