24. Februar 2020, 8:37 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Neustrelitz liegt nur anderthalb Stunden von Berlin – und doch Welten entfernt vom Stress der hektischen Großstadt. Naturfreunde finden hier kühle Seen, romantische, kleine Dörfer und sogar einen echten Urwald. TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann verrät, wo und wie Sie in und um Neustrelitz entspannen können.
Gerade wenn es im Sommer heiß ist, kennen viele Städter nur ein Ziel: Den nächsten Badesee. Wer in Berlin lebt, hat dabei besonderes Glück, denn die Millionen-Metropole bietet eine Vielzahl an Gewässern und das häufig sogar innerhalb der Stadtgrenzen. Der Nachteil liegt dabei auf der Hand: Nicht selten haben andere Menschen dieselbe Idee wie man selbst, und in der Folge tritt man sich am Badegewässer der Wahl sprichwörtlich auf die Füße bzw. Decken. Doch von Berlin aus kommt man in unter zwei Stunden bis zur Mecklenburgischen Seenplatte, und das ganz bequem mit der Bahn. An einen Ort, wo es nicht nur reichlich Wasser, sondern auch beschauliche, kleine Dörfer und tiefe wilde Wälder gibt. Willkommen in Neustrelitz, der Weltnaturerbe-Perle vor den Toren Berlins.
Zugegeben, wenn ich von Perle rede, dann ist damit nicht die Stadt Neustrelitz selbst gemeint – denn die hat zwar ihre wunderbaren Ecken, ist aber selbst sicherlich keine Schönheit. Wie an so vielen Orten im ehemaligen Osten stehen hier zahlreiche Gebäude leer, sind verschiedenen Stadien des Verfalls Preis gegeben, Mieten für Ladenflächen oder Privatwohnungen können einem Berliner nur Tränen der Fassungslosigkeit in die Augen treiben: Wie wäre es zum Beispiel mit 10.000 Quadratmeter Bauland für weniger als 30.000 Euro? Wovon Neustrelitz allerdings überreichlich profitiert, ist seine spektakuläre Lage am Zierker See, die alle Arten von Wasser-Tourismus begünstigt.
Entspannung und Seen-Sucht
Der schöne kleine Hafen ist dabei Ausgangspunkt für sämtliche Aktivitäten, von einer entspannten Bootstour über eine Floß- oder Kanufahrt bis hin zu einer gemütlichen Angelpartie, und auch Radfahrer kommen in der Stadt selbst und ihrer Umgebung voll auf ihre Kosten. So verläuft zum Beispiel ein Teil des Radweges Berlin-Kopenhagen durch Neustrelitz. Genauso hat man aber die Möglichkeit, auf Rundwegen die Seen Mecklenburgs zu erkunden, und auch der Havelradweg verläuft hier und führt über Berlin bis nach Wittenberge zur Mündung des Flusses in die Elbe.
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Am Hafen befinden sich auch zahlreiche Restaurants, eine Bar, ein Imbiss sowie der lokale Fischer, der jeden Tag seinen frischen Fang direkt ab Theke verkauft oder für kleines Geld gleich auf den Teller bringt – das ganze garniert mit einem tollen Blick auf den See, dessen Ufer man leider an vielen Stellen nicht betreten kann. Wer bei hohen Temperaturen eine Abkühlung sucht, findet diese am Glambecker See in Form eines sehr schönen Strandbades. Und auch das Gewässer an sich ist eine Perle: Sämtliche Seen in der Umgebung sind Relikte der sogenannten Weichsel-Eiszeit und somit besonders sauber und kühl, weil tief – hier fühlen sich nicht nur unzählige Fischarten wohl, sondern auch Schwimmer. Wenn man dann noch mit einer Tüte obligatorischer Schwimmbad-Pommes am Strand sitzt oder den Ausblick über den See genießt, könnte das Leben kaum schöner sein. Wer möchte, kann um den Glambecker See auch eine gemütliche Runde drehen, ein Spazierweg führt unter Bäumen im Schatten immer am Wasser entlang.
Der geheime Garten
Die Umgebung erkunden kann man auch alle zwei Stunden mit dem Ausflugsbus Linie 619, der von Neustrelitz aus bis an die Feldberger Seenplatte fährt. Ein Highlight der Strecke ist der Naturlehrpfad zu den Serrahner Buchenwäldern, die von der UNESCO als eines der Weltnaturerbe in Deutschland eingestuft wurde. Auf einem großen Teilstück der etwa sechs Kilometer langen Wanderstrecke besteht der gesamte Wald tatsächlich nur aus Buchen jeder Form und jeden Alters, ein seltener, wunderschöner Anblick – umso mehr, wenn man sich klar macht, dass eine einzige Buche an nur einem Tag zwei Kilo Schadstoffe aus der Atmosphäre filtern kann. Der Mensch hat in den Serrahner Buchenwäldern teilweise seit mehr als 50 Jahren nicht mehr eingegriffen, und so eroberte die Natur sich hier ein einzigartiges Biotop zurück.
Einzigartig ist auch das kleine Café von Kristina Lange-Weber, dass sie am Waldesrand auf der Strecke betreibt – den „Job“ hat sie von ihrer Mutter übernommen, die Leidenschaft gleich mit: Sämtliche Dinge stellt sie selbst her, von den Brötchen und dem Kuchen über den Aufstrich bis hin zum Zitronen-Minz-Wasser. Und während man in ihrem blühenden Garten im Schatten sitzt und ihren Geschichten über ein selbstbestimmtes Leben ohne überflüssigen Schnickschnack zuhört, hat man unweigerlich einen dieser Momente, in denen man sehnsüchtig denkt: Das würde ich auch gerne machen. Wenn man dann noch den kleinen Holzkasten vor ihrem Café öffnet und sich ein Glas von dem Honig als Souvenir mitnimmt, den sie ebenfalls selbst herstellt, sind die Natur-Romantik und ein toller Spaziergang komplett. Die genaue Location des Cafés bleibt geheim, aber wer sucht, der wird auch finden.
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Stille und Sterne
Kurz nach der Pause erreicht man dann den Schweingartensee, das optische Highlight der Wanderung, der aussieht, als hätte die Urzeit niemals geendet: Es sind diese archaischen Momente, die eine Wanderung zu etwas wirklich Besonderem machen. Am Ende der Strecke erreicht man das kleine Dörfchen Carpin, von wo aus man den Bus zurück nach Neustrelitz nehmen kann, doch vorher sollte man unbedingt noch ein erfrischendes Bad im Schlesersee nehmen, den man über einen kleinen Weg vorbei an Kornfeldern erreicht.