
19. Juli 2025, 7:39 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
An dieser Frage dürfte wohl selbst so mancher eingefleischte Erdkunde-Experte scheitern – oder hätten Sie gewusst, was eigentlich die Makaronesischen Inseln sind, und wo sich diese befinden? TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann sprach mit einem Wissenschaftler über das Thema – und fand dabei viel Überraschendes heraus.
Die glücklichen, die gesegneten Inseln – genau das bedeutet makários nḗsos, der griechische Name für Makaronesien, auch bekannt als die Makaronesischen Inseln. Und nein, sie sind kein Fantasieprodukt eines antiken Dichters oder Philosophen. Sondern eine tatsächlich existierende Bezeichnung für eine Region, die sich über den östlichen Zentralatlantik erstreckt. Aber wüssten Sie, was eigentlich die Makaronesischen Inseln sind und wo sich diese befinden? TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann war vor seiner Recherche zwar völlig ahnungslos, aber sofort fasziniert von dem klangvollen Namen.
Die Suche nach einem Experten für dieses Thema brachte dann schnell einige Namen von Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema Biogeographie befassen. Also ein Spezialgebiet, das beide Teilgebiete seines Namens vereint, die Biologie und die Geographie. Denn tatsächlich sind die Makaronesischen Inseln ein Gebiet, das sich vor allem durch teils verblüffende Zusammenhänge in diesem Bereich definiert. Christophe Neff, Akademischer Rat am Institut für Technologie in Karlsruhe und studierter Geograph, war so freundlich, das Phänomen Makaronesien einmal ausführlich zu erklären.

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„Zeit und Zufall spielen eine große Rolle“
TRAVELBOOK: Guten Tag Herr Neff, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Expertise. Was sind denn nun eigentlich Makaronesischen Inseln?
Neff: Damit bezeichnet man eine biographische Region, die die Azoren, Kanaren, Madeira und die Kapverdischen Inseln umfasst. Je nach Auslegung kommen dazu noch ein paar zu Portugal gehörende, unbewohnte Inseln. Die zusammenfassende Bezeichnung Makaronesischen Inseln teilen sie, weil sie biogeographische Gemeinsamkeiten aufweisen. So sind sie alle vulkanischen Ursprungs, und auch die Flora ist vielerorts sehr ähnlich. Diese besteht zu einem großen Teil aus endemischen, also nur in Makaronesien vorkommenden Arten. Beispiele sind hier der Drachenbaum oder die Atlantische Palme.
TRAVELBOOK: Und wie lassen sich diese verblüffenden Übereinstimmungen erklären? Immerhin liegen die verschiedenen Inselgruppen ja teils hunderte, wenn nicht tausende Kilometer voneinander und vom nächsten Festland entfernt.
Neff: Erklärbar ist das durch die Lage der Makaronesischen Inseln im Atlantik. Sie alle waren ja ursprünglich nichts als nackte Felsen. „Besiedelt “ wurden sie dann durch die gleichen drei Hauptfaktoren, nämlich den Wind, das Meer und Vögel. Hierbei spielen biologische Einflüsse aus drei Kontinenten eine Rolle, nämlich Amerika, Europa und Afrika. Der Wind trägt von dort zum Beispiel Samen heran, die sich dann festsetzen und Pioniervegetation bilden können. Über das Meer werden Pflanzenreste oder Wurzeln angespült, die dann ebenfalls einen neuen Bewuchs bilden können. Vögel schließlich tragen in ihrem Gefieder und/oder ihren Ausscheidungen auch wieder neues Samengut auf die Inseln. Eine ebenso erhebliche Rolle haben bei dieser Entwicklung aber natürlich auch die Zeit und der Zufall gespielt.
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TRAVELBOOK: Bitte führen Sie das doch noch einmal näher aus.
Neff: Nun, das Leben muss ja an Orten wie den Makaronesischen Inseln nicht nur ankommen, sondern auch überleben. Essenziell dafür ist zunächst einmal die Bildung von Boden, auf dem Pflanzen sich dann auch halten können. Dieser entsteht langsam sowohl durch die Zersetzung tierischen und pflanzlichen Materials als auch durch tierische Ausscheidungen. Je nachdem welche Inselgruppe man betrachtet, spielt bei der „Besiedlung“ auch die Nähe zum jeweils nächstgelegenen Festland eine Rolle. So sind die Azoren stärker „amerikanisch“ geprägt, die anderen Inselgruppen aber mehr von biologischen Einflüssen aus Europa oder Afrika. Dadurch gibt es zwar Übereinstimmungen, aber auch teils erhebliche Unterschiede in der Vegetation der verschiedenen Inselgruppen.
TRAVELBOOK: Was für eine Rolle spielt denn der Mensch in der Geschichte der Makaronesischen Inseln?
Neff: Eine ganz erhebliche. Die Inseln waren quasi Trittsteine der Globalisierung. Vor allem den Portugiesen als Seefahrernation kommt dabei ein Schlüsselanteil zu. Dank ihrer Posten auf Madeira, den Kapverden und den Azoren gelang es ihnen, Brasilien zu besiedeln. Aus Asien brachten sie dann erst dorthin und später auch auf die Inseln, zum Beispiel das Zuckerrohr. Auch der Tee, der heute auf den Azoren angebaut wird, ist importiert. Im selben Zuge schleppte der Mensch auf die Inseln auch Arten ein, die wiederum die nur hier vorkommenden, also endemischen Arten, bedrohen können. Invasive Arten, die sich aggressiv ausbreiten, spielen dabei eine große Rolle. So zum Beispiel die Hortensien auf den Azoren. Diese stammen ursprünglich aus Japan. Man könnte auch von biogeographischer Globalisation sprechen.
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TRAVELBOOK: Wie könnte man die fragile Flora der Makaronesischen Inseln besser schützen?
Neff: Das Problem ist, dass zum Beispiel die Hortensien und ihre Blüte auf den Azoren mittlerweile ein wichtiger Tourismus-Faktor sind. Sie können aber langfristig einheimische Arten verdrängen. Auch der Klimawandel mag dabei eine Rolle spielen. Erst in den letzten 150 Jahren hat man die biogeographischen Zusammenhänge um die Inseln überhaupt verstanden. Es gibt mittlerweile zwischen den „Mitgliedern“ aber einen regen Austausch in der Naturschutzpraxis. Alle zwei bis drei Jahre findet zudem die Fachtagung „FloraMac“ statt, auf der Experten vortragen, die sich zum Teil bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen.
TRAVELBOOK: Sie selbst forschen bereits seit 1999 primär auf den Azoren, hauptsächlich der Insel Faial. Was fasziniert Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Neff: Ich beschäftige mich hier mit Primärvegetation, also grundsätzlich der Frage: Wie entsteht das Leben? Für mich ist es aufregend zu sehen, wie sich Vegetation entwickelt. Hier wird man quasi auf die Anfänge zurückgeworfen.
TRAVELBOOK: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Neff.