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Erfahrungsbericht

»Mit dem 9-Euro-Ticket auf der längsten Regio-Strecke Deutschlands – so lief meine Reise

Larissa Königs
Larissa Königs

05.06.2022, 09:30 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Seit Mittwoch kann man deutschlandweit für nur 9 Euro im Regionalverkehr fahren. Das entlastet nicht nur Pendler, sondern auch Urlauber – insofern sie etwas strapazierfähig sind. Denn Komfort wird im öffentlichen Nahverkehr oft nicht besonders groß geschrieben. TRAVELBOOK hat den Test gewagt und ist in dem Regionalexpress, der am längsten an einem Stück fährt, von Berlin bis an die Ostsee gefahren. Ein Erfahrungsbericht.

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Die Seeluft pustet mir die Haare ins Gesicht, die Seile der Segelboote klappern, die Sonne glitzert auf dem Wasser und ich habe unweigerlich ein Gefühl von Urlaub. Es ist Donnerstag, knapp 13 Uhr, und ich erkunde Rostock, eine Stadt, die ich noch nie zuvor besucht habe. Doch heute war es mir endlich möglich, diese Erfahrung zu machen, und zwar für weniger als 10 Euro – dank des lang ersehnten 9-Euro-Tickets.

Ich gebe zu, damit gehöre ich zu den vielen Menschen in Deutschland, die das Ticket nicht zu seinem eigentlichen Zwecke, der Entlastung von Pendlern, entfremdet haben. Mehrfach wurde angekreidet, dass viele der Millionen Ticketkäufer gar nicht pendeln, sondern nur günstig verreisen wollen. Berechtigt oder zumindest nachvollziehbar ist die Kritik schon. Denn die Befürchtung steht im Raum, dass beliebte Strecken bald komplett überfüllt sind. Um mir selbst ein Bild der Lage zu machen, habe ich mich auf eine Reise in den Norden Deutschlands begeben, von Berlin an den Strand und dann weiter in eines der beliebtesten Städteziele Deutschlands, nach Hamburg.

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Meine Erfahrung zur Reise mit dem 9-Euro-Ticket im längsten Regio Deutschlands

Meine Fahrt beginnt direkt in einem Rekordzug. Ich besteige nämlich den RE5 mit Ziel Rostock. Der Zug beginnt in Elsterwerda in Brandenburg und mit 390 Kilometern Länge bis zu seinem Ziel ist es der Regionalzug, der die längste Strecke ohne Umstieg hinlegt. Mich soll er, ebenso wie zahlreiche Rentner und mehrere Schulklassen, an der Müritz vorbei ans Meer bringen. Im Zug ist es voll, vor allem in Berlin müssen einige Personen im Gang stehen. Doch nach etwa anderthalb Stunden Fahrt lichtet es sich. An diesem Donnerstag kurz vor Pfingsten scheint es, als sei der Andrang noch überschaubar. Das sieht auch mein Sitznachbar Maik so.

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Maik hat Urlaub und nutzt das 9-Euro-Ticket ebenfalls, um Rostock zu erkunden. Wo es danach hingeht, weiß er noch nicht, „man kann ja spontan sein“. Ins Gespräch sind wir auch deshalb gekommen, weil die Ablenkung im Regio deutlich geringer ist als etwa in einem ICE – Mobilfunkempfang ist rar gesät. Unser Gespräch wird schließlich, zu unserer beider Überraschung, von einer Kontrolleurin unterbrochen. Nachdem die Bahn bereits angekündigt hatte, weniger Kontrolleure während des Geltungszeitraums des Tickets einsetzen zu wollen, habe ich kaum mehr damit gerechnet. Die Ticketüberprüfung läuft hingegen sehr routiniert, auch Abo-Karten von regionalen Verkehrsbetrieben werden wie selbstverständlich überprüft.

Nach mehr als 4 Stunden Fahrt von seinem Ausgangspunkt aus kommt der Regio schließlich pünktlich in Rostock an. Es ist halb 12 und ich habe den ganzen Tag Zeit, die Stadt zu erkunden. Motiviert laufe ich los, nur damit mir kurz darauf einfällt, dass ich ja auch kostenlos mit der Straßenbahn fahren könnte! Da meine Zeit nun mal begrenzt ist, wechsle ich und bin schon nach kurzer Zeit mitten in der Stadt. Nachmittags will ich mit der S-Bahn in den Stadtteil Warnemünde fahren – doch das gestaltet sich zunächst schwierig.

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Kaputte Signale und mangelnder Akku

Denn die Verbindung ist gestört, mal heißt es, ein Signal sei kaputt, mal ist das Stellwerk Schuld. Diverse S-Bahnen fallen aus, bis ich endlich in einen Zug einsteigen kann. Es bleibt bei dieser Fahrt die einzige Verzögerung, doch als Vielfahrerin weiß ich, dass Ausfälle und Verspätungen bei der Bahn eher die Regel als die Ausnahme sind. Auch alle, die durch den geringen Preis des Tickets jetzt verlockt sind, statt des Autos mal die Bahn zu nehmen, werden diese schmerzhafte Erfahrung noch machen müssen.

Nach einem vollen Tag in Rostock geht es abends weiter nach Hamburg. Ich steige am Startbahnhof ein und fahre durch bis nach Hamburg, mehr als zwei Stunden sitze ich wieder im Regio. Hier fällt mir schmerzhaft auf, dass es hier, im Gegensatz zu ICEs und ICs, natürlich keine Steckdosen gibt. So wird ein Teil der Strecke für mich unerwartet meditativ, ich schaue nach draußen, genieße den Ausblick auf sonnige Felder und Seen und freue mich, dass ich keine weiteren Ausgaben für diese Fahrt hatte.

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Mein Fazit: Kann man mit dem 9-Euro-Ticket gut in den Urlaub fahren?

Nach meiner Erfahrung einer Reise mit dem 9-Euro-Ticket an diesem einen, nicht repräsentativen Tag, habe ich folgendes Fazit. Wer auf Bahnreisen keinen Luxus braucht und auch abseits der Hauptreisezeiten fahren kann, kann mit dem 9-Euro-Ticket hervorragend Tagesausflüge machen. Eine dauerhafte Verkehrswende sehe ich aber nicht. Dafür gibt es zwei Gründe: die mangelnde Verlässlichkeit und die erwartbare hohe Auslastung der Züge.

Eine längere Reise ist vor allem wegen der unvermeidbaren diversen Umstiege schwierig – hat nur ein Zug Verspätung, verpasst man im Zweifelsfall alle weiteren. Und: Wer am Wochenende fahren will, muss sich auf Massen von Menschen einstellen. Ich für meinen Teil war froh, schon am Donnerstag und nicht erst am heutigen Freitag vor dem langen Pfingstwochenende gefahren zu sein. Denn wenn bereits die ICEs ausgebucht sind (was auf vielen Strecken heute der Fall ist), will ich mir nicht vorstellen, wie es dann in den fast kostenlosen Regionalzügen aussieht…

Themen: #amex Deutsche Bahn
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