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„Atlantis der Nordsee“

Sensationsfund! Forscher entdecken Kirche der sagenumwobenen Siedlung Rungholt 

Rungholt bei Hallig Suedfall
Lange hat man geforscht, nun konnte bewiesen werden: Rungholt, das Atlantis der Nordsee, liegt in der Nähe von Hallig Südfall im Wattenmeer begraben Foto: picture alliance / blickwinkel/C. Kaiser | C. Kaiser
Susanne Resch
Susanne Resch

25.05.2023, 13:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Zwischen der Insel Pellworm und der Halbinsel Nordstrand hat das sagenumwobene Rungholt gelegen, bevor eine Sturmflut es vor gut 700 Jahren im Meer begrub. Nun haben Forscher die über Jahrhunderte im Wattenmeer verschollene Kirche der Siedlung entdeckt. Warum das ein Sensationsfund ist.

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Das Wattenmeer und das Marschland der nordfriesischen Inseln sind eine außerordentliche Landschaft. So tauchen die sogenannten Halligen je nach Laune der Gezeiten aus dem Meer auf oder werden von den Wellen begraben. Trifft eine Sturmflut die fragilen, kleinen Marschinseln, die nur ganz knapp über dem Meeresspiegel liegen, können sie sogar ganz vernichtet werden oder für immer im Meer versinken. Über eine dieser untergegangenen Halligen gibt es bis heute viele Sagen: die Siedlung Rungholt auf der Insel Strand. Rungholt galt lange als Mythos – nun bestätigt ein Fund nicht nur dessen Existenz, sondern gibt auch Aufschluss über die Lage. Denn ein Forscherteam hat Teile der Kirche Rungholts gefunden, die über Jahrhunderte im Wattenmeer begraben lagen, wie aus einer gemeinsamen Pressemitteilung des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein, des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Johannes Gutenberg-Universität hervorgeht.

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Die gefundenen Kirchenteile: Ein Sensationsfund

Seit 1362 vermisst, konnten die Forscher des wissenschaftlichen Gemeinschaftsprojekts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) sowie des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein (ALSH) die untergegangene Kirche von Rungholt im Wattenmeer lokalisieren. Damit konnte auch eine 100-jährige, viel diskutierte Forschungsfrage geklärt werden. Nämlich, wo genau sich das versunkene Rungholt geografisch befindet. Das Forscherteam hat in der Nähe der Hallig Südfall eine etwa zwei Kilometer lange Kette bestehend aus mittelalterlichen Warften, also künstlicher Siedlungshügel, ausmachen können. Eine dieser Warften zeigt Strukturen, die die Forscher zweifelsfrei den Fundamenten einer Kirche von 40 mal 14 Meter Größe zuordnen konnten.

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Bohrungen und gezielte Ausgrabungen haben zudem erste Einblicke zum Aufbau und zu den Fundamenten der Kirche von Rungholt ergeben. „Damit reiht sich der Fund in die großen Kirchen Nordfrieslands ein“, erklärt Dr. Bente Sven Majchczack, Archäologe im Exzellenzcluster ROOTS an der CAU Kiel. Dr. Ruth Blankenfeldt, Archäologin am ZBSA erläutert zudem: „Die Besonderheit des Fundes liegt in der Bedeutung der Kirche als Mittelpunkt eines Siedlungsgefüges, das in seiner Größe als Kirchspiel mit übergeordneter Funktion interpretiert werden muss.“

Rungholt
Das Forscherteam bei der Arbeit Foto: Ruth Blankenfeldt, Schleswig

Sagenumwobenes Rungholt

Der Journalist und Historiker Henning Aubel berichtet in seinem Buch „Das Buch der unheimlichen Orte in Deutschland“ im ersten Kapitel über die Sage von Rungholt. Demnach war die Siedlung Mitte des 14. Jahrhunderts eine bedeutende Hafenstadt, die sowohl mit Bremen und Hamburg Handel betrieb als auch mit anderen Ländern.

Ihren Reichtum verdankte Rungholt vor allem dem Abbau und Handel mit Torfsalz, damals ein kostbares Gut, mit dem man Fleisch und andere Lebensmittel für längere Zeit haltbar machen konnte. Die Existenz von Rungholt ist jedoch nicht nur aus Sagen und Liedern übertragen, sondern auch aus Handelsdokumenten von Hamburger Kaufleuten und anderen historischen Quellen, wie etwa einem Testament. Fest steht, dass es die Stadt zwischen Pellworm und Nordstrand wirklich gegeben hat und dass sie zerstört wurde. Aber warum?

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Nach einer Legende von Gott vernichtet

Ähnlich wie in der Atlantis-Legende bei Plato soll der Reichtum die Bewohner Rungholts verdorben und selbstsüchtig gemacht haben: Aubel berichtet von einer 1666 aufgezeichneten Erzählung, nach der zwei beschwipste Bauern ein Schwein betrunken gemacht hätten. Danach hätten sie den Priester der Insel gerufen, um dem gequälten Tier die letzte Ölung zu reichen. Als der Priester die beleidigende Bitte verweigert habe, schütteten die Bauern Bier über die Hostien, die Oblaten, die das Brot des letzten Abendmahls repräsentieren. Daraufhin habe der Priester Gott gebeten, die Bewohner Rungholts für ihre Gotteslästerung zu bestrafen.

Karte der versunkenen Siedlung Rungholt
Eine Rekonstruktion der Karte von Rungholt aus dem Jahr 1652 Foto: picture-alliance/ dpa | Horst Pfeiffer

In Aubels Buch heißt es: „Kaum hatte der Priester sich in Sicherheit gebracht, brach die Sturmflut über Rungholt herein. Seitdem soll die Stadt unversehrt auf dem Meeresgrund stehen. Und noch lange hat man sich erzählt, dass bei windstillem Wetter ihre Kirchenglocken zu hören sein.“

Soweit die Legende. Das Einzige daran, was belegt ist, ist die Jahrhundertflut, die 1362 wohl tatsächlich über die Insel hereinbrach und Rungholt vernichtete. Bis heute nennt man diese Naturkatastrophe, die Tausende Menschen tötete, das „Große Menschenertrinken“. 300 Jahre später sollte eine zweite Springflut die Insel treffen und sie für immer auf den Meeresgrund ziehen.

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Erst 1921 wurde Rungholts Existenz endgültig bewiesen

Nachdem Jahrhunderte lang keine Überreste der Siedlung im Wattenmeer aufgetaucht waren, begannen viele Menschen zu glauben, Rungholt sei eine reine Legende.

Im Jahre 1921 schließlich fand der Heimatforscher Andreas Busch im Watt Spuren der alten Hafenstadt: aufwendig verzierte Keramik-Krüge, Überreste von Häusern und Zisternen. Spektakulär war auch die Entdeckung von ausländischen Produkten: etwa eine maurische Kanne aus Spanien und skandinavische Keramik. Diese Zeichen des internationalen Handels beweisen, wie bedeutend Rungholt für seine geringe Größe gewesen sein muss. Einen Teil dieser Funde kann man heute im Rungholt-Museum auf Pellworm und im Nordsee-Museum Husum begutachten. Von der Insel Nordstrand aus werden Wattwanderungen zu dem vermuteten Standort des früheren Rungholt angeboten.

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Funde aus der versunkenen Siedlung Rungholt
Keramikfunde aus dem Rungholt-Watt Foto: picture-alliance/ dpa | Horst Pfeiffer
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Auch in der Ostsee gab es eine sagenumwobene Handelsstadt

Rungholt ist nicht die einzige sagenumwobene Handelsstadt in deutschen Gewässern. Eine andere berühmte Legende dreht sich um die untergegangene Stadt Vineta in der Ostsee. Auch sie soll eine reiche, aber moralisch verdorbene Stadt gewesen sein, die Gott mit einer Sturmflut vernichtet haben soll.

Themen #amex Nordsee
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