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Teils deutliche Hygienemängel

Getestet! Wo in deutschen Erlebnisbädern besonders viele Keime lauern

, Larissa Königs, Susanne Resch

03.07.2023, 14:54 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Mit ihren In- und Outdoor-Pools und Rutschenwelten sind Deutschlands Erlebnisbäder ein ganzjährig beliebtes Ziel. Das Badewasser ist überall mit Chlor versetzt. Aber wie sieht es mit der Hygiene in anderen Bereichen der Bäder aus? Das wollte TRAVELBOOK wissen und hat in fünf der beliebtesten Erlebnisbäder Deutschlands an verschiedenen Stellen Keimproben genommen. Erschreckend: In vier der fünf Bäder fanden sich in den Duschen Fäkalkeime, in zwei sogar in deutlich erhöhter Zahl. Die gesamte Analyse und was Experten dazu sagen: TRAVELBOOK gibt einen Überblick.

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Waren Sie schon mal in einem Erlebnisbad? Dann wissen Sie sicherlich, wie viele Menschen dort auf relativ engem Raum zusammenkommen. Zahlreiche Besucher finden sich dabei unter anderem in Umkleiden und Duschen, bei Liegen und Attraktionen. Vielleicht haben Sie sich auch schon gefragt, wie es unter diesen Umständen mit der Hygiene aussieht. Zahlen oder Studien gibt es dazu bislang nicht. Deswegen hat TRAVELBOOK selbst stichprobenartig Proben genommen und geschaut, wie viele Keime an verschiedeneren Stellen in großen deutschen Erlebnisbädern lauern – mit zum Teil erschreckenden Ergebnissen.

Wie wurde untersucht?

In fünf der größten und beliebtesten Erlebnisbäder Deutschlands hat TRAVELBOOK stichprobenartig auf Keime und Enterobakterien (Bakterien der Darmflora), darunter explizit auch Escherichia Coli (E.Coli), das eine Ursache für Infektionskrankheiten darstellen kann, getestet. Um die Belastung mit Enterobakterien zu bestimmen, hat TRAVELBOOK Abklatschplatten mit Nährböden verwendet. Bei jeder Probe wurden die Platten mit der Nährboden-Oberfläche auf die zu untersuchende Fläche gedrückt, danach verschlossen und beschriftet. Die untersuchten Stellen waren der Boden der Damendusche, das Schlüsselarmband für den Spind, der Griff in der Umkleidekabine sowie die Armlehne einer Liege. Die Proben wurden jeweils während des laufenden Badebetriebs genommen.

Im Anschluss wurden sie zur Analyse an die MykoLab Kaldorf GmbH geschickt. Das in Mönchengladbach ansässige Labor ist auf die mikrobiologische Untersuchung von Proben auf Schimmelpilze und Bakterien aus dem Innenraumbereich spezialisiert. Im dortigen Labor wurden die Nährböden inkubiert und anschließend die Bakterienkolonien (Kolonie bildende Einheiten, kurz: KbE) identifiziert und gezählt. Dabei gilt: Alle Proben mit Werten von über 100 KbE je Abklatschprobe werden als „nicht mehr akzeptable Verunreinigung mit Fäkalkeimen“ bewertet.

Fäkal-Keime in den Duschen fast aller untersuchten Erlebnisbäder

Der Analyse durch das Labor zufolge wurden bei vier der fünf untersuchten Proben des Bodens der Damenduschen Fäkalkeime nachgewiesen. Erschreckend: „Bei zwei Proben war die Konzentrationen so hoch, dass ich von einem deutlichen Hygienemangel sprechen würde“, sagt Dr. Michael Kaldorf, der Geschäftsführer der MykoLab Kaldorf GmbH. Eine der betroffenen Proben zeigte bei der nachgewiesenen Zahl der allgemeinen Enterobakterien einen Wert von mehr als 100 KbE. Dies stellt eine inakzeptable Verunreinigung mit Fäkalkeimen dar. Bei der anderen Probe war die Gesamtzahl der Enterobakterien zwar geringer (50). Dafür war die Zahl der nachweisbaren Escherichia coli hier allerdings auf einem sehr hohen Wert von circa 450.

Positiv zu bewerten ist laut Dr. Michael Kaldorf, dass sich an den anderen untersuchten Stellen wie Armlehne der Liege, Schlüsselband und Umkleide keine Fäkalkeime fanden, und zwar in keinem der fünf stichprobenartig getesteten Bäder.

Wie schlimm ist die Belastung mit Fäkalkeimen in den Duschen?

Fäkalkeime in der Dusche mögen eklig sein– aber stellen sie auch ein Gesundheitsrisiko für die Badegäste dar? TRAVELBOOK hat Matthias Riedl, Facharzt für u. a. interne Medizin, um seine Einschätzung gebeten. „Überall, wo Menschen sind, sind auch deren Fäkalkeime. Sie gelangen an die Hände durch unvollständige Hygiene beim Stuhlgang“, erklärt Riedl. Gleichzeitig beruhigt er aber: „Die Fäkalkeime auf dem Boden gelangen normalerweise nicht in unserem Mund, deshalb ist die Bodenbelastung unbedenklich.“

Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie an der Hochschule Rhein-Waal, bestätigt das. „Tatsächlich ist das Vorkommen von Fäkalkeimen auf dem Boden kein allzu großes Problem, weil ein direkter Infektionsweg fehlt, denn diese Bakterien müssen wir – übrigens in der Regel in recht hoher Zahl – über den Mund aufnehmen, um krank zu werden. Die Betreiber von Bädern müssen allerdings durch vernünftige Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen dafür sorgen, dass deren Zahl zu keiner Zeit auf ein gesundheitsgefährdendes Maß steigt.“ 

Zwar stellen Fäkalkeime auf dem Boden einer Schwimmbaddusche laut Experten also nicht zwingend ein Gesundheitsrisiko dar. Allerdings dürften sie eigentlich gar nicht nachweisbar sein. Das erklärt Dr. Michael Kaldorf unter Berufung auf die „Richtlinie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V.“. „Daraus lässt sich ableiten, dass der Hygienezustand auch in Bädern nur als völlig einwandfrei zu beurteilen ist, wenn Fäkalkeime nicht nachweisbar sind. Geringe bis mäßige Konzentrationen wären noch zu tolerieren, spätestens bei Konzentrationen über 100 KbE/Abklatschprobe liegt nach meiner Einschätzung eine nicht mehr akzeptable Verunreinigung durch Fäkalkeime vor.“

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Wie wird die Hygiene in Schwimmbädern kontrolliert?

Die Hygienestandards für öffentliche Schwimmbäder sind in der Empfehlung „Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung“ des Umweltbundesamtes aufgeführt. Darin heißt es unter anderem: „Zur Vermeidung von Infektionen ist eine tägliche Reinigung und Desinfektion des Barfuß- und Sanitärbereiches sowie der Sitzflächen mit einem geeigneten Mittel in ausreichender Konzentration und Einwirkzeit erforderlich.“ Hierfür muss jedes Bad sich an einen speziellen Hygieneplan halten.

Ob ein Schwimmbadbetreiber diese Hygienstandards tatsächlich einhält, kontrollieren die Gesundheitsämter des jeweiligen Bundeslandes, in dem sich das Bad befindet. „Diese Kontrollen durch die Gesundheitsämter umfassen eine Ortsbesichtigung sowie eine Probenahme, die zur Überprüfung der mikrobiologischen sowie physikalisch-chemischen Anforderungen an das Schwimm- und Badebeckenwasser dient“, sagt Pascal Murmann vom baden-württembergischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration auf Nachfrage von TRAVELBOOK. Auch andere Bereiche in den Bädern würden die Tester bei diesen Kontrollen in Augenschein nehmen. Dazu zählen unter anderem die Barfußbereiche, Sitzflächen und Sanitärbereiche.

„Eine Gesundheitsgefährdung durch eine mangelnde Qualität des Schwimm- und Badebeckenwassers muss durch den Betreiber ausgeschlossen werden“, erklärt Murmann. „Sind Mängel erkennbar oder Risiken für die menschliche Gesundheit aufgrund von Nichteinhaltung der Anforderungen an das Schwimm- und Badebeckenwassers absehbar, kann das Gesundheitsamt zusätzliche Untersuchungen außerhalb der Routinekontrolle veranlassen.“

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„Bedenklich“ – auch Gesamtzahlen der Keime in Erlebnisbädern teilweise zu hoch

Neben den Fäkalkeimen hat TRAVELBOOK im Rahmen der Analyse für einige Stellen in mehreren der untersuchten Erlebnisbäder stichprobenartig auch die Gesamtkeimzahl durch das Labor bestimmen lassen. Darunter waren ebenfalls die Duschen. Das Ergebnis: Auch die Gesamtkeimzahlen waren in den untersuchten Duschen hoch. „Wenn man Untersuchungen zum Hygienestatus in öffentlichen Toilettenanlagen zum Vergleich heranzieht, sind die Ergebnisse allerdings nicht unbedingt überraschend“, sagt Dr. Michael Kaldorf.

„Bedenklich“ nennt Kaldorf dagegen die Tatsache, dass in zwei Bädern auf den Restauranttischen hohe Keimzahlen gefunden wurden. „Hier sind die Gesamtkeimzahlen mindestens um den Faktor zehn höher, als es für Oberflächen akzeptabel ist, auf denen Lebensmittel verarbeitet werden. Ein Restauranttisch ist zwar keine Fläche zur Verarbeitung von Lebensmitteln, aber stark verkeimt sollten die Flächen eigentlich trotzdem nicht sein.“

TRAVELBOOK hat die Ergebnisse der Keimanalyse mit den jeweils für die untersuchten Erlebnisbäder zuständigen Gesundheitsämtern geteilt und um ein Statement gebeten, jedoch bis Veröffentlichung keine Antwort erhalten.

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