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Stockholm-, Paris- und Jerusalem-Syndrom

Warum manche Krankheiten Städtenamen tragen

Stockholm, Schweden
Stockholm ist eines der beliebten Reisestädte, nach welcher ein Krankheitsbild benannt wurde Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

09.01.2023, 14:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Manche Metropolen dieser Welt müssen sich ihren Namen mit einem Syndrom oder einer Krankheit teilen. TRAVELBOOK verrät, was Stockholm mit Geiselnehmern und Jerusalem mit verwirrten Jesus-Imitatoren zu tun hat.

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Wenn eine neue Krankheit oder ein Virus entdeckt wird, nennt man diese nicht selten nach dem Ort, an dem sie zuerst auftraten. Für die Städte und Regionen eine zweifelhafte Ehre. Denn das fördert einerseits zwar die Bekanntheit des Ortes, nicht aber unbedingt das Image. TRAVELBOOK stellt sechs Krankheiten mit Städtenamen vor.

Das Stockholm-Syndrom

Im August 1973 war es in der schwedischen Hauptstadt zu einem Überfall auf eine Bank gekommen. Fünf Tage lang waren die vier Bankangestellten in der Gewalt der Geiselnehmer. Doch nach der Geiselnahme empfanden sie keinerlei Hass gegenüber ihren Peinigern. Im Gegenteil: Sie waren ihnen sogar dankbar dafür, freigelassen worden zu sein und baten um Gnade für die Geiselnehmer. Sie besuchten diese sogar im Gefängnis. Bis heute beschreibt das Stockholm-Syndrom ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen, mit ihnen sympathisieren, gar kooperieren. Der Ort des Geschehens, die Bank am Norrmalmstorg, einem Platz im Stockholmer Stadtteil Norrmalm, ist seitdem ein beliebtes Ausflugsziel von Schweden-Touristen.

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Das Helsinki-Syndrom

Manchmal bekommt eine Stadt ein Syndrom aufgebrummt – und kann wirklich überhaupt nichts dafür. Das Helsinki-Syndrom zum Beispiel ist eine Erfindung von Hollywood. In dem Film „Knockin’ on Heaven’s Door“ sowie in der Serie „Akte X“ wird es erwähnt, gemeint ist aber das Stockholm-Syndrom (siehe oben). Aber von Hollywood aus betrachtet, sind sowohl die finnische als auch die schwedische Hauptstadt ziemlich weit weg, da kann man beide schon mal verwechseln. In verschiedenen Foren sorgen die Filmszenen aber immer noch für viel Irritation. James Bond hingegen weiß, wie es richtig heißt. So spielt das Stockholm-Syndrom in „Die Welt ist nicht genug” eine nicht unbedeutende Rolle.

Das Lima-Syndrom

Allerdings handelte es sich bei 007 am Ende doch nicht um das Stockholm-Syndrom, sondern um dessen Gegenteil, das Lima-Syndrom. Hier sympathisieren die Geiselnehmer mit den Geiseln. Erstmals diagnostiziert wurde es 1996 nach einem Überfall auf die japanische Botschaft in der peruanischen Hauptstadt. Und in „Die Welt ist nicht genug“ bekommt es seine wohl schönste Interpretation. Denn hier verliebt sich der Kidnapper Renard (Robert Carlyle) in seine Geisel Electra King (Sophie Marceau).

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Das Venedig-Syndrom

Venedig
Venedig ist unter anderem ein Ziel für die letzte Reise geworden Foto: Getty Images

Richard Wagner und Thomas Mann sind wohl schuld am Mythos der Lagunenstadt als perfektes Ziel einer letzten Reise. Fakt ist, dass sich in Venedig überdurchschnittlich viele Ausländer das Leben nehmen. Die Psychologin Diana Stainer hat vor einigen Jahren das Venedig-Syndrom untersucht und 25 Selbstmord-Touristen, die gerettet werden konnten, gefragt. Bei den Betroffenen handelte es sich in der Mehrzahl um Singles, Durchschnittsalter 40 Jahre, sie kamen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und den USA. Und während die Frauen eine Überdosis Schlaftabletten im Hotelzimmer genommen hatten, stürzten sich die Männer eher aus dem Fenster oder von der Rialto-Brücke in den Canal Grande.

Das Paris-Syndrom

Auch der Name der Stadt der Liebe wurde als Bezeichnung für eine Krankheit verwendet. Von dieser sind vor allem Japaner betroffen, die nach Paris kommen und von dem Widerspruch zwischen ihrer überhöhten Erwartung an die Stadt und den realen Gegebenheiten vor Ort mental komplett überfordert sind. Das kann zu Wahn zuständen, Halluzinationen, Paranoia, Angst, Schwindel, Schwitzen und vielem mehr führen. So sei ein Mann etwa der Überzeugung gewesen, er sei Ludwig XIV., während eine Frau felsenfest geglaubt habe, von Mikrowellen attackiert zu werden. Pro Jahr sollen zwischen zwölf und 100 Menschen am Paris-Syndrom erkranken, die japanische Botschaft in Paris spricht von 20 bis 24 „gravierenden Fällen“ pro Jahr wie die Zeitung „The Guardian“ berichtete.

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Das Jerusalem-Syndrom

Es ist, neben dem Stockholm-Syndrom, die bekannteste aller Städtekrankheiten und bezeichnet eine psychische Störung von Jerusalem-Reisenden. Bei dieser identifiziert sich der oder die Betroffene vollständig mit einer heiligen Person aus dem Alten oder Neuen Testament – Mose, Maria, Jesus – und glaubt, diese tatsächlich zu sein. Deshalb hüllt man sich in weite Gewänder oder Bettlaken und fängt mitten auf der Straße an, zu predigen. Erstmals wurde das Jerusalem-Syndrom Anfang der 1980er von dem israelischen Arzt Yair Bar El diagnostiziert. Danach behandelte er über 400 Betroffene in der psychiatrischen Klinik „Kfar Shaul“. Bei dem Syndrom handelt es sich allerdings – wie übrigens bei den meisten anderen Städte-Syndromen auch – nicht um eine anerkannte Diagnose.

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