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Jahrhundertealte Tradition

Die Q’eswachaka-Hängebrücke in Peru wird jedes Jahr neu gebaut

Q'eswachaka-Hängebrücke
Die Q'eswachaka-Hängebrücke überspannt den Apurímac-Fluss, und wird gemäß einer jahrhundertealten Tradition jedes Jahr wieder neu erbaut Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

22.06.2021, 05:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

In der Provinz Canas in der Nähe der peruanischen Stadt Cusco halten Nachfahren der Inkas eine Tradition am Leben. Jedes Jahr bauen sie eine Hängebrücke neu – und zwar vollständig aus Gras. TRAVELBOOK erzählt die spannende Geschichte.

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Würden Sie eine Brücke über einen reißenden Fluss überqueren, wenn Sie wüssten, dass diese komplett aus Gras besteht? Eine Brücke, die Menschen jedes Jahr in mühevoller Handarbeit neu herstellen? In der Provinz Canas machen das die Menschen bereits seit Jahrhunderten. Die Q’eswachaka-Hängebrücke in Peru überspannt einen Canyon über dem wilden Apurímac-Fluss.

Die Q’eswachaka-Hängebrücke zu überqueren ist aber wohl auch für Einheimische immer noch ein kleines Abenteuer. Laut der Reiseseite „Info Peru“ ist sie bei gerade einmal 1,20 Meter Breite 28 Meter lang. 15 Meter über dem Fluss bewegen sich Mutige auf Pfaden, die die Inka bereits vor mehr als 500 Jahren gegangen sind. Einst waren die handgeflochtenen Grasbrücken ein wichtiger Bestandteil des Wegenetzes im mächtigen Inkareich. Zehntausende von Kilometern umfassten diese „Verkehrsadern“, auch bekannt als Qhapaq Ñan, was soviel bedeutet wie Große Inka-Straße.

Eine 500 Jahre alte Tradition

Q'eswachaka-Hängebrücke
Besser nicht runtergucken: Die Q’eswachaka-Hängebrücke ist gerade einmal 1,20 Meter breit und besteht komplett aus handgeflochtenen Grasfasern Foto: Getty Images

Laut dem wissenschaftlichen „Smithonian Magazine“ dienten Grasbrücken wie die Q’eswachaka-Hängebrücke aber nicht nur dem Handel und Austausch von Botschaften. Näherte sich ein Feind, konnte man sie ganz einfach verbrennen. Daher entstanden sie wohl auch bereits ab dem 13. Jahrhundert, waren bis ins 16. Jahrhundert eine weitverbreitete Art des Brückenbaus. Auch die Spanier wurden, zumindest eine Zeit lang, so von ihrem zerstörerischen Eroberungsfeldzug abgehalten.

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Nachdem sie sich das Inkareich aber Untertan gemacht hatten, zerstörten sie selbst viele der wichtigen Verbindungen der Ureinwohner über Schluchten und Canyons. Die Q’eswachaka-Hängebrücke war eine der wenigen, die „überlebte“. Und das tut sie bis heute, denn einer 500 Jahre alten Tradition folgend bauen sie die Nachfahren der Inka immer wieder auf. Involviert sind dabei die vier der Brücke nahe liegenden Gemeinden Huinchiri, Chaupibanda, Choccayhua und Ccollana Quehue.

Die Q’eswachaka-Hängebrücke in Peru wird jedes Jahr neu gebaut

Q'eswachaka-Hängebrücke
Die Einwohner von vier Gemeinden helfen jedes Jahr wieder beim Neubau der Q’eswachaka-Hängebrücke Foto: Getty Images

Jedes Jahr im Juni kommen ihre Bewohner zusammen, um die alte Q’eswachaka-Hängebrücke zu zerstören und an ihrer Stelle eine neue zu erbauen. Der Grund dafür ist laut „Info Peru“ einfach: Die Brücke besteht vollständig aus den Fasern des Qoya-Grases, das ausschließlich in den höheren Lagen der Anden wächst. Aus dessen Halmen wird dann die Brücke hergestellt, wobei die Frauen der Dörfer traditionell die meterlangen Gras-Seile flechten.

Die Männer reißen die alte Brücke ab, um an ihre Stelle dann die neue über den Apurímac zu spannen. Frauen ist die Anwesenheit bei diesem gefährlichen Ritual untersagt, denn dem Aberglauben nach könnte dies Unglück bringen. Sobald die neue Q’eswachaka-Hängebrücke aber installiert ist, feiern alle 700 Bewohner der Gemeinden zusammen ein großes Fest. Dabei wird die Brücke dann mit Opfergaben und der Verbrennung von Weihrauch eingeweiht. Die Flechtarbeit der Inkafrauen ist derart stabil und beeindruckend, dass sie 2013 zum immateriellen Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde.

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Die Brücke stärkt die Gemeinschaft

Laut der Unesco dauert der Bau der neuen Brücke heute nur noch drei Tage – früher waren dafür Wochen nötig. Die Brücke wird als heilige Verbindung der Gemeinden mit der Natur betrachtet. Die Ureinwohner sehen den jährlichen Wiederaufbau als eine Bekräftigung und Stärkung ihrer Traditionen und ihrer kulturellen Identität an. Die Kunst des Gras-Flechtens wird in den Familien von Generation zu Generation weitergegeben.

Heute ist die Q’eswachaka-Hängebrücke bei Touristen so beliebt, dass diverse Tourabieter in Cusco sie auf dem Programm haben. Wer sie überqueren will, zahlt eine kleine Maut von ein paar Cents. Längst führt heute über den Apurímac auch eine Brücke aus Stahl – aber wer ein Gefühl bekommen will für das kulturelle Erbe eine ganzen Landes und seine jahrhundertealten Traditionen, der überquert die Q’eswachaka-Hängebrücke.

Themen Peru Südamerika
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