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Survival-Serie, Teil 2 – Überlebenstipps für den Urwald

So überleben Sie jeden Dschungel-Trip

Sie haben sich im Dschungel verlaufen? Lesen Sie hier, wie Sie da wieder heil rauskommen
Sie haben sich im Dschungel verlaufen? Lesen Sie hier, wie Sie da wieder heil rauskommen Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

9. November 2015, 18:33 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich im Dschungel verlaufen und irren nun durch dichten Urwald voller gefährlicher Tiere. Keine angenehme Vorstellung – vor allem, wenn man überhaupt keine Ahnung hat, wie man sich bei Gefahr verhalten soll. Überlebensexperte Rüdiger Nehberg verrät im zweiten Teil der „Survival-Serie“, wie Sie Wunden verarzten, sich vor angreifenden Schlangen und Krokodilen schützen – und warum es manchmal hilft, Larven einfach aufzuessen.

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Ob als Tropen-Tourist, der im Dickicht des Urwaldes seine Reisegruppe verlor, ob als einziger Überlebender eines Flugzeugabsturzes im Dschungel oder als ganz bewusster Gefahrensucher – manchmal ist es lebenswichtig, zu wissen, wie man sich in der Wildnis verhalten soll. Wir fragten den Survival-Experten Rüdiger Nehberg nach den wichtigsten Tipps und Tricks.

TRAVELBOOK: Herr Nehberg, nehmen wir mal an, ich habe mich aus irgendwelchen Gründen im Dschungel verlaufen. Was soll ich tun?
Rüdiger Nehberg: Sind Sie in feindlichem Gebiet, halten Sie die Klappe, machen Sie sich bestmöglich unsichtbar und hinterlassen Sie keine Spuren. Sind Sie in Freundesland, machen Sie sich sicht- und hörbar. Knallen Sie mit einem dicken Knüppel an starke Stämme – manche wirken wie Trommeln. Sie können auch rufen, doch das verschluckt der Wald nach wenigen Metern. Gehen Sie dann bergab, damit Sie auf einen Bach oder Fluss stoßen – folgen Sie ihm mit der Strömung, auch wenn es Tage dauert. Er führt hundertprozentig zu Menschen.

Wie schütze ich mich vor Insekten und anderen Krabbeltieren?
Niemals auf dem Boden schlafen! Dort eliminieren Sie die Insekten (Ameisen, Termiten…) innerhalb einer Nacht. Machen Sie sich aus Baumrinden oder Lianen eine Hängematte. Oder bauen Sie sich aus Ästen ein waagerechtes Gestell wie eine Bank, wobei Sie die vier Y-förmigen Füße des Gestells im Feuer anbrennen, damit sie verkohlen. Warum? Insekten hassen Kohle. Wenn Sie kein Moskitonetz haben, reiben Sie Ihre Haut mit Asche oder Holzkohle ein.

Apropos: Wie mache ich Feuer?
Das hängt davon ab, was einem zur Verfügung steht. Ich hatte im Urwald normalerweise ein Feuerzeug dabei. Mit Holzreibung sieht es schlecht aus, weil im Dschungel alles feucht ist. Haben Sie einen Tampon, dann schaffen Sie es mit Reibung. (Die genaue Beschreibung der Praktik wird in Nehberg Buch Überleben ums Verrecken ausführlich erklärt). Und wenn nicht, lässt es sich auch ohne Feuer gut leben.

Das Feuer nachts ausmachen oder besser brennen lassen?
Wenn Sie ein Feuer haben, lassen Sie es während der Nacht brennen oder glühen, das lockt die lästigen Fluginsekten an. Viele verbrennen im Feuer, andere hält der Rauch fern. Suchen Sie sich rechtzeitig ausreichende Mengen dickes Holz, dann müssen Sie nicht so oft nachlegen. Wenn Sie am Flussufer Geröll- oder Sandfelder finden, können Sie auch auf dem Boden schlafen. Das Beste ist aber ein Moskitonetz.

Und wie schütze ich mich vor großen, gefährlichen Tieren?
Im Dschungel sind es vor allem die Großkatzen, vor denen ich Respekt hatte, sowie Riesenschlangen und Krokodile. Alle Tiere meiden Feuer, Qualm und verschlossene Zelte. Bei direkter Begegnung mit Großkatzen keinesfalls weglaufen. Das ermutigt sie, anzugreifen. Wenn Sie mit ihnen rechnen, machen Sie ständig Lärm. Normalerweise gehen sie Menschen aus dem Weg.

Was tun, wenn Krokodile in der Nähe sind?
Kaimane meiden den Menschen fast immer. In Afrika aber gibt es die aggressiven Nilkrokodile – die scheuen vor nichts zurück. Man entgeht ihnen, indem man nicht zu nah am Wasser zeltet, Feuer unterhält und/oder einen dicken Wall aus trockenen Ästen ums Zelt legt, quasi als Alarmanlage.

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Um sich vor Krokodilen zu schützen, sollte man nicht zu nah am Wasser zelten, rät Rüdiger Nehberg. Foto: dpa

Und wenn sich eine Riesenschlange um mich herum wickelt?
Wer tatsächlich von einer Riesenschlange umwickelt werden sollte, hat nur noch die Chance, ihr mit den Fingern in die Augen zu stechen – sofern er die Hände frei hat. Vielleicht lässt sie dann los. Ist ein Helfer zur Stelle, kann der die Schlange vom Schwanz her abwickeln. Das muss relativ schnell gehen. Ich habe mich einmal unter Aufsicht von einer schenkeldicken Vier-Meter-Felsenpython probewürgen lassen. Nach nur anderthalb Minuten bekam ich keine Luft mehr.

Was, wenn mich eine Schlange beißt?
Bei Giftschlangen: Wenn man kein Gegengift hat, sieht es schlecht aus. Man sollte aber wissen, dass die meisten Schlangen, auch wenn sie beißen, ungiftig sind. Also Panik bestmöglich vermeiden. Viele Gebissene sterben nicht am Gift der Schlange, sondern infolge der Panik. Statt wegzulaufen, ist es ratsam, sich hinlegen, abzuwarten und zu beten. Das ist leider leichter gesagt als getan.

Wie fühlt es sich an, wenn man von einer giftigen Schlange gebissen wurde?
War es eine Viper, schmerzt es augenblicklich, die Bissstelle schwillt an, Blut tritt aus. Mich hat einmal eine junge Viper (Buschmeister) gebissen. Weil wir zuvor mit ihr über eine Stunde lang gefilmt hatten, hatte sie ihr Gift bereits bei Bissen in die Kamera vergeudet. Die Giftmenge, die ich abbekommen hatte, sorgte zwar für einen Lymphe-Blutausfluss und eine Schwellung, doch die Schwellung nahm nicht dramatisch zu. Der Körper hat das wenige Gift dann selbst verkraftet. Nach 14 Tagen waren Schwellung und Juckreiz verschwunden.

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Wer von so einer Riesenschlange gewürgt wird, hat es schwer, sich aus ihren Fängen zu befreien. Foto: Getty Images

Was, wenn es eine Kobra war?
Dann besteht die große Chance, den Gebissenen zu retten. Ihr Gift ist kein Blutgift wie das der Viper. Ihr Gift lähmt sehr schnell das Nervensystem, die Lunge bekommt keine Impulse mehr zu atmen. Das Opfer erstickt, während das Herz noch weiter schlägt. Solche Patienten kann man manchmal retten, wenn man sie lang genug von Mund zu Mund beatmet. Um das Herz muss man sich dabei nicht kümmern. Kobras sind im Zubeißen langsamer als Vipern. Man kann ihren Kopf blitzschnell zur Seite schlagen und sich ein paar Meter zurückziehen. Schlangen können den fliehenden Menschen nicht einholen.

Und bei Spinnen und Skorpionen?
Bei Spinnenbissen oder Skorpionstichen kann man ebenfalls davon ausgehen, dass der Körper damit selbst fertig wird. Die Giftmengen sind für Mäuse und Vögel bestimmt. Nicht für den Koloss Mensch.

Wie kann man verhindern, überhaupt gebissen zu werden?
Ich empfehle hohes Schuhwerk und lange Hosen. Und treten Sie laut auf. Schlangen hören zwar nicht, aber sie spüren die Erschütterungen – und verschwinden. Der Mensch ist nicht ihr Futtertyp. Grundsätzlich fasst man nicht blindlings in Löcher, unter Steine und andere mögliche Zufluchtsorte solcher Tiere.

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Ich bin verletzt, habe ein gebrochenes Bein oder offene Wunden. Wie kann ich mich selbst verarzten?
Ein Beinbruch im Dschungel ist für den Alleinwanderer tatsächlich die größte Gefahr. Er muss die Selbstüberwindung aufbringen, sich alleine zu schienen und aus Astgabeln zwei Krücken zu bauen. Wenn er einen Fluss findet, kann er sich treiben lassen. Dazu sollte er sich eine Schwimmhilfe bauen, die ihn unabhängig macht von allen Schwimmbewegungen. (Mehr dazu in Nehbergs Buch Medizin Survival.)

Warum sind offene Wunden so gefährlich?
Offene Wunden müssen bestmöglich und schnell gesäubert und verbunden werden, damit nicht die angelockten Insekten ihre Eier in die Wunden legen. Einige Larven schlüpfen schon nach Stunden, andere nach Tagen. Als mich ein Hubschrauber ohne Ausrüstung (bis auf T-Shirt, Badehose, Sandalen) am Seil in den Regenwald abgeseilt hat, ist es einigen Dasselfliegen gelungen, ihre Eier abzulegen. Die Folge waren Geschwürbildungen und starke Schwellungen, bis irgendwann statt Eiter je eine Dassellarve zum Vorschein kam – groß wie zwei Erbsen. Da sie aus meinem Fleisch und Blut entstanden war, habe ich sie aufgegessen. Ich weiß seither, wie ich schmecke. Nach drei Wochen war ich aus dem Wald wieder raus. Die letzte Dassellarve hat mir ein Chirurg in Hamburg rausoperiert. (Mehr dazu in Nehbergs Buch Abenteuer Urwald)

Was machen Einheimische gegen dieses Problem?
Indianer legen auf die Dassel-Wunden Speckschwarten, die fest an den Körper gebunden werden. Der Larve wird damit die Luftzufuhr abgeschnitten. Sie kommt den bis zu vier Zentimeter langen Gang zurückgekrochen und frisst sich in die Speckschwarte.
Im Übrigen muss es einen nicht grausen vor Fliegenmaden in Wunden. Sie naschen alles vergammelte Fleisch weg und halten so die Wunden sauber.

Wie schütze ich mich vor extremer Hitze am Tag bzw. vor Kälte in der Nacht?
Extreme Hitze gibt es im Dschungel nur außerhalb des Schattens der Bäume. Also bleibt man im Schatten oder im Wasser und geht mit bloßem Oberkörper – wie die Indianer. Dieser  Rat gilt nicht für Wüsten! Die nächtliche Kälte im Dschungel ist erträglich. Es genügt oft schon sehr wenig Garderobe. Glatzköpfe bedecken den Kopf, weil sie dort sehr viel Wärme verlieren. Sonst macht man ein Feuer oder bleibt in Bewegung, um tagsüber auszuruhen.

Wo finde ich Wasser?
Faustregel 1: Bergab – das führt zu Bächen und Flüssen. Faustregel 2: In dicken Lianen findet man Wasser. Man hackt sie unten ganz ab und in zwei Metern Höhe halb durch. Dann strömt ein super leckeres Wasser heraus. Ideal auch als Dusche.

Woran erkenne ich, ob die vorhandenen Pflanzen essbar sind?
Sie sollten nicht kleben und nicht stinken, sie sollten einem sympathisch sein. Dann zerreibt man ein Blatt und riecht daran. Das muss angenehm oder nach nichts duften. Man leckt mit der Zunge daran und wartet mögliche Wirkungen ab. Man nimmt eine erste kleine Kostprobe. Die vergrößert man nach mehreren Stunden. Die Dosis wird vergrößert. Immer wieder Langzeitwirkungen abwarten. Über zwei Tage hinweg.

Haben Sie auch in Sachen Ernährung ein paar Faustregeln parat?

Faustregel 1: Verzichten Sie auf Blattwerk. Es enthält selten Nährstoffe. Vor allem sind es Ballaststoffe und Vitamine. Darauf können Sie verzichten. Nutzen Sie die Zeit lieber, um voranzukommen.
Faustregel 2
: Essen Sie lieber Insekten und Würmer. Besonders im Uferschlick wimmelt es vor solchen Proteinen und Fetten.
Faustregel 3
: Zu wissen, dass man vier Wochen ohne Nahrung auskommt, dass nach zwei Tagen der quälende Hunger und irgendwann sogar der Stuhlgang verschwindt, beruhigt und vermeidet Panik. Auch hier spreche ich aus Erfahrung. Ich habe ohne Nahrung tausend Kilometer von Hamburg nach Oberstdorf bewältigt und mich von mir selbst ernährt. Ich habe 25 Pfund Lebendgewicht verloren – und das im nachtkalten Oktober in Deutschland. Im warmen Urwald hält man es länger aus.
Faustregel 4
: Alle Pflanzen sind essbar. Manche nur einmal.

Sollte ich versuchen, den Weg nach draußen zu finden oder an einer Stelle auf Suchtrupps warten?
Auf Suchtrupps wartet man nur, wenn mit einer Suche zu rechnen ist. Die Chance, gefunden zu werden, ist dann groß, wenn es sich um ein Flugzeug-, Auto- oder Schiffsunglück handelt. Wracks sind schnell auffindbar. Der Alleingänger sollte sich vor allem auf sich selbst verlassen und flussabwärts die Zivilisation finden.

Wie kann ich auf mich aufmerksam machen?
Auf jeden Fall Zeichen hinterlassen. Pfeile aus Ästen, die anzeigen, in welche Richtung man gegangen ist. Alle paar Meter Äste knicken, damit die Suchenden jederzeit schon das nächste Zeichen sehen. Nachrichten schreiben oder in Baumrinden gravieren. Nachts lodernde Feuer machen, vor allem auf kahlen Höhen, wenn es die gibt. Tagsüber Rauchfeuer machen.

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In dem Buch „Überleben ums Verrecken“ (Piper-Verlag, 2005) erklärt Rüdiger Nehberg, wie man Feuer macht, Nahrung sucht, und sich bei Schlangenbissen verhält. Foto: Rüdiger Nehberg/ Piper Verlag
Themen Dschungel Survival
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