22. März 2018, 12:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer eine Reise nach Višegrad in Bosnien und Herzegowina plant, könnte über Touristikwebseiten auf das Vilina Vlas Spa Hotel stoßen. Es liegt im Grünen, hat Restaurant und Pool – und eine schauderhafte Vergangenheit! In den 1990er-Jahren gab es hier organisierte Misshandlungen und Morde, im Netz wird das Vilina Vlas an vielen Stellen als Konzentrations- und Vergewaltigungslager bezeichnet. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte des Hotels, von dem viele sich fragen, warum dort bis heute Gäste unterkommen.
Auf Instagram findet man Urlauberfotos aus dem Schwimmbad, dem Speisesaal und von der bewaldeten Nachbarschaft des Hotels. Die meisten Besucher des Vilina Vlas ahnen wohl nicht, was sich vor kaum 30 Jahren genau an dieser Stelle des Vororts Višegradska Banja, vier Kilometer entfernt von der Kleinstadt Višegrad, abgespielt hat. Eine deutsche Studentengruppe zumindest erfuhr es erst bei der Abreise. „Sie werden hier nicht schlafen können, wenn Sie wissen, dass während des Krieges in diesem Gebäude Frauen vergewaltigt wurden“, kommentierte ihr Leiter fassungslos auf „Tripadvisor“.
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Wo früher gemetzelt wurde, soll man heute ruhig schlafen
Die Geschichte des Vilina Vlas ist eigentlich kein Geheimnis. Es gibt einen Wikipedia-Eintrag dazu, auch haben inzwischen verschiedene britische Journalisten darüber berichtet. Und die Geschichte des Hotels ist zum Schaudern:
Während des Bosnienkriegs 1992 hat Milan Lukić, Kommandant der serbischen Weißen Adler, das damalige Hotel zum Hauptquartier seiner paramilitärischen Einheit erklärt. Innerhalb weniger Monate wurde unter seiner Leitung die gesamte muslimische Bevölkerung der Stadt Višegrad hingerichtet – und der weibliche Teil davon zuvor in der Zentrale brutal vergewaltigt. Kaum war der Krieg vorbei, nahm das Vilina Vlas seinen Hotelbetrieb wieder auf.
Die blutübersähten Matratzen, die man in einem Beitrag des „The Guardian“ noch sehen kann, sind ausgetauscht, die Hotelwände bekamen eine neuen Anstrich. Ansonsten hat sich an den Räumlichkeiten, die zahlenden Gästen heute eine gemütliche Unterkunft bieten sollen, nichts geändert. Nicht einmal die Bettgestelle sind neu.
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Warum wird das Hotel noch geduldet?
Wenngleich Lukić als Kriegsverbrecher verurteilt und der Tatbestand vorm Internationalen Strafgerichtshof dokumentiert ist: Mladen Djurevic, Bürgermeister (!) von Višegrad, schert sich darum nicht im Geringsten. „Ich weiß nicht, was dort passiert ist”, behauptet er auf Nachfrage des „The Guardian“. Und: „Ich bin nicht daran interessiert, in die Vergangenheit zu reisen. Warum sollte ich mich also darüber belesen?“
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Zweifelhafter Lokalpatriotismus
Grundsätzlich geschichtsverdrossen ist man im Gemeindevorstand aber offenbar nicht. Dieser sitzt in Andrićgrad, einem Stadtteil von Višegrad, der erst kürzlich zu Ehren des Schriftstellers und lokalen Helden Ivo Andrić († 83) errichtet wurde. Der Aufbau hat Informationen des „The Guardian“ zufolge mehrere Millionen Euro gekostet, einer früheren Stadtverwaltung schien viel am historischen Gedenken gelegen zu haben. Die ungemütlichen Aspekte der Vergangenheit – wie der dokumentierte Völkermord – sollen hingegen mit aller Kraft aus der öffentlichen Erinnerung gestrichen werden. Und das kann man anscheinend wörtlich nehmen. Višegrads Behörden sollen angeordnet haben, das Wort Genozid, das in Grabmale auf dem muslimischen Friedhof gemeißelt war, zu entfernen. Zwischenzeitlich wurde er von Unbekannten wieder aufgesprüht.
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Hotelvergangenheit wird totgeschwiegen
Wie die britische Tageszeitung weiter berichtet, verweigert die Kommunalverwaltung nicht bloß die Schließung des Hotels. Angeblich wird mit Geldern der Stadt sogar bald die Anfahrtsstraße erneuert, auch soll eine Renovierung des Fußbodens geplant sein.
Es ist davon auszugehen, dass das Vilina Vlas weiterhin bestehen bleibt, gänzlich, ohne über die Vergangenheit der Räumlichkeiten aufzuklären. Sie in eine Art Museum oder vergleichbare Erinnerungsstätte umzuwandeln – diese Möglichkeit sehen die Betreiber offensichtlich nicht. Wer davon weiß, sollte die abscheuliche Geschichte also zumindest weitererzählen: Damit nicht noch mehr unwissende Touristen auf blutigem Boden gebettet werden.