Warum nachhaltiger Tourismus wichtig ist und was Reisende dabei beachten sollten, erklärt Dirk Reiser, Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement, im TRAVELBOOK-Interview.
Interview mit einem Tourismus-Experten
Wie sieht eine nachhaltige Reise aus?

Foto: Getty Images
Nachhaltiger Tourismus wird gerade in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger. Doch geht es beim nachhaltigen Reisen nicht allein darum, CO2-Emissionen zu verringern und Plastikmüll zu vermeiden, sondern auch um wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte. Was nachhaltiger Tourismus genau meint und wie nachhaltiges Reisen im Einzelnen aussehen könnte, darüber hat TRAVELBOOK mit Dirk Reiser, Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve (Nordrhein-Westfalen), gesprochen.

Dirk Reiser, Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve
TRAVELBOOK: Was bedeutet nachhaltiger Tourismus?
Prof. Dirk Reiser: Nachhaltiger Tourismus umfasst die Aspekte Ökonomie, Ökologie, Soziales und Politik. Ökonomisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Tourismus sich wirtschaftlich positiv für die lokale Bevölkerung auswirken sollte. Das heißt, das Geld, das Touristen in einem Land oder einer Region ausgeben, sollte dort auch möglichst verbleiben. Erreichen lässt sich dies unter anderem durch den Kauf lokaler Produkte. Unter ökologischen Gesichtspunkten bedeutet nachhaltiger Tourismus, dass man vor Ort beispielsweise den Wasserverbrauch minimiert, das Müllaufkommen so niedrig hält wie möglich und auf einen angemessenen Umgang mit Tieren achtet. In sozialer Hinsicht geht es vor allem darum, sein Verhalten an die lokale Kultur anzupassen und die im Land geltenden sozialen Regeln zu respektieren. Daher sollte man zum Beispiel keine Moschee oder Kirche in kurzen Hosen betreten. Bei Hotelbuchungen ist zudem darauf zu achten, dass in den Hotels vor allem lokale Arbeitskräfte und keine von außerhalb angestellt sind. Die Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für nachhaltigen Tourismus zu schaffen.
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Wie sieht eine nachhaltige Reise aus? Worauf sollte man bei der Reiseplanung wie auch vor Ort besonders achten?
Bei der Reiseplanung ist darauf zu achten, möglichst zertifizierte Unterkünfte zu buchen und auf Flüge – wenn möglich – zu verzichten. Auch sollte die Aufenthaltsdauer an einem Urlaubsort im angemessenen Verhältnis zur Entfernung des Reiseziels stehen. Für zwei Tage beispielsweise von Deutschland nach Mallorca zu fliegen, steht in keinem Verhältnis. Beim Fliegen sind möglichst direkte Verbindungen gegenüber Flügen mit mehreren Zwischenstopps vorzuziehen. Vor Ort sollte man sich – sofern möglich – mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt beispielsweise mit einem Mietwagen fortbewegen. Bei organisierten Touren ist unter anderem darauf achten, welche Ziele angesteuert werden und dass sie von lokalen Guides geleitet werden. So sollten Touren, bei denen beispielsweise Tiershows besucht werden, ausgeklammert werden. Auch ist darauf zu achten, dass man Souvenirs nicht im Hotel-Shop, sondern bei lokalen Händlern kauft. Nachhaltiges Reisen bedeutet aber auch, sich vorab über das Reiseland zu informieren und wenigstens ein paar Wörter in der jeweiligen Landessprache wie beispielsweise „Guten Tag“, „Bitte“ oder „Danke“ sagen zu können.
Reisen schon viele Deutsche nachhaltig?
Nein, denn noch bestehen sogenannte Verhaltenslücken. Die Wichtigkeit des nachhaltigen Verhaltens ist der großen Mehrheit der Deutschen vertraut und um die 50 Prozent der Deutschen sind am nachhaltigen Reisen interessiert, doch verhalten sie sich nicht dementsprechend. Der Anteil der Deutschen, der nachhaltig reist, macht weniger als 10 Prozent aus.
Wie lässt sich erreichen, dass mehr Menschen nachhaltig reisen?
Da wirken mehrere Faktoren zusammen. Zum einen müssten mehr Kunden nachhaltiges Reisen nachfragen, zum anderen müsste die Industrie entsprechende Angebote machen und Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen fest verankern und umsetzen. Die Politik sollte nachhaltiges Reisen durch Gesetzgebung und eigenes vorbildliches Verhalten unterstützen. NGOs sollten auf Missstände hinweisen.
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10 Dinge, die Sie beim Reisen NICHT tun sollten
1. Fliegen, wenn es nicht unbedingt nötig ist
2. Hotels buchen, die keine oder nur wenige lokale Arbeitskräfte beschäftigen
3. Kurzreisen zu weiter entfernten Reisezielen unternehmen
4. Einen Mietwagen buchen, wenn Sie auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ziel kommen
5. Unnötig Wasser verbrauchen
6. Unnötig Müll produzieren
7. Klimaanlagen nutzen
8. Tiershows besuchen, sich mit Tieren fotografieren lassen bzw. Tiere anfassen
9. Nachhaltigkeitszertifikate ignorieren
10. Souvenirs, Kleidungsstücke oder andere Produkte im Hotel statt bei lokalen Händlern kaufen