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Entkommen unmöglich

Auf der Insel Gorgona befindet sich die letzte Strafkolonie Europas

Gorgona
Auf der Insel Gorgona befindet sich die letzte Strafkolonie Europas. Die Rückfallquote der Insassen hier ist erstaunlich niedrig. Foto: De Agostini via Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

19. Mai 2025, 7:52 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Die zur italienischen Region Toskana gehörende Insel Gorgona beherbergt die letzte Gefängniskolonie in Europa. Statt auf Bestrafung setzt man hier auf Resozialisierung, bezahlt die Häftlinge sogar für ihre Arbeit. Sie dürfen sich tagsüber frei bewegen und betätigen sich als Bäcker, Imker oder Winzer. Die Warteliste für den Insel-Knast ist dementsprechend lang, die Rückfallquote bei Insassen ungewöhnlich niedrig. Mittlerweile ist Gorgona sogar berühmt für ein besonders exklusives Produkt.

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Etwa eine Stunde mit dem Boot entfernt von der toskanischen Hafenstadt Livorno liegt ein rauer, vom Meer umtoster Felsen, auf dem gerade einmal etwa hundert Menschen leben. Nicht freiwillig allerdings, muss man dazu sagen. Denn die Menschen, die auf Gorgona wohnen, sind Insassen der letzten Strafkolonie in Europa. Diese existiert seit fast 160 Jahren, und hat sich eine absolut erstaunliche Erfolgsquote bei der Resozialisierung von Verbrechern erarbeitet. Der Insel-Knast hat dementsprechend auch eine lange Warteliste, denn auf Gorgona dürfen sich die Häftlinge nicht nur frei bewegen, sondern auch einer Arbeit nachgehen, die obendrein sogar bezahlt wird.

Laut dem „Boston Globe“ existiert die Strafkolonie auf Gorgona bereits seit dem Jahr 1869. Und man könnte die gut 200 Hektar große Insel wohl in gewisser Weise als europäisches Alcatraz bezeichnen, denn eine Flucht von dort gilt als unmöglich. Daran dürften die meisten Bewohner der Insel aber auch gar nicht denken, denn verglichen mit einem normalen Gefängnis führen sie hier ein sehr gutes Leben. Tagsüber dürfen sie sich auf der Insel frei bewegen, betätigen sich zum Beispiel als Winzer, Bäcker, Imker oder Hirten. Die Arbeit mit den Tieren gibt den Insassen ein Gefühl für Verantwortung und Bestimmung, trägt so in vielen Fällen zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft bei.

Niedrige Rückfallquote

Gorgona
Einer der gerade einmal zwei Dutzend Staatsbeamten auf Gorgona. Die Häftlinge führen hier ein vergleichsweise selbstbestimmtes Leben. Foto: Getty Images

Ein normaler Tag auf Gorgona beginnt für die Häftlinge um sechs Uhr morgens. Bis 11 Uhr arbeiten sie, wofür sie einen Lohn erhalten. Ein Teil davon wird bereits für ihre Zeit nach der Haft zurückgelegt. Anschließend dürfen sie für den Rest des Tages tun, wonach ihnen der Sinn steht. Zum Gefängnis-Angebot gehören unter anderem ein Fitnessstudio sowie Musik- und Theaterunterricht. Und natürlich ist auch hier Fußball ein beliebter Zeitvertreib. Um 21 Uhr ist Zapfenstreich, dann werden die Insassen für die Nacht eingeschlossen. Normalerweise teile sich zwei Menschen eine Zelle. Bei besonders guter Führung kann man aber auch in den Genuss einer Einzelzelle kommen.

Einmal die Woche können die Menschen auf Gorgona auch Besuch von ihren Familien empfangen. Da die Wetterbedingungen die Über- bzw. Rückfahrt jedoch nicht jederzeit gefahrlos ermöglichen, gibt es für Angehörige sogar ein Gästehaus. Das alles trägt dazu bei, dass die Rückfallquote für auf der Insel Inhaftierte erstaunlich niedrig ist. Gerade einmal 20 Prozent der Resozialisierten begehen im Anschluss an ihre besondere Haft noch einmal ein Verbrechen. Bei „gewöhnlichen“ Gefängnissen in Italien liegt diese Quote bei 80 Prozent. Doch selbst in diesem vermeintlichen „Paradies“ gibt es auch immer mal wieder dunkle Stunden.

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Gewalt und ein Doppelmord

So ereignete sich vor einigen Jahren unter den Häftlingen auf Gorgona ein Doppelmord. Auch kommt es immer mal wieder zu Gewaltausbrüchen unter den Insassen. Doch trotzdem sind diese Vorfälle im landesweiten Vergleich niedrig, denn die Regeln auf der Insel kennen für einen solchen Fall kein Pardon. Ein Fehltritt, egal welcher Art, und der Betreffende wird sofort zurück auf das Festland verlegt, an einen „normalen“ Knast überstellt. Zudem muss man sich den Aufenthalt hier auch schon vorab verdienen. Alle Menschen, die in Europas letzter Strafkolonie einsitzen, haben sich zuvor in anderen Gefängnissen durch besonders gute Führung hervorgetan.

Mittlerweile ist Gorgona sogar unter Kennern weltweit bekannt für ein besonders exklusives Produkt. Gemeint ist damit laut „Guardian“ ein Weißwein, den die Häftlinge unter der Anleitung professioneller Winzer herstellen. Die italienische Weindynastie Frescobaldi, die älteste des Landes, beaufsichtigt die Produktion. Das Ergebnis ist einer der teuersten Tropfen, der überhaupt aus der Toscana kommt. Diese besondere Kooperation besteht bereits seit 2011, auf einer Fläche von fünf Hektar werden die edlen Trauben angebaut. Nicht wenige der Häftlinge gehen nach ihrer Entlassung der Arbeit nach, die sie auf der Insel erlernt haben.

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Gorgona als Tourist besuchen

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Auch Elektriker, Schreiner, Mechaniker und Maurer gibt es auf Gorgona. Nicht wenige der Häftlinge sind sogar in der Lage, mit dem auf der Insel verdienten Geld ihre Familien zu unterstützen. Dennoch gibt es auch Insassen, die die Einsamkeit hier nicht ertragen, und sich freiwillig wieder verlegen lassen. Vor allem die fehlende Nähe zu geliebten Menschen spielt dabei eine Rolle. Das Boot von Livorno nach Gorgona fährt nur einmal am Tag. Und das auch nur, wenn das Wetter es zulässt. Dabei trennt nur eine Stunde Fahrzeit die Menschen auf dem Festland von der Insel.

Und so unglaublich es klingt, kann man Gorgona auch als Tourist besuchen. Die offizielle Tourismus-Website der Stadt Livorno bietet tatsächlich Tagesausflüge auf die Insel an. Diese muss man allerdings bei der Gefängnisverwaltung anmelden. Die Agentur verspricht dafür „die einzigartige Gelegenheit, sich auf einen Ort einzulassen, der zahllose Geschichten und Legenden inspiriert hat.“ Der Ausflug beinhaltet unter anderem ein Lunchpaket und einen Badestopp im Meer vor dem kleinen Hafen. Ein Besuch der letzten Strafkolonie Europas ist sicher alles andere als alltäglich.

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