
8. Juni 2025, 7:41 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Unsere Autorin Anna Wengel (Chiodo) ist zurzeit in Australien und hat dort auch den Daintree Rainforest besucht. Der Regenwald befindet sich in Queensland und ist der älteste der Welt. Was sie dort spektakuläres und auch unheimliches erlebt hat, erzählt sie auf TRAVELBOOK.
„Eigentlich springen die Krokodile nicht ins Boot, wobei…“ Ein lautes Platschen neben dem Boot unterbricht den Bootsführer auf dem Daintree River in seinen Erzählungen. Der dem Platschen am nächsten sitzende Mann springt auf, eine Mutter greift nach ihrem Kind, dann herrscht einen Moment Stille. Das wird schließlich vom Lachen des zuvor tief erschrockenen Mannes unterbrochen. Nur ein Fisch, wenn auch ein großer, möglicherweise ein kleiner Hai, wie der Bootsführer dort im Daintree Rainforest erklärt. Aber immerhin kein Krokodil, das einen von uns in die Tiefe reißt. Das ist immerhin seit Jahren nicht passiert.
Gesehen haben wir auf dieser Fahrt über den von Mangroven umrahmten Fluss im Daintree Rainforest allerdings bereits einige. Der Regenwald liegt im Nordosten Australiens, im Bundesstaat Queensland, und ist der älteste tropische Regenwald der Welt: mehr als 135 Millionen Jahre soll der Wald alt sein. Seit 1988 gehört der 1200 Quadratkilometer große Regenwald als Teil der Wet Tropics of Queensland zum UNESCO-Welterbe. 70 erwachsene „Salties“, also Salzwasserkrokodile, und etliche Jungtiere sollen hier laut einer Infoseite zum Daintree Rainforest leben, laut dem Bootsführer sind das etwa 20 Prozent der Population, die es einst in dieser Region gab. Nachdem Menschen Jahre lang Jagd auf Krokodile gemacht und so dafür gesorgt hatten, dass die Population auf ein extremes Minimum sank, wurde 1974 schließlich ein Jagdverbot erlassen. Seitdem dürfen Krokodile hier weder verletzt noch getötet werden.
Krokodilfahrt auf dem Daintree River
Krokodile sind das dominierende Thema im Daintree Rainforest und seiner Umgebung. Dabei ist der Regenwald selbst uralt und beherbergt viele andere bemerkenswerte Tiere. Einige sind giftig, wie die Würfelqualle oder die Todesotter. Andere wirken eher niedlich oder faszinierend – etwa das Baumkänguru, der Eisvogel (Kingfisher) oder die absurd aussehenden, aber keineswegs harmlosen Kasuare (Cassowaries).
Insgesamt beherbergt der dichte Wald mit seinen Palmen, Lianen und insgesamt mehr als 3000 Pflanzenarten neben den 107 Säugetier-, 368 Vogel- und 113 Reptilienarten. Aber nein, es sind vor allem die Krokodile, die mich und meine Familie heute begleiten sollen, bei unserer ersten Erkundung des Regenwalds. Und beim Blick auf andere Reisende, sind wir nicht die einzigen, die hier besonders nach den riesigen Reptilien Ausschau halten und sich nicht recht zu entspannen vermögen.

Drei Krokodile sehen wir aus nächster Nähe im und am Fluss. Eins davon ein Weibchen, das im Wasser direkt neben unserem Solarboot liegt (Titelbild). Der Bootsführer erklärt ihre Länge auf rund drei Meter. In der Nähe soll es ein knapp fünf Meter großes Männchen geben. Das lässt sich nicht blicken, was sich jedoch nicht unbedingt besser anfühlt. Ganz besonders deshalb, weil der Bootsführer mehrfach erklärt, Krokodile würden, von Menschen ungesehen, direkt unter der Wasseroberfläche lauern und erst im letzten Moment auftauchen und mit einer schnellen Bewegung angreifen. Ihre Opfer würden sie schließlich unter Wasser ziehen und dort mitunter für mehrere Tag in einem Felsvorsprung oder ähnlichem parken, um es schließlich zu verspeisen. Die begleitenden Geschichten spare ich an dieser Stelle aus. Nur so viel: Es gab bereits mehrere Krokodilopfer im Daintree River. Und: Mein recht frei aufwachsendes Kind halte ich heute öfter als gewöhnlich fest.
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Mulmiges Gefühl am Cape Tribulation

Die Bootsfahrt ist nach einer Stunde vorbei, die Eindrücke und besonders Erzählungen des Bootsführers hallen noch lange nach. Besonders die immer und immer wiederkehrende Ermahnung, in Regionen, in denen es Salzwasserkrokodile gebe, schlicht und einfach nirgendwo ins Wasser zu gehen. Auch nicht ins Meer. Nicht einmal an den Rand. Gar nicht. An genau das muss ich denken, als wir wenig später am Cape Tribulation ankommen. Mit einer Fähre (49 AUS-Dollar für Hin- und Rückfahrt, umgerechnet knapp 28 Euro) gelangen wir über den Daintree River – übrigens die einzige Möglichkeit, den Fluss zu überqueren – und auf die Cape Tribulation Road, der Straße, die durch den Regenwald bis hoch zum Kap führt.
Für alle, denen der Name Cape Tribulation etwas sagt: Bei TRAVELBOOK haben wir bereits vor ein paar Jahren über diesen Strand geschrieben. Und zwar in diesem Text: Der Traumstrand, an dem wirklich alles gefährlich ist.
Auf dem Parkplatz angekommen, führt ein kleiner Weg bis zum Strand, an dem ein Schild steht, das vor Krokodilen in der Gegend warnt. Auch hier steht: „In diesem Gebiet leben Krokodile. Halten Sie sich von der Wasserkante fern und gehen Sie nicht ins Wasser (…)“. Es soll nicht das letzte an diesem Tag bleiben. Daneben steht ein Schild, das vor Quallen warnt und ein anderes, das uns am Great Barrier Reef willkommen heißt. Der Strand selbst ist ein fast unberührter Traum. Kaum ein Mensch ist dort, als wir auf dem hellen nassen Sand am hellblauen Meer ankommen. Malerisch schmiegt sich der Regenwald an Strand und Wasser und ich sehe, was ich vorher nur auf Schildern gelesen habe vor mir: „Where the forest meets the sea“. Cape Tribulation ist ehrlich traumhaft. Und ich habe mich selten an einem Strand so unwohl gefühlt.

Gefährlich und traumhaft schön: Thornton Beach
Die einspurige Straße durch schönsten Regenwald führt uns ein Stück zurück, zu einem weiteren Strand, von dem der Bootsführer am Morgen bereits angedeutet hat, was ich bei meiner späteren Recherche bestätigt sehe: Vor knapp zehn Jahren kam hier eine Frau ums Leben. Von einem Krokodil ins Meer gezogen und gefressen. Ihre Freundin versuchte, sie zu retten, konnte gegen das Tier jedoch natürlich nichts ausrichten.
Einmal mehr ist mir heute mulmig zumute, als wir, vorbei an dicht wachsenden Bäumen, über einen kaum sichtbaren Weg zum Thornton Beach laufen. Auch dieser Strand ist ein traumhaftes Postkartenmotiv. Er ist länger als Cape Tribulation, verläuft um eine Kurve, entlang schönsten Tropenwaldes. Gegenüber liegt eine kleine, bewaldete Insel. Auch hier sind heute nur wenige Menschen unterwegs. Keiner springt ins Wasser oder geht auch nur in dessen Nähe. Obwohl das Wetter ideal wäre und der Strand mehr als einladend aussieht. Und sich sicherlich gut für Bilder machen würde.


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Gesteigerte Angst vor Krokodilen
Erschöpft von Wärme und Daueranspannung machen wir uns schließlich auf den Heimweg. Zurück auf der sich teils eng windenden Straße im Daintree Rainforests, entlang eines faszinierend dicht bewachsenen Abgrunds. Vorbei an dichtem Wald und, an Stellen wo sich dieser lichtet, Blick auf das hellblaue Wasser des weltberühmten Great Barrier Reefs. Vorbei an einem Wildschwein am Wegesrand, etlichen weiteren Krokodil-Warnschildern, Bächen und kleinen Flüssen im dichten Regenwald, immer nach weiteren Krokodilen Ausschau haltend.

Ich fahre zurück mit einer gesteigerten Angst vor Krokodilen und einer neuen Erkenntnis dank des Bootsführers: Spinnen, Schlangen und Co. mögen beißen, doch das Salzwasserkrokodil ist das einzige Lebewesen in Australien, das darauf aus ist, Menschen zu fressen. Das ist so beruhigend wie beunruhigend (und auch nicht zu 100 Prozent korrekt!). Aber es ändert die Perspektive zumindest ein wenig. Wenn ich es auch dennoch nicht darauf anlege, von einem anderen australischen Tier gestochen, gebissen oder versehentlich als Beute betrachtet zu werden.
Kaum im Ferienapartment angekommen, kann ich nicht widerstehen und beginne zu googeln – ein Fehler, wie sich schnell zeigt. Das Internet ist voll von Krokodilgeschichten aus der Gegend, manche davon haarsträubend. So schön es hier auch ist und so sehr ich den Daintree Rainforest ins Herz geschlossen habe – eines ist mir noch nie so klar geworden wie jetzt: Ich möchte nicht an einem Ort leben, an dem auch Krokodile zu Hause sind.