Im Januar Indien, im Februar Nepal, im März Myanmar, im April Laos … Ich wollte auf meiner Weltreise in etwa einen Monat in jedem Land verbringen. Nicht nur, um mir etwas Zeit für das jeweilige Land und ihre Bewohner zu lassen, sondern auch, weil man meistens ein 30-tägiges Touristenvisum bei der Einreise erhält. So erschien mir der Zeitraum optimal.
Obwohl es seit Januar Berichte über die Ausbreitung des Corona-Virus gab, konnte ich bis Mitte März völlig problemlos reisen. Im Januar verbrachte ich zwei Wochen in einem indischen Ashram mit Yoga und Meditation. Danach schwieg ich zehn Tage bei der sogenannten Vipassana-Meditation. Indien war zu diesem Zeitpunkt noch unbeeindruckt von Corona – ich ebenfalls.
Maske-Tragen empfand ich als befremdlich
Danach ging es weiter nach Nepal. Im Februar hatte das Corona-Virus weder das Leben der Touristen noch jenes der Einheimischen eingeschränkt. Und so verbrachte ich dort vier Wochen ohne Mundschutz – egal ob in engen Bussen, auf überfüllten Straßen oder in Dörfern des Himalaja.
Doch schon Ende Februar auf dem Weg nach Myanmar erlebte ich die Angst der Menschen vor einer Corona-Ansteckung. Beim Umstieg auf dem Suvarnabhumi-Flughafen in Bangkok trugen nahezu alle eine Maske. Ich noch nicht. Ich empfand es als befremdlich, eine Atemschutzmaske zu tragen. Dieses Verhalten kannte ich lediglich aus Berichten über Asien. In Deutschland war ich noch nie mit solch einer Situation konfrontiert gewesen.
Auch in Myanmar war das Tragen einer Maske zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema. Corona-Virus? Hört man in den Medien, betrifft aber wohl eher die anderen Nationen. So locker empfand ich die Stimmung vor Ort. Noch Anfang März fühlte man sich in Myanmar von Corona verschont. Ein Regierungssprecher mutmaßte tatsächlich, dass die besondere Ernährung der Burmesen sie vor dem Virus schützen würde. Gut eine Woche später, am 23. März, wurden in Myanmar die ersten beiden Corona-Fälle bekannt.
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Plötzlich saß ich fest
Mitte März spitzte sich die Lage weltweit zu. Plötzlich bestand die Gefahr, dass sich alle Länder abriegeln, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Als einige Backpacker von ihren zuständigen Botschaften die Information bekamen, dass auch Myanmar bald die Grenzen dichtmachen könnte, beschloss ich, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Mein Visum lief in wenigen Tagen ab und eine Option auf Verlängerung bestand nicht.
Ich versuchte zunächst, meinem ursprünglichen Plan zu folgen und nach Laos einzureisen. Dort kann das 30-tägige Visum um weitere 30 Tage verlängert werden. Dass sich Länder mehr als zwei Monate lang abriegeln würden, hielt ich zu diesem Zeitpunkt für unmöglich. Vor allem auf den Tourismus angewiesene Länder könnten das nicht durchhalten – spekulierte ich. Doch ich wurde eines Besseren belehrt.
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In letzter Minute bekam ich am 19. März online noch ein E-Visum für Laos ausgestellt. Doch als ich am Flughafen in Bangkok am 21. März meinen Flug nach Vientiane antreten wollte, wurde ich nicht eingecheckt. Mein E-Visum sei nicht mehr gültig, so die Begründung der Fluggesellschaft. Touristen dürften ab sofort nicht nach Laos einreisen. Obwohl die laotische Regierungsseite behauptete, ich dürfe noch an diesem Tag mit meinem Visum einreisen, berief sich die Airline auf aktuellere Informationen. Ich saß also am Flughafen in Bangkok fest.
Ein Versuch, die Pandemie in Thailand auszusitzen
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich bereits in keines der anderen südostasiatischen Länder reisen. Ich hatte lediglich zwei Optionen: entweder zurückkehren nach Deutschland oder die Pandemie in Thailand aussitzen. Da ich meinen Traum von der Weltreise nicht abrupt beenden wollte, entschied ich mich für Thailand. Glücklicherweise musste ich für meinen Verbindungsflug nach Laos durch die Einreisekontrolle in Bangkok und bekam dabei ein 30-tägiges Touristenvisum ausgestellt. Somit war ich für die nächsten Tage in Thailand sicher.
Die Frage war nur: Wo sollte ich die nächsten Wochen verbringen? Es war abzusehen, dass auch Thailand anderen Ländern folgen würde und die Bewegungsfreiheit der Menschen stark einschränkt. Wenn ich also irgendwo mehrere Wochen mehr oder weniger eingesperrt verbringen sollte, dann wenigstens in einem tropischen Paradies. Nach mehrstündigem Recherchieren und Abwegen entschied ich mich für die Insel Koh Lanta an der Westküste Thailands. Nicht nur wegen der traumhaften Strände, sondern auch wegen der Nähe zum Festland. Ich empfand es beruhigend zu wissen, dass man die Insel per Fähre in wenigen Minuten erreicht. Dadurch schien mir die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern relativ einfach, das Verlassen der Insel im schlimmsten Fall ebenfalls.
Ausnahmezustand im Paradies
Auf der Insel angekommen erlebte ich Ende März einen Ausnahmezustand: Top-Wetter, Hochsaison und dennoch kaum Touristen. Die meisten sind zu diesem Zeitpunkt schon in ihre Heimat zurückgekehrt. Auch Deutschland hatte da bereits eine weltweite Reisewarnung abgegeben. In der größten Rückholaktion der Bundesrepublik wurden bis Ende April mehr als 240.000 gestrandete Deutsche aus aller Welt in die Heimat geflogen. Trotz gewisser Zweifel entschied ich mich dagegen und beschloss, meine Weltreise in Thailand zu pausieren.
Schließlich habe ich in Deutschland mein Leben für mindestens ein Jahr auf Eis gelegt, meine Wohnung bis Ende 2020 untervermietet, Arbeitsaufträge aufgegeben. Ich konnte mein altes Leben in der Corona-Krise ja gar nicht auftauen. Und ich hatte immer noch die Hoffnung, dass sich nach ein bis zwei Monaten die Lage beruhigt und eine Weiterreise möglich sein würde.
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So genoss ich die ersten paar Tage auf Koh Lanta in dem Gefühl, mir den richtigen Ort zum Aussitzen der Pandemie ausgesucht zu haben. Ein Bungalow im Grünen, eine halbe Stunde von traumhaften Stränden entfernt. Doch das sollte auch die einzige Attraktion auf der Insel bleiben. Nachdem am 26. März in Thailand der Notstand ausgerufen wurde, mussten auch hier alle sozialen Treffpunkte schließen. Das gesamte gesellschaftliche Leben wurde in den Stand-by-Modus versetzt, ähnlich wie in Deutschland.
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Strenge Regeln – insbesondere für Touristen
Anders als in Deutschland wurden die Regeln hier nicht immer ganz klar kommuniziert. Zudem konnte jede Lokalverwaltung einer Provinz ihre eigenen Regeln aufstellen, die teilweise strenger als jene des Staates ausfielen. Plötzlich wurden Touristen nicht mehr als eine willkommene Einkommensquelle angesehen, sondern als bedrohliche Virus-Schleudern. So entwickelte sich das Inselparadies von Tag zu Tag zu einer Sperrzone.
Obwohl Anfang April eine offizielle Sperrstunde in Thailand von 22 Uhr bis 4 Uhr morgens eingeführt wurde (im Mai ab 23 Uhr), durften die drei restlichen Bungalow-Bewohner und ich die Anlage auch tagsüber nicht mehr verlassen. Selbst der Lebensmitteleinkauf wurde stark reglementiert. Nur in Begleitung eines Einheimischen durfte einer von uns pro Tag die Anlage verlassen, um Essen einzukaufen. Andere Touristen auf der Insel durften sich etwas freier bewegen. Das lag daran, dass die Insel in verschiedene Zonen mit Temperatur-Messpunkten unterteilt wurde. Und jede dieser Zonen ging unterschiedlich streng mit Touristen um.
Das Gefühl der Machtlosigkeit
Gut drei Wochen hielt unsere inoffizielle Ausgangssperre in der Bungalowanlage an. Hier erlebte ich zum ersten Mal, dass selbst in einer grünen Idylle der Freiheitsentzug eine mentale Belastung ist. Trotz täglichen Work-outs gegen die Bewegungsarmut und einigen Arbeitsaufträgen, die ich dank Internet ausführen konnte, überkam mich ab und zu das Gefühl der Machtlosigkeit. Je länger der Zustand andauerte, desto stärker schwand meine Hoffnung, dass Reisen bald wieder möglich sein würde. Meine Zukunftsplanung? Völlig ungewiss.
Vermutlich hätte ich drei Wochen eingesperrt in meiner Berliner Wohnung schlimmer empfunden. Doch in der vertrauten Heimat würde ich mich wahrscheinlich sicherer und geborgener fühlen. Ich muss jedoch hinzufügen, dass ich die Insel jederzeit Richtung Flughafen mit einem gültigen Ticket verlassen durfte. Zumindest ab Bangkok könnte ich so nach Deutschland fliegen. Nur zurück auf die Insel konnte man nicht mehr. Im Übrigen galt von Anfang April bis mindestens Ende Mai ein landesweites Reiseverbot sowohl für Einheimische als auch für Touristen.
Notstand in Thailand verlängert
Nun bin ich seit mehr als zwei Monaten auf der der Insel Koh Lanta. Das ist nur deswegen möglich, weil Thailand allen im Land befindlichen Touristen das Visum unbürokratisch bis Ende Juli verlängert hat. Eine wirklich nette Geste in dieser weltweiten Notlage. Auch die Situation auf der Insel hat sich entspannt, seitdem es keine neuen Infizierten gibt. Insgesamt gab es sieben Fälle, wovon die meisten Reisende waren. Die Stimmung zwischen Einheimischen und Touristen ist wieder gut und freundlich, man lächelt sich an, wenn man nicht gerade eine Maske trägt.
Die Regeln wurden seit Anfang Mai gelockert und Touristen dürfen auf Mofas zumindest zu den Stränden und zu den geöffneten Restaurants, Geschäften und Friseuren. Das Gros der Lokale hat jedoch geschlossen. Der Notstand wurde bis Ende Mai verlängert, womit auch das Reisen innerhalb Thailands weiterhin nicht erlaubt ist. Es gibt jedoch Hoffnung, dass Anfang Juni das landesweite Reiseverbot gelockert wird und ich zumindest einen anderen Teil des Landes besuchen kann.
Was kommt als Nächstes?
Eine Weltreise 2020 ist momentan unmöglich. Zumindest ist die Planung völlig ungewiss. Wann welches Land seine Grenzen öffnen wird, steht in den Sternen. Der aktuelle Stand Ende Mai: Kein Land gewährt Touristen die Einreise. Doch selbst, wenn die Grenzen langsam geöffnet werden, gibt es viele Fragen: Muss man bei der Einreise in eine zweiwöchige Quarantäne? Wie frei darf ich mich im Land bewegen? Welche Touristenattraktionen sind geöffnet? Welche Regeln muss ich befolgen? Macht Reisen dann überhaupt noch Spaß? Und wie teuer wird das Fliegen in Zukunft?
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Ich versuche dieses Abenteuer dennoch durchzuziehen, denn als freier Journalist habe ich die Möglichkeit, online von überall aus arbeiten zu können. Also warte ich hoffnungsvoll, bis das erste Land in Asien seine Grenzen für Touristen öffnet und mir dort keine Quarantäne bei Einreise droht.
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Glück im Unglück
Zudem darf ich mich glücklich schätzen, bislang nur den Flug von Bangkok nach Vientiane als finanziellen Verlust auf der Reise zu verbuchen. Zwei weitere Flüge hat mir die Airline Air Asia problemlos in Form eines Gutscheins rückerstattet.
Meine spontane Reiseplanung scheint in einem Krisenfall von Vorteil, wie ich beim zufälligen Treffen einer anderen Weltreisenden erfuhr. Im Gegensatz zu mir hat die Schweizerin alle ihre Flüge für das ganze Jahr im Voraus über eine britische Agentur gebucht. Rund 4000 Euro für acht Flüge hat sie bezahlt. Nun kämpft sie bei der Agentur um die Rückerstattung eines jeden stornierten Fluges. In ihrem Fall kann sie sich nicht direkt an die Airline wenden und fürchtet, dass die zuständige Reiseagentur bald pleite gehen könnte.