
19. Mai 2025, 15:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Bei einer kürzlichen Reise erlebte unser Autor Robin Hartmann Bali als wunderbar vielseitigen, nicht selten traumhaft schönen und faszinierenden Ort. Doch selbst in der tiefsten Nebensaison wimmelte es quasi überall von Touristen aus aller Welt, während die Bagger und Kräne für den Bau immer neuer Unterkünfte niemals still zu stehen schienen. In Gesprächen fand er heraus, was das mit der Insel und den Menschen vor Ort macht. Und erfuhr von einem neuen Projekt, das in Zukunft noch mehr Touristen bringen soll.
Es ist Abend am Strand von Sanur, einem kleinen Ort in der Nähe von Denpasar, der Hauptstadt von Bali. Touristen und Einheimische flanieren über die sehr gepflegte Promenade, ein paar Menschen baden im Meer, während am Himmel ein polychromer Sonnenuntergang ein wahres Farbspektakel abbrennt. Doch wer nach oben schaut, nimmt auch, zumindest auf den zweiten Blick, einen die Idylle eher trübenden Eindruck wahr. Denn gefühlt alle zwei Minuten, vielleicht sogar regelmäßiger, setzt aus den Wolken ein Flugzeug zum Landeanflug auf den Airport von Denpasar an. Und bringt noch mehr von den Urlaubern, unter denen manche Regionen der Insel jetzt schon ächzen. Und wie schon so manches Mal während meines dreiwöchigen Aufenthaltes frage ich mich: Kann Bali noch mehr Touristen verkraften?
Schon in meinen ersten Tagen auf der Trauminsel kam mir dieser Eindruck in der hippen Beachtown Canggu. Von internationalen Bloggern gehypt und von Surfern aus aller Welt wegen seiner guten Wellenbedingungen geliebt, erschien mir der Ort von Anfang an wie eine riesige, völlig überlaufene Open Air-Diskothek. Von abends bis in die tiefe Nacht wummern hier die Bässe durch mannshohe Boxen, Angebote wie „Happy hour all day“, „Freibier zum Haarschnitt“ und unzählige Tattoo-Studios locken ein vor allem junges, internationales Klientel. Untermalt wird diese Kulisse schon ab dem frühen Morgen quasi rund um die Uhr von Baulärm, überall war etwas Neues am Entstehen und Altes wurde abgerissen.
Niemand möchte mehr in der Landwirtschaft arbeiten
„Stille ist auf Bali ein Luxusgut“, sagte mir die Chefin eines gehobeneren Etablissements, während im Hintergrund Arbeiter schon seit sieben Uhr morgens einen Bereich sehr nahe des Pools und der eigentlich ruhigeren Unterkünfte mit Presslufthämmern bearbeiteten. Sie selbst war keine Einheimische, sondern Französin, und nur die erste von zahlreichen Bekanntschaften auf der Insel dieser Art. Denn kaum eines der schicken Hotels und Restaurants, kaum einer der Beachclubs oder der Ressorts auf Bali gehört Einheimischen. Diese arbeiten eher, nicht selten unsichtbar, im Hintergrund, putzen, kochen und bauen eben für einen Fortschritt, an deren Ertrag sie kaum beteiligt werden.
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Darin liegt mittlerweile für die Zukunft der Insel eine massive Gefahr, wie mir Taxifahrer Adi bei einer unser gemeinsamen Touren verrät. Denn kaum ein junger Mensch auf Bali wolle heutzutage noch in der Landwirtschaft arbeiten, welche die gesamte Insel und auch deren Gäste aber seit Jahrhunderten dank des äußerst fruchtbaren Bodens ernährt. Die zahlreichen touristisch orientierten Hochschulen und Universitätsfakultäten verzeichneten dagegen einen stetig wachsenden Zulauf. Und wo früher Reisfelder sich bis zum Horizont erstreckten, mussten sie vor allem in den vergangenen Jahren immer weiter weichen. „Meine Großeltern bewirtschaften noch ein Stück Land“, so Adi. „Aber von uns jüngeren Familienmitgliedern weiß niemand mehr, wie man es bestellt. Wir werden es nach ihrem Tod wohl vermieten oder verkaufen.“
10 Millionen Gäste zusätzlich pro Jahr
Adi berichtet auch von dem neuen Flughafen, den die Regierung von Indonesien gerade erst für Bali genehmigt hat. Im Norden der Insel soll dieser nah des Ortes Kubutambahan schon im Jahr 2027 erstmals Gäste willkommen heißen, wie die Nachrichtenseite „Channel News Asia“ bestätigt. Diese Region der Insel ist bislang im Vergleich zum Süden teils touristisch noch völlig unterentwickelt. Vor allem Freunde der Ruhe und der Natur kommen hierher, um abseits der Massen im Süden zu entspannen. Ich selbst erlebte in den nördlicher gelegenen Orten Bedugul und Lovina, dass der Tourismus hier noch nicht auf dem selben Niveau angekommen ist. Damit dürfte es bald vorbei sein, denn die Regierung erwartet mit dem neuen Airport pro Jahr 10 Millionen zusätzliche Gäste auf der Insel. Verteilt auf 85.000 Flüge.
Der Bau klingt nach einem sehr ambitionierten Fantasieprojekt. So soll der neue Flughafen auf einer eigens dafür vor der Küste geschaffenen künstlichen Insel auf einer Fläche von 900 Hektar entstehen. Das Terminal soll die Form einer Meeresschildkröte haben, eines auf Bali heiligen Tieres. Nicht weniger als 200.000 neue Jobs erwarten sich die Planer von dem Mega-Bau, in dessen Zug auch eine Mautstraße und eine neue Eisenbahnstrecke entstehen soll. Nebenbei plant man, die Region zu einem Mekka für ambitionierte Filmprojekte zu machen, Arbeitstitel „Baliwood“. Understatement sieht anders aus. Und schon jetzt regt sich in der betroffenen Region nicht nur Begeisterung, sondern auch Widerstand.
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Kann Bali noch mehr Touristen verkraften?
Zunächst einmal ist da die Angst um die einzigartige Natur, die durch die neuen Bauprojekte gefährdet oder zerstört werden würde. Zudem fürchtet man hier die Folgen eines Overtourism, wie er im Süden der Insel bereits jetzt herrscht. Das Argument: Durch den Bau neuer, hochpreisiger Immobilien würden vor allem ärmere Menschen langfristig aus ihrer Heimat verdrängt. Auch stellt man hier die nicht ganz unberechtigte Frage, ob Bali überhaupt noch mehr Touristen braucht, beziehungsweise überhaupt verkraften kann. 2024 kamen bereits knapp 24 Millionen Menschen aus aller Welt auf die indonesische Insel. Für Kritik sorgt auch, dass die geschätzten drei Milliarden Dollar Baukosten für den Airport wohl von einem chinesischen Konsortium bezahlt werden.
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Eine Sorge ist jetzt schon, dass der neue Flughafen auf Bali sich wegen der zumindest bisher mangelhaften Anbindung an den Rest der Insel als Milliardengrab erweisen könnte. Aktuell braucht man von Denpasar aus in die Region Buleleng, wo er entstehen soll, aufgrund der Straßenverhältnisse drei bis vier Stunden. Im touristisch teils völlig überlaufenen Süden dagegen sind vor allem zur Hochsaison im Juli und August die Straßen derart verstopft, dass es immer wieder Berichte über Urlauber gab, die kilometerweit mit ihrem Gepäck zum Flughafen Bandara International laufen mussten. Dennoch laufen bereits die Sondierungen dafür, ob und wie man dessen Kapazität wenn möglich bis 2031 auf 32 Millionen Fluggäste erhöhen könnte. Schon heute gibt es hier täglich bis zu 400 Landungen und Abflüge.

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Müllproblem und Wassermangel auf Bali

Die Folgen, die der neue Airport für Bali und Buleleng hätte, sind nicht abzusehen. Fest steht nur, die Region ist nicht nur die bevölkerungsreichste der gesamten Insel, sondern auch die mit der höchsten Rate an Arbeitslosigkeit und Armut. Sicher dürften daher nicht Wenige die Aussicht auf neue Perspektiven, die der Tourismus schaffen könnte, begrüßen. Der „Fodor’s Travel Guide“ hat Bali derweil übrigens für 2025 an die Spitze seiner berüchtigten „No-List“ gesetzt, TRAVELBOOK berichtete. Also Liste von Destinationen, die man nicht besuchen sollte. Die Seite kritisiert vor allem das massive Müllproblem, das auf der Insel durch den Overtourism entsteht: So landeten jährlich 33.000 Tonnen Abfall in Balis Flüssen, an Stränden und im Meer. Für die Bewässerung der Felder dringend benötigtes Grundwasser wird zugunsten touristischer Einrichtungen umgeleitet.
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Bereits 2007 mahnte der Umweltschutzverband „WWF“ daher: „Die Entwicklung des Tourismus auf Bali ist schnell und ohne Planung erfolgt. Und das, ohne vorher über Regeln für nachhaltige Entwicklung nachzudenken. Dies hat der Umwelt auf der Insel schweren Schaden zugefügt.“ Letztlich stünde aber nicht nur das fragile Ökosystem, sondern auch die kulturelle Identität Balis in Frage. Sich aus der Abhängigkeit vom Tourismus aber langfristig zu befreien, dürfte so gut wie unmöglich sein. Bereits heute stammt 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus dessen Einnahmen.