
20. Mai 2025, 16:05 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Nahe der englischen Industriestadt Manchester findet sich mit dem hügeligen Peak District ein wahres Naturjuwel, das als Englands ältester Nationalpark bereits seit über 70 Jahren ein beliebtes Ziel für Naturfreunde und Erholungssuchende ist. 1951 gegründet, wurde die Gegend zum ersten Nationalpark des Vereinten Königreichs erklärt. Dem war ein jahrzehntelanger Kampf vorausgegangen. TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann hat den Peak District zwei Tage für Sie erwandert.
Kaum hat der Zug die Picadilly Station, Manchesters Hauptbahnhof verlassen, fühlt man sich in eine andere, magisch schöne Welt katapultiert. Schornsteine und viktorianische Backstein-Architektur sind einer wahren Augenweide aus grünen Hügeln, Wäldern, Flüssen und Dörfern gewichen, auf deren saftigen Wiesen Schafe weiden. Die Sonne lacht vom Himmel, und auch mein Herz lacht, denn ich werde heute zum ersten Mal im Peak District wandern, Englands ältestem Nationalpark. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich es noch nicht, aber dass ich mich heute hier frei bewegen und herrlichste Natur genießen kann, ist einem jahrzehntelangen Kampf um die Schaffung solcher Refugien zu verdanken.
Nach einer knappen Stunde hält der Zug, der vom Tempo eher an eine Straßenbahn erinnert, an der Station Grindleford. Der Name weckt sofort Assoziationen an die zauberhafte Welt von Harry Potter. Die herrliche Ruhe wird vom vielstimmigen Gesang der Vögel akzentuiert, am Wegesrand wächst Wilder Bärlauch, ein wahrscheinlich jahrhundertealtes steinernes Haus dient als Kiosk und letzter Proviantstützpunkt vor der heutigen Wanderung. Es soll durch die Padley Gorge gehen, einer vom einem munter plätschernden Bach durchzogenen kleinen Schlucht. Es ist nur eine von zahlreichen Naturschönheiten im Peak District, und ob ihrer Einfachheit die besonders bei Familien sicherlich beliebteste Tour.
Kampf für die Nationalparks

Der Weg führt, immer entlang des Baches, einige Kilometer hinauf zu einem sehenswerten Herrenhaus auf einem weitläufigen Gelände namens Longshaw Estate. Schon auf meinen ersten Metern im Peak District stellt sich Ruhe in der Seele ein. In den Eichen und Birken rauscht ein milder Wind. Zu hören ist ansonsten nur das Wasser und das Geräusch der eigenen Schritte, das Mantra des Wanderers. Wurzeln quellen wie Fangarme von Kraken aus dem steinigen Waldboden, die Felsen in der Klamm des Baches über und über mit Moos bewuchert. Eine Wegmarkierung braucht es hier nicht, die kleinen, ausgetretenen Pfade, die seicht hügelan führen, sind gut erkennbar. Eine Wanderung, die keine Kraft kostet, sondern der Seele eher welche schenkt.
Und die Sehnsucht nach dieser Kraft und heilenden Wirkung der Natur war es auch, die schließlich zur Gründung des Peak District als Großbritanniens erstem Nationalpark führte. Laut dem National Trust, der sämtliche dieser Refugien im Vereinigten Königreich heute verwaltet, war diesem Meilenstein aber ein langes, zähes Ringen einiger Naturfreunde mit Behörden und Landbesitzern vorausgegangen. Demnach gab es erste Forderungen für die Schaffung von Erholungsgebieten für Jedermann bereits um 1880. Zur damaligen Zeit befand sich sehr viel Boden in England noch in privatem Eigentum, das Betreten war für „Unbefugte“ verboten. Die Konflikte zwischen den Parteien spitzten sich in der Folgejahren immer weiter zu.
Auch interessant: Warum Manchester genauso sehenswert ist wie London
Inspiration für große Schriftstellerinnen
1932 kam es zu einer denkwürdigen Aktion, als eine große Gruppe von Wanderern auf dem Gebiet des heutigen Peak District eine damals noch unerlaubte Wanderung unternahm. Der Wunsch, damit ihr Recht auf freie Bewegung in der Natur zu proklamieren, endete für fünf Teilnehmer tatsächlich im Gefängnis. In der Folge wurden die Rufe nach Nationalparks als Schutz- und Erholungsgebiete für Alle aber immer unüberhörbarer. Von den heute insgesamt 15 Nationalparks in Großbritannien war der Peak District schließlich 1951 der erste, der zu einer solch besonderen Zone erklärt wurde. Er umfasst auf einer Fläche, die sich über fünf Counties erstreckt, 1437 Quadratkilometer – das ist in etwa so viel wie der Großraum London. Der eigenen Website zufolge besuchen ihn jährlich 13 Millionen Menschen.
Es ist eine Gegend, die schon Charlotte Bronte und Jane Austen inspirierte, durchzogen von insgesamt sieben Flüssen und gekrönt von archaischen Bergen, von denen der höchste, der Kinder Scout, 636 Meter misst. Und anders als in einem „klassischen“ Nationalpark leben im Peak District in mehr als 70 Dörfern gut 30.000 Menschen. Kaum zu glauben, dass diese Gegend bereits vor 350 Millionen Jahren zu entstehen begann, und einst von einem tropischen Ur-Meer bedeckt war. Ich jedenfalls trete heute nur auf festen Waldboden, jeder Schritt eine Wohltat. Immer wieder Pausen, um den spektakulären Verlauf des Baches zu fotografieren, oder aus ihm sein köstliches kaltes Wasser zu trinken. Ob Sie mir letzteres bei einem Besuch nachmachen möchten, entscheiden Sie aber am besten selbst.
Auch interessant: Der schöne Sutjeska-Nationalpark in Bosnien
Ein fast 500 Jahre alter Pub
Irgendwann läuft die Schlucht dann aus und die Szenerie öffnet sich, aus der Begrenztheit des Waldes kommend, in eine wilde, weite Hügellandschaft. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Spaziergang zum Longshaw Estate, einem ehemaligen Herrenhaus mit weitläufigem Park. Bereits seit 1931 verwaltet es der National Trust. Heute ist es ein beliebtes Ziel für Spaziergänger, in dem Restaurant des Hauses kann man sich nach einer Wanderung auch stärken oder einfach eine Tea Time zelebrieren. Dann ist es wieder Zeit für die Rückkehr zur Bahnstation, diesmal entlang der anderen Seite des Baches. Aber nach Hause fahre ich noch nicht, sondern suche nun einen ganz besonderen Ort im Peak District auf.
Die Rede ist vom „The Old Nags Head“ in dem Märchendorf Edale, einem Pub, das es seit 1577 gibt. In den rustikalen Räumen hängen zahlreiche Jagdtrophäen an den Wänden, ein Kamin verheißt Gemütlichkeit an kalten Tagen. Auf den Fernsehern läuft Fußball und Darts, das Bier wird aus diesen herrlichen englischen Zapfanlagen eingeschenkt, die mich immer an Einarmige Banditen in Casinos erinnern. Empfehlen kann ich als deftige Stärkung hier sowohl die Fish&Chips als auch die Pie mit Wildfleisch. Kommen Sie am besten vor Einbruch der Dunkelheit, denn auch einen Spaziergang durch Edale, natürlich komplett mit alten roten Briefkästen und Telefonzellen, sollte man spätestens nach dem Essen noch unternehmen.
Auch interessant: Deutschlands Seenparadies, das kaum jemand kennt

Englands berühmteste Höhle, in der es einst grausame Rituale gab
Diese Mühlen können Sie mieten

Warum Treseburg im Harz mein persönlicher Kraftort ist
Alles Käse

Lohnenswert im Peak District ist auch ein Ausflug in den Ort New Mills, benannt nach den Mühlen, die sich dort einst befanden. Das kleine Nest wird durchzogen von einer spektakulären Schlucht namens The Torrs, an deren Abhang sich zum Teil abenteuerlich Häuser klammern. Angetrieben von den Flüssen Sett und Goyt, war New Mills einst ein Zentrum der Baumwoll-Industrie. An den Ufern der Gewässer kann man heute herrlich spazieren gehen. Zu bestaunen gibt es hier unter anderem zwei hohe steinerne Brücken und die alte Textilmühle Torr Vale Mill. Letztere ist ein derart gigantisches Gebäude, dass es fast unecht wirkt. Seit 2008 befindet sich in der Schlucht mit Torrs Hydro auch ein Wasserkraftwerk, welches jährlich mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt.
Die Torr Vale Mill ist mittlerweile ein beliebtes Ausflugsziel. Die Geschichte des Ortes reicht zurück bis 1780, heute beherbergen die alten Mauern unter anderem ein Café. Ich interessierte mich bei meinem Besuch aber nur für den kleinen Feinkostladen „The Cheese Wheel“, der neben lokalem englischem Käse auch eine gute internationale Auswahl präsentiert. Eine letzte Stärkung genoss ich dann in dem herrlichen Pub „The Oddfellows“ (was für ein Name) in Mellor, in dem sich scheinbar das ganze Dorf auf ein Bierchen befand. Der Laden brechend voll, erwischte ich den letzten Tisch und bekam von Kellnerin Leyla die besten Fish&Chips der ganzen Reise. Was ich entdeckt hatte, war nur ein Bruchteil der Schönheit des Peak District. Aber einer, der Lust auf sehr viel mehr gemacht hat.