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In der Schweiz

Weltrekord! So war die Fahrt mit dem längsten Zug der Welt

Unsere Autorin war an Bord des längsten Zugs der Welt
Unsere Autorin war an Bord des längsten Zugs der Welt Foto: Collage PHILIPP SCHMIDL/ TRAVELBOOK
Larissa Königs
Larissa Königs

31.10.2022, 11:26 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Weltrekorde gibt es viele. Der Schnellste, der Größte, der Weiteste – alles schon da gewesen. Nun wollte die Rhätische Bahn beweisen: Sie habe den Längsten! Zug natürlich. So wurde am vergangenen Samstag zum Weltrekordversuch eingeladen. Bahn-Fans aus aller Welt, Größen der Branche und einige Auserwählte durften an Bord des 100 Waggons zählenden Zugs Platz nehmen. Eine von ihnen: TRAVELBOOK-Redakteurin Larissa Königs. Sie berichtet, wie sie die Fahrt erlebte und was nicht so ablief, wie man es sich wohl gewünscht hätte.

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Die Schweizer Bahn ist der Deutschen Bahn vor allem in einem Punkt überlegen: Pünktlichkeit. Im Alpenland sind verspätete Züge unüblich, eine Schweizerin sagt mir mit einem Augenzwinkern, ab 15 Minuten Verzögerung sei man schon gewillt, die Medien über diese Unverschämtheit zu informieren. Als Landsfrau eines Staates, in dem die Züge erst ab 6 Minuten überhaupt als verspätet gelten, bin ich verzückt. Kein Wunder, dass man ausgerechnet in der Schweiz auf die Idee kommt, etwas Wahnwitziges auf die Gleise zu bringen: einen Zug, der fast zwei Kilometer lang ist. Dass auch hier jedoch nicht immer alles glatt läuft, werde ich noch erfahren – doch ich greife vor.

Die Idee, den längsten Zug der Welt fahren zu lassen, kam der Rhätischen Bahn schon vor einigen Monaten. Zu toppen galt es eine bisherige Länge von 1700 Metern. Nun wollte man mehr als 200 Meter drauflegen, 1,91 Kilometer sollte der neue Schweizer Zug lang sein. Doch wer jetzt ein Bild eines gigantischen Zuges vor Augen hat, den man ähnlich wie in der Fantasy-Geschichte des „Snowpiercers“ komplett durchlaufen könnte, täuscht. Eingesetzt wurden für den Rekord 25 aneinander gekoppelte Züge, die von sieben Lokführern gesteuert wurden. Ein Mammut-Gefährt, dessen Betrieb einige Besonderheiten mit sich bringt.

So hatte man die Beschleunigungskurven der Fahrzeuge deutlich reduziert. „Wir haben sie zu lahmen Enten gemacht“, scherzt Ivo Hutter, Leiter der Abteilung Rollmaterial. Auch habe man die Bremskurven reduziert, damit nicht allzu plötzlich gebremst werden könne und die Züge aufeinander rasseln. Und: „Im Notfall ist es so, dass wir einfach stehen bleiben.“ Zur Kommunikation gab es zudem ein Feldtelefon, sollte die Verbindung an Bord abreißen. Doch aller Vorsicht zum Trotz war das Ziel klar: eine Fahrt ohne Komplikationen durchzuführen, so wie es der Schweizer Bahn würdig ist.

So war die Fahrt im längsten Zug der Welt

Ich freue mich schon auf diese Darbietung der Schweizer Präzision, als ich in den Zug im nur 8 Grad kalten Albulatunnel einsteige. Hier, im Dunkeln, soll um Punkt 14 Uhr die Fahrt beginnen. Doch 2 Uhr mittags verstreicht und es gibt keine Information. Was ist da los? Schließlich die Information, es dauere noch etwas. Man möge sich noch wenige Minuten gedulden. Ob man Sorge habe, wird Wolfrad Bächle, Geschäftsführer des Partners Märklin und einer der VIP-Gäste an Bord des Zuges, gefragt. „Ich habe keinerlei Zweifel, dass dieser Rekord gelingen wird“, entgegnet er. Und er wird Recht behalten. Um 14.17 Uhr setzt sich der längste Passagierzug der Welt langsam unter Jubel der Passagiere in Bewegung und fährt auf seine angestammte Strecke.

Und was für eine Strecke es ist. Der längste Zug der Welt verkehrt vom Tunnel in Preda bis nach Bergün und dann weiter zum berühmten Landwasserviadukt, eines der Wahrzeichen des Kantons Graubünden. Auf der Strecke, die zurecht UNESCO-Welterbe ist, gibt es 22 Tunnel und 48 Brücken – und unzählige Kurven. An Bord merkt man schnell, wie weise die Route gewählt war. Immer wieder stelle ich staunend mit Blick aus dem Fenster fest, wie lang der Zug wirklich ist. Während die Spitze schon in den nächsten Tunnel eintaucht, schlängelt sich der hintere Teil noch über ein mehrere hundert Meter höher liegendes Aquädukt. Mitunter scheint es sogar, als würden die Zugteile in unterschiedliche Richtungen fahren, wenn der vordere Teil, in dem ich mich befinde, bereits um ein Tal herum ist, der andere Teil jedoch noch auf der gegenüberliegenden Seite fährt.

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Wem bringt die Aktion etwas?

Im Bündner „Bergdorf“ Bergün beobachteten tausende Zuschauer die Rekordfahrt live oder auf einer Grossleindwand
Im Bündner „Bergdorf“ Bergün beobachteten tausende Zuschauer die Rekordfahrt live oder auf einer Grossleindwand Foto: MAYK WENDT

In dem Zug zu fahren war jedoch ein Privileg, das den wenigsten Zug-Fans zuteil wurde. Stattdessen warteten sie entlang der 25-Kilometer-langen Strecke, teilweise auf Campingstühlen oder in Zelten, auf Balkonen, Brücken und sogar Dächern, um den besten Blick zu haben. Die größten Zug-Liebhaber gingen jedoch noch weiter: Sie sicherten sich für 30 Euro ein Ticket. Jedoch nicht für einen der 4550 Sitzplätze an Bord. Während diese zum Großteil unbesetzt blieben, erhielten Besitzer des Weltrekord-Tickets mit eben diesem Zugang zum Festgelände in Bergün, wo ein Zwischenstopp eingelegt wurde.

Hier endete auch meine Fahrt. Dort angekommen, beobachtete ich die letzte Etappe bis zum Landwasserviadukt gemeinsam mit Hunderten Bahnfans auf der Großleinwand. Hier traf ich Hartmut und seinen Enkel Tim. Hartmut arbeitet bereits seit 30 Jahren bei der Schweizer Bahn. Er hofft, dass die Region Graubünden von dem neuen Weltrekord profitiere. Eine Hoffnung, die man auch bei Rhätischen Bahn teilt, wie Chef Renatio Fasciato vielfach betonte. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen – immerhin: der bisherige Weltrekord wurde gebrochen. Am Samstag (29. Oktober) um kurz nach halb vier war es offiziell, wenig später empfing Fasciato vom Guinness-Buch der Rekorde die passende Urkunde. Ein denkwürdiger Moment, auch für die vielen Trainspotter, die extra angereist waren. „Ich bin überglücklich, dass es wirklich funktioniert hat“, sagte etwa Fabian, der auch sonst in seiner Freizeit gerne Züge beobachtet.

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Ein erfolgreiches Ende mit Verzögerung

Nicht nur er meinte: Die Aktion war ein voller Erfolg. Als Deutsche-Bahn-Kundin freue ich mich, dass selbst ein so gigantischer Zug den Schweizern kaum Probleme bereitet und begebe mich zurück zum Bahnhof für die Abreise. Hier werde ich dann doch noch an meine Heimat erinnert: Der eigentlich abfahrende Zug kommt und kommt nicht, schließlich wird verkündet, er verspäte sich um eine knappe halbe Stunde. Der Zug war Teil des Weltrekordzugs und die Abkopplung aller Teile habe sich etwas verzögert. So kommen die anderen Reisenden doch noch in den Genuss, einen Teil des längsten Zugs der Welt zu besteigen – und ich fahre nach Hause mit der Gewissheit, dass in den Schweizer Zügen zwar vieles glatt läuft, aber eben doch nicht alles.

Themen: #amex Schweiz
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