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Wegen Klimawandel!

Westfjorde – Islands Fisch-Paradies in Gefahr

Die Westfjorde in Island
Die Westfjorde in Island Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

29.10.2021, 09:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Island – Land der Nordlichter, heißer Quellen, Vulkane und Fischer. Das Land ist längst auch ein Hotspot für Deutsche. Weitgehend verschont vom Tourismus blieben jedoch bislang die Westfjorde. Dorthin reisten unsere Gast-Autoren, erkundeten die Region und sprachen mit Fischern vor Ort. Denn das Paradies ist in Gefahr.

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Hoch oben im Norden von Island, von Menschenmassen verschont, liegen die idyllischen Westfjorde. Wer den sechs Stunden Roadtrip in den hohen Norden scheut, für den gehen auch Flüge vom Domestic Airport in Reykjavik. Wer diesen Weg wählt, hat schon mit dem Landeanflug auf Isafjördur, mit knapp dreitausend Einwohnern die größte Stadt der Westfjorde, das erste Abenteuer. Denn Piloten müssen beim Anflug auf den kleinen, im Fjord gelegenen Verkehrsflughafen wahrlich ihre Flugkünste unter Beweis stellen. Wegen der extrem kurzen Landebahn gilt er als einer der gefährlichsten Flughäfen Europas. Doch einmal gelandet, kann die unberührte Natur genossen werden. Vor allem Wanderer kommen hier auf ihre Kosten.

Von Fjord zu Fjord wandern

Von Fjord zu Fjord führen Wanderwege über schneebedeckte Pässe, grüne Täler und Schafweiden. Eine Jacke ist obligatorisch, auch im Hochsommer wehen hier arktische Winde und lassen die Temperatur kaum über die 15 Grad klettern.

Höhepunkt der Wanderungen in den Fjorden sind die natürlichen heißen Quellen, die es in fast jedem Fjord gibt. Bis zu 44 Grad heißes Wasser sprudelt aus der Erde und macht müde Beine wieder munter. Die mit Abstand schönste heiße Quelle der Westfjorde Islands liegt im Ort Reykjafjördur. Heißes Quellwasser wird hier in einem Pool aufgefangen. Besonders Hartgesottene springen davor ins eiskalte Meer, das nur 50 Meter vom Pool entfernt ist.

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Für Übernachtungen bietet sich das 270 Seelen-Dorf Flateyri an. Das malerische Fischerdorf liegt inmitten von Bergkämmen und der rauen isländischen See. Der einzige Laden in dem Dorf ist ein kleiner Tante-Emma-Laden, in dem man sich mit dem Nötigsten versorgen kann. Auf Airbnb kann man eine traditionelle Fischerhütte mieten, Fischerboot inklusive. Das ist hier weniger außergewöhnlich, als an anderen Orten. Denn: Island ist Land des Fischfangs.

Der Atlantik wird wärmer – eine Katastrophe für die Fischer!

25 Prozent des isländischen BIPs kommen aus dem Meer. Mit 1,2 Prozent des weltweiten Fischfangs liegt Island auf Rang 19. Doch das Fisch-Paradies ist in Gefahr. In den letzten 20 Jahren ist der eiskalte Atlantik um bis zu 1 Grad wärmer geworden. Eine Katastrophe für die Fischer. Die wärmeren Strömungen zwingen Fischarten weiter raus ins offene Meer, unerreichbar für die Fischer Islands. Grund für die Erwärmung der arktischen Meere: der Klimawandel, der auch durch den exzessiven Fischfang der Isländer befeuert wurde. Inmitten der Westfjorde Islands soll die Lösung des Problems liegen: die Fischkulturen von Arctic Fish.

Drei große Fischfarmen liegen im Fjord vor der Stadt Þingeyri. Bernhardur Gudmundsson (37) ist ehemaliger Fischer. Seit 2014 arbeitet er bei Arctic Fish: „Jeder, der hier in den Westfjorden lebt, liebt die Natur. Sie ist der Grund, warum wir hier sind. Sie gilt es mit allem, was wir haben, zu beschützen. Hier lebt man so nachhaltig wie es nur geht.“ Der Fischer weiter: „Das Wetter hier im Norden wird von Jahr zu Jahr immer extremer: Lawinen, Stürme und Springfluten. Ich habe zwei Kinder und mache mir große Sorgen um ihre Zukunft. Sie sollen auch in 30 Jahren noch die Schönheit der Natur genießen. Arctic Fish ist ein Schritt in die richtige Richtung.“

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Die Fischerei arbeitet an Lösungen

Fischerei in den Westfjorden Islands
Man versucht in der Fischerei neue Wege zu gehen Foto: Simon Sticker

Arctic Fish wurde 2011 gegründet und hat sich auf die Zucht von Weißlachs spezialisiert. Mittlerweile kümmern sich 70 Angestellte um die Aufzucht, den Fang und die Fütterung der Lachse in den Fischkulturen. Jede der Kulturen hat 25 Meter Durchmesser, geht 30 Meter in die Tiefe und bietet Platz für 60.000 Fische. Die Firma hat die Lizenz 10.000 Tonnen Lachs pro Jahr zu produzieren und ist ausgezeichnet mit dem ASC-Zertifikat, das für eine verantwortungsvolle Aufzucht steht, und dem MSC-Zertifikat als Auszeichnung für Nachhaltigkeit.

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Außerdem werden alle fünf Zucht-Standorte komplett klimaneutral mit grünem Strom und ohne den Einsatz von Antibiotika. Künftig sollen die Fische auch Algen aus isländischer Zucht bekommen. So will man den Import so klein wie möglich halten.

Auch Gudmundssons Frau Maria arbeitet bei Arctic Fish. Die gebürtige Argentinierin ist Expertin für Agrarkultur. Sie kümmert sich um Nachhaltigkeit und die Gesundheit der Fische: „Besonders stolz bin ich auf die Frischwasser-Kur für die Lachse.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Zuchtbetrieben geht Arctic Fish mit Salzwasser statt Chemie gegen einen Läusebefall der Fische vor. Damit sind sie die erste Fischzucht auf Island, die diese Technik anwendet.

Auch bei den Netzen der Zuchtanlagen steht Nachhaltigkeit an oberster Stelle. Sie werden alle sechs Monate erneuert und sind zu 100 Prozent recycelbar. Wer wissen will, woher nachhaltiger Lachs aus deutschen Kühlregalen kommt, kann bei der Island-Rundreise das 270 Seelen-Dorf besuchen: „Wir laden jeden ein, sich ein Bild zu machen!“ In zehn Jahren will Arctic Fish die Fischzuchten komplett auf das offene Meer verlagern. Dann werden sich die Westfjorde Islands wieder verändern.

Über HEROPEANS

Ein junges Team aus Journalistenschülern von Axel Springer hat Betroffene von Klimakatastrophen getroffen. „HEROPEANS – The People’s Fight Against Climate Disasters“ erzählt die Geschichten von Menschen in Europa, die sich von der Klimakrise vor der eigenen Haustür nicht unterkriegen lassen und handeln.

Alle Videos des Projektes: www.heropeans.com. Mehr Infos zur Journalistenausbildung bei Axel Springer: www.freetech.academy.

Von Simon Czura und Nico Nölken

Themen Europa Island
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