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Wunderwerk aus 26 Millionen Ziegeln

In Deutschland steht die größte Backsteinbrücke der Welt

Göltzschtalbrücke
Die Göltzschtalbrücke ist ein beeindruckendes Wahrzeichen der Ingenieurskunst. Seit 1851 überspannt sie den Fluss Göltzsch im sächsischen Vogtland. Foto: picture alliance / imageBROKER | Stephan Schulz
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

20.03.2022, 07:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Mit der Göltzschtalbrücke steht im sächsischen Vogtland seit gut 170 Jahren ein wahres architektonisches Weltwunder. Bis heute ist sie die größte aus Backsteinen gefertigte Brücke aller Zeiten. Dabei verdankt sie ihre Entstehung ursprünglich einem Preisausschreiben.

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Unweit der Orte Netzschkau und Reichenbach befindet sich im sächsischen Vogtland eines der größten architektonischen Wunderwerke unseres Landes. Besser gesagt, der ganzen Welt, denn die Göltzschtalbrücke ist die größte jemals gebaute Backsteinbrücke der Erde. Seit 1851 überspannt sie den Fluss Göltzsch, ist bis heute DAS Wahrzeichen der Region. Was aber kaum jemand weiß: Ihre Entstehung verdankt sie einem Preisausschreiben.

Die Dimensionen der Göltzschtalbrücke beeindrucken auch heute noch, gut 170 Jahre nach ihrer Einweihung. 574 Meter lang und 78 Meter hoch, spannen sich ihre 98 Bögen auf vier Etagen über die Landschaft. Unvorstellbare 26 Millionen Backstein-Ziegel wurden hier während der fünfjährigen Bauzeit von 1846-51 verbaut, wie die offizielle Seite des Ortes Reichenbach berichtet. Die Brücke diente damit als wichtiges Bindeglied auf einer der ersten deutschen Eisenbahnstrecken zwischen Leipzig und Nürnberg.

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Brücke per Preisausschreiben gesucht

Erst 1835 war in Deutschland die erste Eisenbahnverbindung überhaupt eingeweiht worden. Nun sucht man nach einer Möglichkeit, das noch kurze Streckennetz um eine Nord-Süd-Verbindung zu erweitern. Laut „MDR“ startet also die Sächsisch-Bayerische Eisenbahngesellschaft in einem per Zeitung ausgeschriebenen Wettbewerb ein Preisausschreiben. Gesucht wird der beste Entwurf für die zu bauende Göltzschtalbrücke. Dem Gewinner winkt ein Preisgeld von sagenhaften 1000 Talern.

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Allein, von den insgesamt 81 eingereichten Vorschlägen eignet sich keiner für den Bau eines derart ambitionierten Projektes. Eisenbahnen können zur damaligen Zeit gerade einmal eine Steigung von einem Prozent bewältigen, im Göltzschtal gilt es knapp 600 Meter Strecke zu überwinden. Keiner der Entwürfe kann aber überzeugend vermitteln, den zu erwartenden Belastungen auf einer solchen Distanz standhalten zu können. Das ist der Moment des Johann Andreas Schubert.

Göltzschtalbrücke
Gewaltige Dimensionen: Die Göltzschtalbrücke wurde wegen ihrer Größe mitunter auch schon als das achte Weltwunder bezeichnet Foto: dpa Picture Alliance

150.000 Ziegel pro Tag

Schubert ist selbst Ingenieur, Professor in Dresden und Vorsitzender der Wettbewerbs-Jury. Er hat sich in der Vergangenheit mit der Konstruktion der „Saxonia“ einen Namen gemacht, ihres Zeichens die erste leistungsfähige deutsche Lokomotive überhaupt. Und Schubert ist nun gefragt, da keiner der Vorschläge für die neue Göltzschtalbrücke, nun ja, belastbar ist.

Also verschafft der Mann sich einen Überblick, und sammelt aus den 81 Projekt-Entwürfen die tragfähigsten Ideen zusammen. Dadurch entsteht die Vision einer Bogenbrücke aus Backstein – die Vision der heutigen Göltzschtalbrücke. Baubeginn ist der 31. Mai 1846. Gemeinsam mit dem Oberingenieur Robert Wilke beaufsichtigt Schubert fortan fünf Jahre lang die Konstruktion des Mammut-Projekts. Mehr als 1000 Bauarbeiter schuften hier jeden Tag, verlegen pro 24 Stunden unglaubliche 150.000 Ziegel. Für die Baugerüste fällt man schätzungsweise 23.000 Bäume.

Das achte Weltwunder

Am 15. Juli 1851 wird die Göltzschtalbrücke schließlich feierlich und in Anwesenheit erlauchter Gäste eingeweiht. Der Eröffnungszug ist voll besetzt, die Orte entlang der Strecke haben sich anlässlich des Ereignisses feierlich herausgeputzt. Schon einige Monate zuvor, bei der Schlussstein-Legung für die Brücke am 14. September 1850, offenbart sich die Bedeutung der architektonischen Meisterleistung für die Menschen. So verlas der damalige sächsische König Friedrich August II. damals stolz folgende Worte: „Schaut an, schaut an das Meisterstück, das achte Weltwunder, die Götzschtalbrück‘!“

Dabei verschwieg man allerdings, dass der Bau dieses Weltwunders laut der offiziellen Seite des Vogtlandes insgesamt 30 Arbeiter das Leben gekostet hatte. Zudem waren die Gesamt-Baukosten mit damals 2.200.000 Talern absolut schwindelerregend. Berechnet auf den heutigen Gegenwert, kostete die Göltzschtalbrücke damit insgesamt gut 65 Millionen Euro. Doch bis heute profitiert das Vogtland von seinem Wahrzeichen, denn der „Sächsischen Zeitung“ zufolge besuchen etwa 100.000 Menschen jährlich das Bauwerk. Und bescheren der Region damit einen deutlichen Zuwachs an Tourismus.

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Bis heute fahren hier Züge

Vermutlich um diesen noch weiter anzukurbeln, bewirbt sich die Göltzschtalbrücke auch um die Anerkennung als Unesco-Welterbe. Am 30. April 2021 gab Reichenbachs Bürgermeister Raphael Kürzinger laut Angaben der Stadt die entsprechende Bewerbung persönlich im Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung in Dresden ab. Allein in dem Bundesland hat die Brücke allerdings mehrere Mitbewerber, die alle auf den begehrten Status schielen.

Ob die Göltzschtalbrücke überhaupt auf die offizielle Vorschlagsliste kommt, entscheidet letztlich die Kultusministerkonferenz auf Bundesebene. Unabhängig davon ist aber ein Ausbau der touristischen Infrastruktur rund um das Bauwunder mit einem maximalen Investitionsvolumen von gut 28 Millionen Euro geplant. Lohnen würde es sich allemal, denn mit der Elstertalbrücke hat das Vogtland gleich auch noch die zweitgrößte Backsteinbrücke weltweit.

Diese wurde damals gemeinsam mit der Göltzschtalbrücke gebaut und eröffnet, steht aber sprichwörtlich im Schatten ihrer großen Schwester. Dabei sind auch ihre Dimensionen beeindruckend, besteht sie doch aus immer noch 12 Millionen Backsteinen. Über beide Brücken fahren übrigens bis heute regelmäßig Züge, und das gut 170 Jahre nach ihrer Einweihung.

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