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„Sea Wind“-Mord auf Palmyra

Warum ein Ehepaar auf dieser Trauminsel im Pazifik spurlos verschwand

In den Lagunen des Palmyra-Atolls ereignete sich Grauenhaftes
Die Lagunen des Palmyra-Atolls sind für ihren besonderen Artenreichtum bekannt – und dafür, dass hier einst die Leiche einer Frau versenkt wurde Foto: picture alliance / blickwinkel/imagesandstories
Larissa Königs
Larissa Königs Autorin

8. Juni 2024, 7:22 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Mitten im Nirgendwo, noch 1000 Kilometer von Hawaii entfernt, befindet sich das Palmyra Atoll, ein abgeschiedenes Insel-Paradies. Hierhin reisten 1974 Muff und Mac Graham, ein Ehepaar aus den USA, mit ihrem Segelboot „Sea Wind“ – eine Reise, die sie nicht überleben sollten. Wenige Jahre später wird die Leiche von Muff Graham gefunden, Mac Graham ist bis heute verschollen. Was geschah damals auf Palmyra Island? TRAVELBOOK ist dem Fall auf den Grund gegangen.

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Palmyra Island ist eine circa 12 Quadratkilometer große Insel, die sich zwischen Hawaii und Amerikanisch Samoa befindet. Egal in welche Richtung man von hier aus blickt, es gibt Hunderte Kilometer lang kein Festland. Wegen der abgeschiedenen Lage gibt es keine dauerhaften Bewohner – jedoch immer wieder Besucher, die nach Abgeschiedenheit dürsten. Zwei von ihnen: Malcom „Mac“ Graham, 43 Jahre alt, und LaVerne „Muff“ Graham, 42 Jahre alt, die späteren Opfer der Morde auf Palmyra.

Sie stammten aus San Diego in Kalifornien, und waren wohlhabend und eher konservativ. Dennoch entschieden sie sich zu einem Abenteuer, und brachen Anfang der 1970-er Jahre zu einer Weltumseglung auf ihrem Boot, der „Sea Wind“, auf.

Sie wollen wissen, wie Muff und Mac Graham aussahen? Hören Sie in unsere neue Podcast-Folge rein!

Im Jahr 1974 war die große Weltreise der Grahams eigentlich vorbei und sie hatten ihre Endstation in Hawaii erreicht, planten aber noch einen längeren Aufenthalt auf Palmyra, dem Atoll, das sie schon vorher besucht hatten. Am 24. Juni 1974 brachen sie auf und kamen am 2. Juli auf der Insel an. Doch statt ungestörter Ruhe bekamen beide Gesellschaft von einem anderen Paar.

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Zwei Paare, eine Insel und großes Konfliktpotenzial

Neben den Grahams entdeckten auch Duane „Buck“ Walker und Stephanie Stearns die Insel für sich. Als die Grahams auf Palmyra ankamen, war Buck Walker bereits vorbestraft. Wie aus einem Artikel der L.A. Times aus den 1980er Jahren hervorgeht, begann Buck Walkers kriminelle Karriere schon als Teenager, damals lebte er noch in Oregon. Ab den 1960er Jahren war er immer wieder in Gefängnissen. Im Jahr 1972 zog er nach Hawaii, wo er Stephanie Stearns kennenlernte und mit ihr eine Beziehung begann. Stearns kam, im Gegensatz zu Walker, aus einem wohlhabenden Elternhaus und wuchs behütet auf. Das Glück der beiden war zunächst nur von kurzer Dauer, denn nach nur einem Jahr Beziehung, 1973, wurde Buck wieder verhaftet, nachdem er auf einem Parkplatz Drogen verkauft hatte. Er bekannte sich vor Gericht schuldig und wurde auf Bewährung freigelassen – hielt sich aber nicht an eben jene, sondern flüchtete nach Palymra.

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Dort wollte er der Justiz entgehen und Cannabis anbauen. Doch der Plan scheiterte – auch, weil weder Buck noch Stephanie gut geplant hatten. Ihr Boot war für Fahrten auf hoher See kaum geeignet, keiner von beiden konnte gut segeln und ihre Vorräte waren in kürzester Zeit aufgebraucht. Hilfe gab es vonseiten der Grahams auch nicht, dafür waren die Paare zu verschieden, wie auch Historiker Dr. Sean Munger TRAVELBOOK bestätigt: „Auch wenn Buck und Stearns keine klassischen Hippies waren, sahen die Grahams sie als solche, zumindest Zeugenaussagen nach. Es gab Konflikte, weil sie aus verschiedenen Kulturen kamen; Konflikte wegen politischer Ansichten; und einfach Konflikte wegen der unterschiedlichen Persönlichkeiten.“

Was geschah mit Muff und Mac Graham?

Mit der Zeit beginnt zumindest Muff Graham Buck Walker zu fürchten. In einem Artikel der „L.A. Times“ aus der Zeit des späteren Gerichtsprozesses werden andere Segler zitiert, Marilyn Pollack und ihr Mann, die auch auf Palmyra waren in jenem Sommer. Pollack berichtet, Walker habe beunruhigendes Verhalten an den Tag gelegt: So heißt es etwa, er habe gelegentlich versucht, Fische zu töten, indem er mit einer Pistole auf sie schoss. Muff Graham habe Pollack angeblich sogar angefleht, nicht zu fahren, weil sie so große Angst hatte. Eine Angst, die sich als gerechtfertigt herausstellen sollte. Denn irgendwann zwischen dem 28. und 30. August 1974 verschwinden die Grahams spurlos.

Laut Stephanie Stearns sei das Ehepaar in seinem Schlauchboot zum Fischen aufgebrochen. Stearns und Walker hätten später dann das verlassene Schlauchboot der Grahams am Strand gefunden und, angeblich, noch tagelang nach dem verschollenen Ehepaar gesucht. Am 11. September 1974 hätten sie die Suche aber aufgegeben. Gemeldet haben sie das Verschwinden der Grahams allerdings nie.

Stattdessen versenkten sie ihr eigenes Boot und segelten mit der „Sea Wind“, dem Schiff der verschollenen Grahams, nach Hawaii. Dort angekommen, ließen sie das Boot neu streichen und änderten den Namen, etwas, das in Seefahrerkreisen Unglück bringen soll. So erregte die Aktion mehr Aufsehen als zunächst vermutet. Ein Bekannter der Grahams erkannte zudem die „Sea Wind“ trotz der neuen Lackierung wieder – und alarmierte die Polizei. Man nahm Buck Walker und Stephanie Stearns fest und verurteilte beide, zunächst aufgrund mangelnder Indizien, nur wegen Diebstahls.

Im Hafen von Hawaii, im dortigen Yacht Club, wurden Stephanie Stearns und Buck Walker entdeckt
Im Hafen von Hawaii, im dortigen Yacht Club, wurden Stephanie Stearns und Buck Walker entdeckt Foto: Getty Images

1981 geht der Mord von Palmyra vor Gericht

Lange fehlten die Bewiese dafür, dass es überhaupt ein Verbrechen, geschweige denn einen Mord auf Palymra gab. Doch das änderte sich 1981, als eine bis dato unbeteiligte Besucherin auf Palmyra Knochen in der Lagune entdeckte, die aus einer Box an den Strand gespült worden waren. Es stellte sich heraus, dass es die Überreste von Muff Graham waren, ihr Körper war dafür zerstückelt worden. „Man fand nie etwas von Mac – aber da sie nun eine Leiche hatten, und es klar war, dass es Mord war, weil es zum Beispiel Anzeichen gab, dass jemand versucht hatte zu verhindern, dass man die Leiche identifizieren kann, wurden beide, Walker und Stearns, verhaftet“, berichtet Sean Munger.

Nun wurden Walker und Stearns separat voneinander vor Gericht gestellt und des Mordes an Muff Graham beschuldigt. Doch obwohl es logisch scheint, dass beide zusammen die Tat verübten, wurde nur einer verurteilt: Buck Walker.

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Mordete das Paar gemeinsam oder war nur einer der Täter?

Stephanie Stearns wurde in dem Prozess verteidigt von Star-Anwalt Vincent Bulliosi, der später auch Co-Autor des Buchs und späteren Films „And the Sea will tell“ wurde, welche den Fall rund um den Mord auf Palmyra beschreiben. Bulliosi zweifelt zunächst, dass Stephanie Stearns trotz ihrer Anwesenheit auf Palmyra nichts von dem Mord wusste, ändert aber relativ schnell diese Ansicht und plädiert darauf, dass sie unschuldig sei und Buck Walker alleine gemordet habe. Dafür führte er vor allem zwei Beweise an.

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Zum einen die Tatsache, wie Muff Grahams Leichnam gefunden wurde. Da die Leiche in einer Box gefunden wurde und es Anzeichen gab, dass der Täter den Mord vertuschen wollte, ist anzunehmen, dass es sich nur um einen Täter gehandelt habe. Hätten Stearns und Walker als Team gearbeitet, hätte es zudem einfachere Möglichkeiten gegeben, den Mord zu verschleiern. „Logisch betrachtet: Warum hätten die Mörder der Grahams so einen Aufwand betrieben, wenn beide beteiligt gewesen wären?“, bestätigt Sean Munger. „Wenn Stearns und Walker den Mord zusammen begangen hätten, wäre der logische Weg gewesen, die Grahams umzubringen, ihre Körper an Bord der „Sea Wind“ zu schaffen, dann Hunderte Meilen rauszusegeln, in die Mitte des Pazifischen Ozeans, und dann einfach die Leichen dort über Bord zu werfen. Die Chance, dass die Leichen jemals gefunden werden, liegen praktisch bei null.“

Gegen Stephanie Stearns als Täterin spricht zudem, dass Buck Walker von ihr abhängig war, unter anderem durch ihre deutlich besseren Segelfähigkeiten. Sie hätte das Boot aus dem Atoll bringen können, Buck Walker nicht. Er hätte somit zumindest ein Motiv, warum er den Mord vertuschen wollte. Zudem wurde Stearns, im Gegensatz zu Walker, auch nie aktiv beschuldigt. Ob sie wirklich nichts vom Vorgehen wusste, bleibt allerdings offen – sowie auch die Frage, was wirklich auf Palmyra geschah. Denn auch Buck Walker gestand nie.

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Was wurde aus Buck Walker und Stephanie Stearns?

Dennoch wurde er im Juni 1985 wegen des Mordes an Muff Graham verurteilt und nach 2,5 Stunden Beratung der Jury schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde im US-Gefängnis in Victorville in Kalifornien inhaftiert, wo er bis 2007 blieb, dann aber vorzeitig entlassen wurde, da er Krebs im Endstadium hatte. Nach seiner Entlassung schrieb er noch ein Buch, in dem er seine eigene Version der Geschichte aufschrieb. Ihm zufolge sei es ein Liebesdreieck gewesen, er habe eine Affäre mit Muff Graham gehabt und als ihr Mann davon erfahren habe, sei die Lage eskaliert. Diese Version der Geschichte ist sowohl unglaubwürdig als auch in vielen Punkten widerlegt. Fakt ist, dass Walker zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits krank war. 2010 ist er im Alter von 72 Jahren gestorben.

Was aus Stephanie Stearns wurde, ist nicht bekannt. Sie wurde freigesprochen und scheint danach bewusst ein Leben außerhalb der Öffentlichkeit gewählt zu haben.

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Was wurde aus Palmyra?

Tatsächlich ist der Zugang nach Palmyra heute nur noch sehr begrenzt möglich. Seit Oktober 2000 gehört das gesamte Atoll der Umweltorganisation The Nature Conservancy. Zudem ist Palmyra seit 2001 ein Bestandteil des United States Pacific Islands National Wildlife Refuge Complex und wird vom U.S. Fish & Wildlife Service verwaltet. Der Besuch des Atolls ist zwar möglich, unterliegt aber strenger Limitierung und Reglementierung. Grund ist, dass die Natur geschützt werden soll – auch, weil es bis Anfang der 2000er Jahre eine gigantische Rattenplage wegen der Besucher auf der Insel gab.

Laut der Seite der Nature Conservancy gibt es nur vier Möglichkeiten, auf die Insel zu kommen. Das liegt daran, dass das Unternehmen die einzige Flugzeuglandebahn auf Palmyra hat und daher gut kontrollieren kann, wer die Insel besucht. Mögliche Gründe für einen Besuch sind, wenn man für die Gesellschaft arbeitet, wenn man eine Sondergenehmigung Forschungszwecken hat, mit einer expliziten Einladung durch die Nature Conservancy, oder wenn man privat mit einem Freizeitsegel- oder Motorboot anreist. Allerdings dauert die Reise von Honolulu aus circa fünf bis sieben Tage und muss vorher erst genehmigt und abgesprochen werden. Und so bleibt das kleine Atoll weiterhin weitgehend von Besuchern verschont – vermutlich ist das am besten für alle.

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