25. Juli 2020, 6:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Tief, grün und dunkel – das Tauchen im nordhessischen Edersee ist schon tagsüber ein Abenteuer. Doch wer den See von einer neuen Seite kennenlernen will, steigt nachts hinein.
Dunkelheit ist für Taucher im Edersee nichts Außergewöhnliches. Je nach Tageszeit, Tiefe und Sichtweite geht in dem nordhessischen Stausee schnell das Licht aus. Doch an diesem Tag wird etwas anders sein: „Heute ist es auch dunkel, wenn wir auftauchen“, sagt Tauchlehrer Stefan Pape.
Der Inhaber einer Kasseler Tauchschule steht mit seinen zwei Schülern, Constantin Mühr (24) und Justina Fuchs (33), am Rande des Sees, während das Abendrot am Himmel langsam verglimmt. Die drei Taucher wollen heute einen Nachttauchgang machen.
Abends kehrt Stille am Edersee-Ufer ein
Während des Sommers pulsiert tagsüber das Leben am Edersee: Über die kurvenreiche Uferstraße flitzen Motorradfahrer, in Buchten wird gebadet, im Wasser ziehen Boote Kreise. Abends wird es dagegen still am Ufer. Als die drei Taucher ihre schwere Ausrüstung zum Wasser tragen, sind sie allein. Der Fußweg zum Ufer ist etwas weiter als im Frühjahr, denn der Stausee hat bereits viel Wasser verloren.
Ziel der Taucher ist die Dorfstelle Berich, ein Teil des sogenannten Edersee-Atlantis. Die Reste verlassener Dörfer auf dem Grund des Sees werden je nach Wasserstand sichtbar oder sogar begehbar. Doch noch reicht das Wasser zum Tauchen: Bis zu 20 Meter soll es heute in die Tiefe gehen. 19 Grad ist das Wasser warm – oder kalt, je nach persönlichem Empfinden und der Dicke des Neoprenanzugs. Eine Dreiviertelstunde wollen die Taucher unterwegs sein. Im dunkelgrünen Wasser wartet unter anderem eine Klostermauer.
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Verständigung per Lampenschein
Pape taucht seit mehr als 20 Jahren. Mühr und Fuchs haben erst im März und Oktober 2019 mit dem Sport begonnen. Trotzdem wirken sie entspannt. „Das ist mal was anderes, ich hoffe, dass man mehr Fische sieht“, sagt der 24-Jährige. Eine besondere Bedeutung hat für die Taucher die Lampe: „Wir verständigen uns mittels des Lampenscheins“, erklärt Pape. Der Taucher an der Spitze sehe durch die Lichtkegel, dass die nachfolgenden noch hinter ihm sind. Zudem gibt es Zeichen: Ein langsames Kreisen bedeutet beispielsweise „OK“.
Ohne Lampe geht im Wasser nicht viel: Drei Meter weit kann man an diesem Tag ungefähr sehen. „Das ist Mittelmaß für deutsche Gewässer“, sagt Mühr.
Grundsätzlich ist Nachttauchen in Deutschland ohne speziellen Tauchschein möglich. „Mehr Erlebnis, Spaß und Sicherheit hat man natürlich, wenn man ein Nachttauchbrevet macht“, sagt Carsten Schneider, Landesausbildungsleiter des Hessischen Tauchsportverbands (HTSV). Ein Brevet ist ein Tauchschein. Anforderungen und Kosten variieren nach Verband. Zu den bekanntesten gehören die Ausbildungsorganisation PADI und der Verband Deutscher Sporttaucher (VDST), zu dem der HTSV gehört. Auf 45 bis 150 Euro schätzt Schneider die Kosten, je nachdem ob man in einem Verein oder einer Tauchschule lernen will.
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Nachts ist mehr Mut erforderlich
Ein bisschen mehr Mut als bei einem Tagtauchgang sollte man aber schon mitbringen. „Nachts ist vieles anders“, erklärt Schneider. Man sehe Lebewesen, die sich tagsüber versteckten wie Aale sowie Flusskrebse und jagende Hechte. Auch fluoreszierende Lebewesen könne man mit dem richtigen Licht entdecken. Die Zahl der frei zugänglichen Tauchgewässer ist laut Schneider aber hierzulande begrenzt: „Da sind wir in Hessen nicht so reich gesegnet.“
Unterdessen sind die Taucher am Edersee fast fertig zum Abtauchen. Nötig ist allerdings noch der „Buddycheck“ – die gegenseitige Kontrolle der Ausrüstung. Ist die Flasche offen? Funktioniert das Licht? Wo sitzt was am Körper des anderen? Für den Notfall müsse man wissen, wie die Ausrüstung der Partner angeordnet ist, sagt Pape. Er erklärt die geplante Strecke, dann geht es ins tiefe Wasser. Die Taucher lassen die Luft aus ihren Westen, das verringert den Auftrieb. Blasen steigen auf, als sie im Dunkel verschwinden.