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Immer weniger Friedhöfe

Warum Singapur keinen Platz für seine Toten hat

Singapur
Hier kann man (noch) trauern: In Singapur verschwinden immer mehr Friedhöfe Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

24. Juni 2020, 7:00 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Weil Singapur immer weiter wächst, kann es seine Toten mitunter nicht mehr angemessen bestatten. Friedhofsflächen werden immer öfter für Bauprojekte geopfert. Der Mangel an Platz treibt zum Teil skurrile Blüten.

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Singapur ist ein Stadtstaat, in dem auf einer Fläche von nur gut 71.000 Hektar über 5,6 Millionen Menschen leben, bis 2030 werden es laut Schätzungen knapp sieben Millionen Einwohner sein. Das heißt aber auch, dass die Stadt auf begrenztem Raum immer weiter wachsen muss – und um diesen Raum zu erschließen, machen die Zukunfts-Planer nicht einmal Halt vor der Menschenwürde. Konkret bedeutet das, dass seit 1978 in Singapur über 150 Friedhöfe verschwunden sind, oder besser gesagt geopfert wurden, nämlich für Bauland.

Laut „Reuters” gab es 1978 noch 213 Friedhöfe in dem Stadtstaat, bei der letzten Zählung 2011 waren es nur noch 60 – man darf davon ausgehen, dass diese Zahl nochmals dramatisch abgenommen hat. Wo früher die letzten Ruhestätten der Verstorbenen waren, befinden sich heute teure Wohngebiete oder Highways, und sogar Singapurs Prachtstraße, die Orchard Road, wo sich Einheimische wie Touristen für teure Shopping-Bummel treffen, ist auf einem alten Friedhof erbaut.

Die Toten können nicht mehr würdevoll bestattet werden

Singapur
Auch in den Kolumbarien gibt es immer häufiger keinen Platz mehr Foto: Getty Images

Dies bringt ein weiteres Drama mit sich, denn die Lebenden können ihre Toten kaum noch angemessen beerdigen, wenn überhaupt – die Regierung der Stadt hält Menschen dazu an, sich nach ihrem Tod einäschern zu lassen, um Platz zu sparen. Doch selbst in den Kolumbarien, also Orten, wo die Urnen würdevoll aufbewahrt werden könnten, wird mittlerweile der Raum knapp. Wer, zum Beispiel aus religiösen Motiven, auf einer „klassischen” Bestattung besteht, der bekommt von der Stadt eine maximale „Liegedauer” von gerade einmal 15 Jahren zugestanden – danach werden die sterblichen Überreste exhumiert und umgebettet bzw. heutzutage meist ebenfalls eingeäschert.

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Allein auf dem örtlichen Bidadari-Friedhof fielen über 100.000 Gräber einem Wohnungsbauprojekt zum Opfer, eine andere Ruhestätte für 80.000 Verstorbene soll jetzt für einen Luftwaffen-Stützpunkt geopfert werden. Die verantwortlichen Behörden sagten dazu laut „Reuters” nur lapidar: „Eine langfristige Land-Planung im an Fläche knappen Singapur sicher zu stellen erfordert manchmal schwierige Entscheidungen.”

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Für viele der chinesisch-stämmigen Singalesen ist das besonders schmerzhaft, denn einmal pro Jahr treffen sie sich normalerweise zu einer rituellen Grab-Säuberung, ein Fest, bei dem sie ihrer Verstorbenen gedenken, deren Gräber von Unkraut befreien und anschließend gemeinsam auf das Wohl der Toten essen und trinken. Auf der Seite „Remember Singapore” kann man sich über das Ausmaß informieren, in dem Friedhöfe in dem Stadtstaat immer weiter verschwinden, dort gibt es auch alte Fotos zu sehen, und man kann die Geschichten einzelner Orte nachlesen.

Wie Singapur in Zukunft mit seinen Toten umzugehen gedenkt, ist unklar, ein Beispiel aus dem nahen China zeigt aber, wohin sich das Ganze entwickeln könnte: Dort will man bis zum Ende des Jahres 2020 eine Kremations-Rate von 100 Prozent erreichen. Vorschlag der Regierung: Die Familien könnten ja für die Verstorbenen Webseiten einrichten, wo sie dann digital ihrer Lieben gedenken. Man kann sich nur wünschen, dass diese Praktiken hierzulande niemals Schule machen werden.

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