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Fragwürdiges Reiseziel?

Saudi-Arabien investiert eine Billion Euro, um neuer Touristen-Hotspot zu werden

Urlaub in Saudi-Arabien
„Schwimmende Moschee“ am Roten Meer in Dschidda Foto: Getty Images
Susanne Resch
Susanne Resch

06.09.2022, 11:59 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Seit Jahrhunderten empfängt Saudi-Arabien muslimische Pilger. 2019, vor der Corona-Pandemie, begaben sich etwa 2,5 Millionen Gläubige auf die Reise nach Mekka. Gleichzeitig schrecken noch immer „Sharia-konformes“ Recht, Hinrichtungen, konservative Sitten und die Ermordung regimekritischer Journalisten Urlauber ab. Dennoch will die Regierung in den nächsten zehn Jahren eine Billion Euro investieren, um Saudi-Arabien als Massenreiseziel zu etablieren.

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Mekka (Al-Makka) in Saudi-Arabien gilt als Geburtsort des Propheten Mohammed und ist die heiligste Stadt des Islam. Mit Medina liegt auch die zweitheiligste Stätte des Islam in Saudi-Arabien: Hier soll der Prophet Mohammed begraben sein. Es gilt als Pflicht eines jeden Moslems, einmal im Leben nach Mekka und Medina zu pilgern. Jedes Jahr besuchen daher Millionen muslimische Pilger die Stätten auf der Hadsch, der sogenannten Pilgerreise. Nun zielt Saudi-Arabien zudem verstärkt auf den konventionellen Tourismus und internationale Urlauber ab. Als Teil der Diversifizierung der vom Öl abhängigen Wirtschaft sind etwa ein Kreuzfahrtsektor, Luxus-Resorts am Roten Meer und Öko-Lodges in der Wüste geplant. Dafür will Saudi-Arabien in den nächsten zehn Jahren eine Billion Dollar investieren – gemäß aktuellem Umrechnungskurs entspricht das einer Billion Euro.

Tourismus in Saudi-Arabien heute

Das lange abgeschottete Königreich Saudi-Arabien bot seine ersten Touristenvisa erstmals Ende 2019 für Nichtmuslime an. Mehr als 400.000 wurden ausgestellt, bevor die Pandemie den Reiseverkehr einstellte, berichtete die saudische Tourismusbehörde laut „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Um die Tourismusbranche weiter zu stärken, wurden zum 1. September die Visabestimmungen für viele Länder gelockert: EU-Bürger und Einwohner der USA sowie des Vereinigten Königreichs müssen ab sofort kein Visum mehr vor der Abreise beantragen, sondern können bei der Ankunft ein sogenanntes Visa-on-Arrival erhalten.

Seit Saudi-Arabien im März 2022 die letzten Corona-Reisebeschränkungen aufgehoben hat, strömen immer mehr Touristen in das Land am Persischen Golf und Roten Meer, das sechsmal so groß wie Deutschland ist. Im vergangenen Jahr reisten laut „Wall Street Journal“ fast 3,5 Millionen Ausländer – religiöse Pilger nicht mitgerechnet – und in der ersten Hälfte des Jahres 2022 6,1 Millionen für ihren Urlaub nach Saudi-Arabien.

Im Juli 2021 wurde in Dschidda zudem der erste Hafen für Kreuzfahrtschiffe eingeweiht. Die Reederei MSC Cruises bietet bereits Routen mit Saudi-Arabien an, einige sogar mit Dschidda als Basishafen. Auch andere Reiseveranstalter, wie etwa „FTI“, haben Saudi-Arabien-Urlaub längst in ihrem Portfolio aufgenommen.

Doch Urlauber treffen auf ein Land, das noch gar nicht auf sie vorbereitet ist. Laut „Wall Street Journal“ müssten Reiseleiter geschult und Hotels gebaut werden, zudem seien viele der Kulturerbestätten nicht ganztägig geöffnet.

„Vision 2030“ soll Tourismus ankurbeln

Dennoch ist das Stärken des Tourismus eines der großen Vorhaben des Prinzen Mohammed. Er möchte, im Rahmen der Pläne zur Schaffung neuer vom Erdöl unabhängigen Wirtschaftszweige, bis 2030 jährlich 55 Millionen internationale Touristen anlocken. Sein Ziel, auch für Touristen ein Mekka zu werden, gab der Wüstenstaat bereits 2017 bekannt. „Vision 2030“ lautet das Großvorhaben.

Das wohl bekannteste Projekt dieser Zukunftsinitiative ist die geplante Mega-Hightech-Stadt Neom, die etwa 500 Milliarden Dollar kosten soll. Ebenfalls am Roten Meer soll eine „saudische Riviera“ mit Luxushotels und Tauchgebieten entstehen. Zudem sei die Errichtung von 50 künstlichen Inseln im Meer geplant. Laut „Wall Street Journal“ plant auch die Hotelkette Radisson Hospitality Inc. mit 26 Häusern in Saudi-Arabien bereits die Eröffnung von 20 weiteren Hotels in den nächsten drei Jahren. Hilton Worldwide Holdings Inc. wolle in den nächsten zehn Jahren sogar 75 Hotels zu den bestehenden 16 hinzufügen.

Was Urlauber in Saudi-Arabien erwarten können

Bis zur Umsetzung „Vision 2030“-Vorhaben setzt der Wüstenstaat Saudi-Arabien auf Natur, Badeurlaub und die heiligen Stätten. Nicht-Muslime dürfen jedoch nach wie vor nicht nach Mekka oder in den zentralen Teil von Medina.

Dennoch will Saudi-Arabien nicht nur touristischer, sondern auch weltoffener werden und hat bereits einen Wandel durchlebt. Frauen dürfen Auto fahren und alleine in Cafés und Restaurants gehen, in denen die Geschlechtertrennung aufgehoben wurde. Auch die gefürchtete Sittenpolizei, die streng kontrolliert hat, ob Kleider- und Verhaltensregeln in der Öffentlichkeit eingehalten werden, patrouilliert nicht mehr.

Doch nicht alle begrüßen den Wandel Saudi-Arabiens. Vor allem den Konservativen gehen die Veränderungen zu schnell und zu weit. Auch müssen saudische Frauen weiter ihrem männlichen Vormund Gehorsam leisten. Sie profitieren also nicht von den neuen Freiheiten, insofern Vater oder Ehemann dagegen sind.

Menschenrechte in Saudi-Arabien

Das Königreich Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie, in der das Rechtssystem teils auf der Grundlage der Scharia fußt. Hinzu kommt, dass ein neues Gesetz verbietet, „den Ruf des Tourismus zu schädigen“, berichtete „The Wall Street Journal“. Eine bedrohliche Regelung in einem Land, dessen Menschenrechtsbilanz viele Urlauber abschreckt.

Amnesty International kritisiert Saudi-Arabien scharf wegen seiner Menschenrechtsverletzungen. So wären etwa die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin enorm verletzt worden. Weiter heißt es: „Das Sonderstrafgericht verhängte hohe Haftstrafen gegen Einzelpersonen wegen ihrer Menschenrechtsarbeit oder der Äußerung abweichender Meinungen. Zu den Personen, die willkürlich inhaftiert, strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden, gehörten Menschenrechtsverteidiger, Regierungskritiker und andere politische Aktivisten. Dazu griffen die Gerichte vermehrt auf die Todesstrafe zurück.“

Immer wieder werden also Aktivisten oder Andersdenkende verhaftet und es gibt kaum Pressefreiheit. Im vergangenen Monat wurden zwei saudische Frauen wegen Social-Media-Beiträgen zu Haftstrafen von bis zu 45 Jahren verurteilt, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Auch die Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verursachte einen internationalen Aufschrei der Empörung. Ebenso wie die Massenhinrichtung zu Beginn dieses Jahres: An nur einem Tag haben die Behörden 81 Menschen wegen verschiedener Verbrechen hingerichtet, wie verschiedene Medien, unter anderem auch BILD, berichteten.

Zwar wurde das Verbot gelockert, dass sich nicht verwandte Männer und Frauen in der Öffentlichkeit treffen können, Homosexualität und außerehelicher Geschlechtsverkehr gelten jedoch weiter als Kapitalverbrechen und werden häufig mit dem Tod bestraft, warnt das Auswärtige Amt. Zudem weist „The Wall Street Journal“ darauf hin, dass Alkohol verboten ist und die Kleiderordnung für Frauen an den meisten Stränden restriktiv ist. Auch gilt für Einheimische wie für Urlauber, dass einige Hotelpools für Frauen nicht zugänglich sind – in Zukunft sollen dafür etwa in Neom aber andere Rechte gelten.

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Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in das Grenzgebiet zu Jemen, in die Provinzen Nadschran, Asir und Jazan sowie in den Bezirk Qatif in der Ostprovinz Saudi-Arabiens. Die Bedrohung durch terroristische Gruppen wie Al-Qaida und den IS sei weiterhin hoch, auch wenn die saudischen Sicherheitskräfte in den letzten Jahren zahlreiche Erfolge im Kampf gegen terroristische Gruppen erzielt haben. 

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