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„Sea Cloud“

Das älteste noch fahrende Kreuzfahrtschiff der Welt

Sea Cloud
Die „Sea Cloud“ gilt als das älteste noch fahrende Kreuzfahrtschiff der Welt Foto: Sea Cloud Cruises
Angelika Pickardt
Redaktionsleiterin

02.11.2022, 16:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Die in Deutschland gebaute „Sea Cloud“ ist mehr als 90 Jahre alt und gilt heute als das größte noch fahrende Kreuzfahrtschiff der Welt. TRAVELBOOK erzählt die bewegte Geschichte des Schiffs.

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Eines vorweg: Mit den heutigen Kreuzfahrtgiganten, auf denen bis zu 10.000 Menschen reisen können, hat die „Sea Cloud“ wenig gemein. Nur 64 Passagiere haben auf ihr Platz, dazu kommen bis zu 61 Crew-Mitglieder. Dennoch gilt die luxuriöse Segeljacht als das älteste noch fahrende Kreuzfahrtschiff der Welt.

Wie auf der Webseite der Reederei Sea Cloud Cruises nachzulesen ist, ließ der erfolgreiche US-Börsenmakler Edward Francis Hutton das Schiff im Jahr 1931 nach Plänen des renommierten amerikanischen Konstruktionsbüros Gibbs & Cox auf der Germania Werft in Kiel bauen. Getauft wurde es auf den Namen „Hussar“. Das Schiff hatte einen schwarzen Rumpf und vier Masten – und war damals die größte private Segelyacht der Welt. Die Inneneinrichtung übernahm Huttons Frau Marjorie Merriweather Post. Zwei Jahre nahm die erfolgreiche Geschäftsfrau und reiche Erbin sich Zeit, um die „Hussar“ mit allem erdenklichen Luxus auszustatten, unter anderem mit goldenen Wasserhähnen, offenen Marmorkaminen und wertvollen Antiquitäten. Ihr ging es darum, alle anderen Segeljachten zu übertrumpfen.

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Ein Portrait von Marjorie Merriweather Post und ihrem ersten Ehemann Edward Francis Hutton Foto: Sea Cloud Cruises

Mit der gemeinsamen Tochter reiste das Ehepaar auf der „Hussar“ über die Weltmeere. Mindestens neun Monate im Jahr waren sie unterwegs, steuerten exotische Ziele wie Hawaii oder die Galapagosinseln an. Allerdings kriselte es zwischen Edward und Marjorie, und 1935 ließ das Paar sich scheiden. Das Schiff ging in den Besitz von Marjorie über. Sie ließ den Rumpf weiß streichen und benannte es in „Sea Cloud“ um.

Marjorie heiratete kurze Zeit später den erfolgreichen Anwalt Joseph E. Davies, der 1937 das Amt des amerikanischen Botschafters in Moskau übernahm. Die „Sea Cloud“ zog mit in die damalige UDSSR, der Liegeplatz des abhörsicheren Schiffs war Leningrad, und Diplomaten machten das Schiff zu ihrem Treffpunkt. Später wurde Davies Botschafter von Belgien und die „Sea Cloud“ nach Antwerpen verlegt.

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Das holzvertäfelte Esszimmer auf der Sea Cloud Foto: Sea Cloud Cruises

Die „Sea Cloud“ im Einsatz als Kriegsschiff

Als der Zweite Weltkrieg kurz bevor stand, versuchten Marjorie und ihr Ehemann noch, das Schiff zu verkaufen. Doch sie hätten nur einen Spottpreis für die Luxus-Segeljacht erhalten. Also stellten sie die „Sea Cloud“ den USA für die Verstärkung ihrer Kriegsflotte zur Verfügung. Zu diesem Zweck wurden die Masten demontiert und der Rumpf grau angestrichen. Auf der Webseite der Reederei heißt es: „Ausgerüstet mit Geschützen und Anti-U-Boot-Waffen kreuzte sie nun unter dem Namen IX-99 im Seegebiet um die Azoren und südlich Grönlands. Als schwimmende Wetterstation funkte das Schiff alle vier Stunden aktuelle Daten nach Arlington/Virginia.“

Wie durch ein Wunder blieb das Schiff nahezu unversehrt, im Gegensatz zu vielen anderen Privatjachten, die die USA für den Krieg rekrutiert hatten. Tatsächlich war die „Sea Cloud“ nach Kriegsende das einzige private Luxusschiff dieser Größe, das sich noch in Fahrt befand. 1944 ging es wieder an Marjorie und ihren Mann. Die ließen die „Sea Cloud“ wieder weiß streichen und gingen damit schon bald wieder auf Fahrt. Bis die Masten inklusive Segel wieder komplett hergestellt waren, vergingen jedoch einige Jahre.

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Eine historische Aufnahme vom Deck der „Sea Cloud“ Foto: Sea Cloud Cruises

Ein Diktator kauft die „Sea Cloud“

Als die Ehe zu kriseln begann und Marjorie die Kosten für die 72 Mann starke Crew nicht mehr aufbringen wollte, entschloss sie sich Anfang der 1950er-Jahre, ihr geliebtes Schiff zu verkaufen. Schließlich erwarb es der damalige Diktator der Dominikanischen Republik, Rafael Leonidas Trujillo und benannte es um in „Angelita“. Dessen Sohn Rafael jr. feierte auf dem Schiff über Jahre ausschweifende Partys, auch viele Hollywood-Stars sollen an Bord gewesen sein.

1961 geriet Rafael Leonidas Trujillo in einen Hinterhalt und wurde erschossen. Dramatisch waren die Ereignisse, die sich danach abspielten: Die neue Regierung zwang die Familie von Trujillo, die Dominikanische Republik zu verlassen. Daraufhin ließ Rafael Jr. seinen Vater exhumieren und versuchte, mit dem Leichnam, einigen Clan-Mitgliedern und großen Mengen Bargeld auf der „Angelita“ nach Frankreich zu fliehen. Doch die neue Regierung zwang das Schiff zur Umkehr. Das Schiff wurde eingezogen und in „Patria“ umbenannt.

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Eine der luxuriösen Schlafkabinen auf der alten „Sea Cloud“ Foto: Sea Cloud Cruises

Mehrere Versuche, das Schiff zu nutzen

Doch Fahrten unternahm die „Patria“ für lange Zeit erstmal keine mehr. Fünf Jahre nach der Umbenennung in „Patria“ fand sich mit dem US-Geschäftsmann Clifford Barbour ein neuer Eigentümer. Der benannte das Schiff wiederum um in „Antarna“ und will mit seiner Firma „Operation Sea Cruise“ darauf Charterreisen anbieten. Doch zunächst lässt er die Segeljacht in Neapel generalüberholen. Zurück in den USA wird die „Antarna“ wegen unbezahlter Rechnungen beschlagnahmt – und liegt wieder brach.

Schließlich versuchte ein Ehepaar, das Schiff von „Operation Sea Cruise“ günstig zu chartern, um darauf Kurse für Hochschulstudenten anzubieten. Doch es kam zum Streit zwischen dem Ehepaar und der Reederei. Die „Antarna“, die inzwischen in Panama vor Anker lag, rottete danach acht Jahre lang vor sich hin. Bis schließlich Ende der 1970er-Jahre der deutsche Kapitän Hartmut Paschburg auftauchte, sich in das Schiff verliebte und es zusammen mit einer Gruppe Hamburger Kaufleute erwarb. Zuallererst gab er ihm seinen früheren Namen zurück: „Sea Cloud“.

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Das Schiff kehrt nach Deutschland zurück

Mehrere Monate lang brachten Paschburg und zahlreiche Helfer aus Deutschland und Panama die „Sea Cloud“ im Hafen von Colón wieder so weit auf Vordermann, dass sie zumindest wieder seetüchtig war. Das Ziel: das Schiff zurück zu seinen Wurzeln bringen. Am 15. November 1978 war dieses Ziel erreicht und die riesige Segeljacht lief im Hamburger Hafen ein. Da allerdings noch sehr viel mehr Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten nötig waren, wurde die „Sea Cloud“ ab Februar 1979 in einer Werft in Kiel nochmal umfassend generalüberholt und ausgebaut. Unter anderem kamen 22 neue Kabinen dazu, und das Schiff wurde um ein Deck erweitert. Die ursprüngliche Einrichtung unter Deck mit den goldenen Wasserhähnen und den Marmorkaminen war immer noch erhalten.

Noch im selben Jahr ging die Segeljacht, damals noch unter der Flagge der Kaimaninseln, auf ihre erste Kreuzfahrt durch die Weltmeere, steuerte unter anderem die Osterinseln und Französisch-Polynesien an. Seit 1994 gehört die „Sea Cloud“ zur Hamburger Reederei Sea Cloud Cruises, die weiterhin Reisen mit dem heute ältesten noch fahrenden Kreuzfahrtschiff der Welt anbietet. Derzeit steuert die „Sea Cloud“ laut den Daten von Schiffsradar.org die Kanarischen Inseln an, und am 25. November wird die luxuriöse Segeljacht von Las Palmas aus den Atlantik überqueren, um während der Wintermonate in der Karibik zu kreuzen.

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So sehen die Original-Kabinen auf der „Sea Cloud“ heute aus. Vom ursprünglichen Mobiliar ist noch vieles erhalten. Foto: Sea Cloud Cruises

Wer selbst einmal mit der „Sea Cloud fahren möchte, muss allerdings tief in den Geldbeutel greifen. So kostet etwa eine 7-tägige Kreuzfahrt zwischen den Kanarischen Inseln in diesem November ab 3835 Euro pro Person. Wer in einer der Original-Außenkabinen mit ursprünglicher Einrichtung nächtigen will, zahlt ab 8395 Euro pro Person. „Berühmte Persönlichkeiten aus Adel, Wirtschaft und Showbusiness haben bereits ihre Häupter in dieser und den übrigen großzügigen Originalkabinen gebettet“, heißt es auf der Webseite der Reederei. Und durch die majestätischen Räume weht noch immer der Geist der Marjorie Merriweather Post, die mit ihrer Luxusjacht alle anderen überstrahlen wollte.

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