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Liebeserklärung von unserem Autor

Warum Treseburg im Harz mein persönlicher Kraftort ist

Treseburg
Der Blick auf Treseburg und das Bodetal lässt das Herz unseres Autors seit Jahren höher schlagen. Der Harz ist seine liebste Wanderregion Foto: picture alliance / Zoonar
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

7. September 2024, 7:33 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Seit Jahren zieht es unseren Autor, geboren und aufgewachsen in der Millionen-Metropole Berlin, immer wieder in das kleine 80-Seelen-Nest Treseburg im Harz. Mittlerweile kennt er dort nicht nur (fast) alle Wanderwege und jeden Stein beim Namen, sondern hat sogar Freunde in dem magisch schönen Dorf gefunden. Zeit für eine Würdigung an einen Ort, der auf ganz besonders tiefe und ehrliche Weise immer wieder sein Herz berührt.

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Haben Sie einen Ort, von dem Sie träumen können, wenn Sie sich wieder einmal ganz weit weg von Ihrem Alltag wünschen? Einen sicheren Hafen, wo sich schon mit der Ankunft Kopf und Herz völlig entspannen, und man das Gefühl hat, in wahrsten Sinne des Wortes zu Hause zu sein? Nun, ich habe meinen persönlichen Kraftort vor einigen Jahren eher zufällig entdeckt, bin sozusagen in ihn hereingestolpert. Und seitdem hat er mich nicht mehr losgelassen, ist vielmehr ein großer Teil von mir dort geblieben und auf immer mit ihm verbunden. Um so erstaunlicher mag das für sie klingen, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich als gebürtiger Berliner ein Dorf im Harz liebe, wo gerade einmal etwa 80 Menschen leben. Mein sicherer Hafen, meine Zuflucht aus dem Alltag, sowohl in Gedanken als auch immer öfter im echten Leben, heißt Treseburg.

Ich glaube, es war 2018, als ich mich mit meiner Freundin auf einer Wanderung durch das Bodetal befand. Die größte ostdeutsche Schlucht, umgeben von hunderte Meter hohen Felswänden und durchzogen vom malerischen Bodefluss, stand für uns als passionierte Wanderer schon lange auf unserer Wunschliste. Wir durchquerten also die Klamm, hielten immer wieder an dem kühlen Quell und erfrischten uns, liefen lustwandelnd und eigentlich ziellos einher, Zeit und Raum um uns ob der Schönheit der Natur vergessend. Gut, wir wussten natürlich, dass unsere Tour in Treseburg enden würde, doch unter den vielen klangvollen Ortsnamen im Harz war das bis dahin nur ein weiterer für uns. Wir hatten da noch keine Ahnung, dass sich dieses Nest schon bald ganz tief auf die Landkarte unserer Herzen einbrennen würde.

Müßiggang in seiner schönsten Form

Treseburg Bode
Durch das wilde Bodetal erreicht man Treseburg auf einer spektakulären Wanderung Foto: picture alliance / imageBROKER

Irgendwann, kurz hinter einem schönen Aussichtspunkt namens Sonnenklippe, begann sich die Bodeschlucht plötzlich zu öffnen, standen wir mitten in einem Märchenbuch. Diesen Anschein hatte es zumindest. Die Sonne beschien eine Kirche und ein paar Fachwerkhäuser, die vorher in der Klamm oft wilde und rauschende Bode lief hier in einer erstaunlichen Breite zu einem fast geräuschlos dahinfließenden, breiten Strom aus. Im klaren Wasser sahen wir Bachforellen stehen, ein paar Fliegenfischer stellten ihnen nach, ansonsten bis auf das Rauschen des Windes in den hohen Baumwipfeln absolute Stille. Niemand auf den Straßen, die Natur ob eines herrlichen Frühlingstages im Mai in voller Blüte und Pracht. Und so lernten wir schließlich Treseburg kennen.

Seitdem sind acht Jahre vergangen, doch der Ort hat für mich bis heute nichts von seinem Zauber verloren. Im Gegenteil, jedes Mal, wenn ich dort bin, entdecke ich neue liebenswerte Details, die mich Treseburg, wenn überhaupt möglich, noch mehr lieben lassen als ohnehin schon. Meine Schrittgeschwindigkeit, die Gedanken, der Atemrhythmus, ja vielleicht sogar Puls und Herzschlag, passen sich hier immer bereits kurz nach der Ankunft der gemächlichen Fließgeschwindigkeit der wunderschönen Bode an. Stundenlang kann ich an dem Fluss sitzen und dem Wasser beim Fließen zusehen. Müßiggang in seiner schönsten Form, ein Tom Sawyer- und Huckleberry Finn-Gefühl, dass ich auch als mittlerweile 41-Jähriger niemals loslassen möchte.

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Wie eine Modellbaulandschaft

Treseburg
Manche Häuser im Ort sind erbaut aus den Steinen der alten Treseburg, die dem Ort seinen Namen gab. Foto: picture alliance / imageBROKER

Der Fluss reflektiert die Sonnenstrahlen wie unzählige flüssige Diamanten, im Wasser träge plätschernd ein paar Enten. Abends beginnt dann die Zeit der Bachforellen, ein magischer Feentanz, wenn sie zu Dutzenden immer wieder aus dem Wasser springen, nach kleinen Insekten schnappend. Wer sich von diesem Anblick lösen kann, den erwarten von Treseburg aus zahlreiche schöne Wanderwege in benachbarte Nester wie Altenbrak, Todtenrode und Hasselfelde. Ob Sie es glauben oder nicht, ich entdecke auch nach acht Jahren immer wieder neue kleine Spuren. Letztes Jahr fand ich dabei eine Strecke so reich an Waldhimbeeren, dass ich mit einem ganzen Eimer voll zurückkam. Bei einem kürzlichen Besuch stieß ich auf die ersten Steinpilze der Saison. Und so behalten auch die vermeintlich ausgetretenen Pfade ihren Reiz und Zauber.

Treseburg liegt träumerisch und wunderbar verschlafen an einer Straße zwischen Thale und dem benachbarten Altenbrak, und ist so etwas wie das Herz des Bodetals. Der Name des Ortes rührt von einer gleichnamigen Festung, deren Ruinen man heute noch auf einem Hügel hoch über dem Tal erwandern kann. Hier, quasi aus der Vogelperspektive, erblickt man Treseburg eingekuschelt in eine Kurve des Flusses, inmitten der dicht bewaldeten grünen Felswände, als wäre es gar nicht echt, sondern eine Bemo-Modellbaulandschaft. Weit über den Dingen schwebend hat man auch die Möglichkeit, spektakuläre Sonnenuntergänge zu beobachten, und generell noch ein paar Stunden mehr Licht zu genießen als unten im Ort selbst.

Ein ganz besonderer Mensch

Treseburg Furt
Durch diese Furt kann man als Wanderer die Bode in Treseburg überqueren. Foto: picture alliance / Zoonar

Dass ich Treseburg in den letzten Jahren noch mehr lieben gelernt habe als zuvor schon, liegt an einem ganz besonderen Menschen. Sein Name ist Jan, er stammt wie ich aus Berlin, und betreibt dort seit Beginn 2022 die Pension Sternschnuppe. Ein altes Haus, graue DDR-Fassade, und doch so angefüllt mit dem Herz und der Leidenschaft von Jan, dass es genau wie der gesamte Ort mitunter wirkt wie eine romantische Geschichte von Eichendorff. Jan ist die gute Seele seiner Pension und steht als ausgebildeter Koch für seine Gäste von morgens bis abends hinter dem Herd. Unvergleichlich, wenn er an einem Samstagmorgen ein Feuer entfacht und darüber stundenlang und ganz langsam ein Kesselgulasch zubereitet, das sicher Stoff für weitere Legenden wäre.

Das große Kapital der Sternschnuppe ist neben Jan die direkte Lage am Fluss mit dem wohl schönsten Biergarten, den ich überhaupt kenne. Hier sitzt man, gedankenverloren und mit sich selbst und der Welt absolut im Reinen. Und schaut bei einem kühlen Getränk dem Wasser dabei zu, wie es sich genau wie seit Millionen von Jahren schon seinen Weg durch das wunderschöne Tal von Treseburg bahnt. Genau wie den Ort selbst entdeckte ich die Pension vor ein paar Jahren auf einer Wanderung eher zufällig. Schon von Weitem sah ich das namensgebende Logo in Form einer Sternschnuppe in der frühen Abendstimmung leuchten, und irgendetwas zog mich sofort dorthin.

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Home is where the Harz is

Ich lief dann Jan in die Arme, eine Schubkarre schiebend, Lucky Strike im Mundwinkel glimmend, und fragte einfach freundlich: „Du bis also der Neue hier?“ Es folgte eine Einladung an seinen Grill und zahlreiche (für mich alkoholfreie) Biere, und schließlich durfte ich sogar mein Zelt auf seinem Gelände aufschlagen. Am nächsten Morgen ließ er mich im Haus duschen, und ich bekam noch ein Care-Paket mit auf die weitere Wanderstrecke. Diese bedingungslose Freundlichkeit und Warmherzigkeit begeisterte mich so sehr, dass ich keinen Monat später bereits das zweite Mal bei Jan vor der Tür stand. Und seitdem immer wieder komme. Erst kürzlich habe ich hier unter dem wunderbaren August-Sternhimmel und den fallenden Perseiden das mittlerweile dritte Gitarrenkonzert in Jans Biergarten für die Gäste des Hauses gegeben. Home is where the Harz is, sozusagen.

Natürlich überlegt man – gerade als Berliner – immer eine Weile, ob man einen solchen Kraftort überhaupt anderen verraten soll. Aber ich persönlich bin vor allem deshalb Reisejournalist geworden, um schöne Eindrücke zu teilen. Mein Herz glüht immer noch vor Stolz, wenn andere meine Artikel loben oder sagen, da möchten sie jetzt ob meiner Beschreibung auch einmal hin. Und Treseburg und auch der Harz im Allgemeinen verdienen wirklich mehr Besucher, auch wenn ich die momentane Einsamkeit beim Wandern sehr schätze. In den letzten Jahren ist, angefeuert von der landesweiten Presse, leider der Eindruck entstanden, der Natur im Harz ginge es, auf gut Deutsch gesagt, so richtig dreckig.

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Bilder vom Brocken und dem Nationalpark Harz an sich schockieren, man kann es nicht anders sagen. Und leider machen sich das vor allem Online-Medien zunutze, um ein paar billige Klicks mit Fotos aus einem Gebiet zu machen, dass in den letzten Jahren wirklich schlimm verheert wurde. Doch es ist eben auch die Wahrheit, dass die restlichen 90 Prozent des sich über drei Bundesländer erstreckenden Harz größtenteils absolut gesund, wunderschön und vielseitig sind. Mittlerweile bleiben aber auch in Treseburg die Touristen so spürbar weg, dass ich mir mitunter Gedanken mache. Wo früher manche Wanderwege quasi achtspurigen Autobahnen glichen, ist man heute allein auf weiter Flur.

Vor daher an dieser Stelle aus tiefstem Herzen meine Einladung an Sie, liebe Leser. Kommen Sie in den Harz, besuchen Sie Treseburg, und machen Sie sich selbst ein Bild, das nicht von einem Bildschirm stammt. Was Sie finden werden, ist eine urtümliche Region voller Sagen und Märchen, umgeben von schönster Natur. Und vielleicht finden Sie ja irgendwann auf einer Ihrer Touren mittendrin auch sich selbst, entspannt, entschleunigt, erholt. Wenn Sie dann einen sonnengegerbten Typen mit einem Strohhut sehen, der einfach nur zufrieden dasitzt und auf das Wasser guckt, sagen Sie doch mal Hallo. Ich habe noch ganz viele andere schöne Tipps für den Harz. Versprochen.

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