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TRAVELBOOK-Autor vor Ort

»Warum es mich immer wieder in den Nationalpark Harz zieht

Nationalpark Harz
Der Nationalpark Harz leidet seit Jahren unter schlechter Presse. Völlig zu Unrecht, findet unser Autor. Er entdeckt auf seinen Touren immer wieder viel Schönes, wie hier im Bild die Eckertalsperre Foto: picture alliance / Zoonar
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

14. Juni 2025, 14:11 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Wohl kaum ein anderes früher allseits beliebtes Naturreservat hat in den letzten Jahren so viel schlechte Presse erfahren wie der Nationalpark Harz. Zugegeben: Trockenheit und eine beispiellose Borkenkäfer-Plage haben hier schlimm gewütet. Unser Autor jedoch wandert hier schon jahrelang, und sieht immer wieder ermutigende Anzeichen dafür, dass sich das fragile Ökosystem längst erholt. Und auch währenddessen gibt es hier sehr viel Schönes zu entdecken.

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Bereits eine gefühlte Ewigkeit laufe ich nun eine gewundene Forststraße bergauf, und es bietet sich mir seit Stunden ein Anblick, der mich unter anderen Umständen wohl entmutigen, vielleicht sogar zum Abbruch meiner Tour bewegen könnte. Denn ich befinde mich mitten im weiten Nirgendwo des Nationalparks Harz, und auf allen Hängen und Hügeln um mich herum grüßen braune, verdorrte Baumleichen. Wo früher dichte Fichten-Wälder waren, könnte man heute leicht einen dystopischen Katastrophen-Film drehen. Doch das ist eben nur die eine Seite der Wahrheit, und so sinkt mir das Herz bei diesem Anblick nicht, sondern es schlägt höher. Denn schon jetzt hat längst ein neues Kapitel in der Geschichte dieses einmaligen Naturreservates begonnen – wer diese Gegend wie ich mit dem Herzen sieht, wird es unschwer erkennen.

Denn überall entlang des Weges recken sich junge Tannen längst übermannshoch, strecken sich junge Birken, Buchen, Eichen und Erlen der Sonne entgegen. In manche Gegenden im Nationalpark Harz greift der Mensch bereits seit Jahrzehnten nicht mehr ein, und so entsteht langsam, aber sicher wieder der gesunde Mischwald, der den Harz an anderen Stellen immer noch ziert. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass die Region rund um den 1142 Meter hohen Berg Brocken immer wieder Schlagzeilen produziert wie „Der Harz stirbt“? Garniert mit für Unbedarfte schockierenden Bildern, die wohl jedem, der sich nicht genauer informiert, die Lust auf Urlaub hier verderben würden. Nun, für diese Erklärung muss man ein paar Jahrhunderte zurückgreifen.

Anfällige Monokulturen

Nationalpark Harz
Die Ilsefälle im Nationalpark Harz sind ein beliebtes Ausflugsziel. Sie liegen ganz in der Nähe des kleinen Ortes Ilsenburg Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Der Harz war in früheren Zeiten ein Gebiet, in dem sowohl der Bergbau als auch die Köhlerei teils massiv betrieben wurden. Für beide Industrien benötigte man Unmengen an Holz, um die Schmelz- und Brennöfen am Laufen zu halten. Und als die einst hier heimischen Mischwälder einmal abgeholzt waren, pflanzte man großflächig die Fichte, einen rasch wachsenden Baum, der schnelles Holz versprach. Natürlich sind aber solche Monokulturen viel anfälliger für Krankheiten und Schädlinge, wie den Borkenkäfer. Dieser kann tatsächlich malade Bäume riechen und befällt sie gezielt, um sich dann blindlings wütend auf die Nachbarpopulationen auszubreiten. Nimmt man dazu mehrere Jahre mit viel zu wenig Niederschlag, hat man ein Ökosystem am Rande des Zusammenbruchs. Zum Glück aber bereitet die Natur längst ein neues, resistenteres vor.

Martin Baumgartner, Pressesprecher des Nationalparks Harz, sagt auf TRAVELBOOK-Anfrage: „Es vollzieht sich hier ein Waldwandel. Wo früher Monokulturen, ja quasi Plantagen waren, wächst heute wieder ein naturnaher, wilder, artenreicher Wald.“ Der Beitrag des Menschen bestehe dabei im Wesentlichen im Nicht-Eingreifen. Nur so könne man den natürlichen Entwicklungsprozess schützen. Heute bereits werde auf 75 Prozent der Fläche des Schutzgebietes nicht mehr eingegriffen. Ausgenommen davon seien natürlich Schutzmaßnahmen und die Sicherung der Wege und Straßen, zum Beispiel durch das Beseitigen umgestürzter Bäume.

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Goethe war auch schon da

Durch diese Herrlich unberührte Natur bin ich in den vergangenen Jahren regelmäßig und immer wieder gerne gestreift. Denn wer den Nationalpark Harz wegen seines vermeintlichen aktuellen Zustandes nicht besuchte, der verpasste eine wunderschöne und vielseitige Region. Eine Tour kann zum Beispiel in dem Märchen-Ort Ilsenburg beginnen, von wo aus man, zunächst immer dem rauschenden Ilse-Fluss folgend, in die höheren Lagen des Nationalparks aufsteigt. Wer achtgibt, sieht am Wegesrand vielleicht die faszinierenden Feuersalamander. Ilsenburg ist auch einer der beliebtesten Ausgangspunkte, um den Brocken zu besteigen, und bietet für Wanderer, die mehrere Tage bleiben möchten, zahlreiche gastronomische Angebote und Übernachtungsmöglichkeiten.

Nationalpark Harz
Blick auf den Brocken, den mit 1142 Metern höchsten Gipfel im Harz. Um ihn herum ist der Umbruch in der Natur besonders klar erkennbar. Foto: picture alliance / photothek.de

Natürlich ist eine Besteigung des höchsten Berges der Region, dem Brocken, bei einem Besuch im Nationalpark Harz quasi Pflicht. Bereits Dichterfürst Goethe beehrte diese Majestät ab 1777 insgesamt dreimal. Er siedelte hier auch ein wichtiges Kapitel seines unsterblichen Klassikers „Faust“ an. Bei diesem tanzen die Hexen auf dem Gipfel zur Walpurgisnacht. Natürlich ist nach Goethe auch ein Wanderweg im Harz benannt. Quasi jeder Ort, wo er auch nur einmal für fünf Minuten war, schmückt sich mit seinem Namen. Die Anstiege auf den Brocken variieren in ihrem Schwierigkeitsgrad und ihrer Länge teils erheblich. Aber es lohnt sich, denn bei klarem Wetter hat man laut der Seite des lokalen Nationalparkhauses eine Fernsicht von bis zu 200 Kilometern.

Außerdem findet man hier oben noch eine besuchbare alte DDR-Abhörstation. Zudem gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich für den Rückweg zu verproviantieren. Wer den Aufstieg nicht zu Fuß auf sich nehmen möchte, kann mit der teils dampfbetriebenen Brockenbahn zum Gipfel hinauf fahren. Von Wernigerode aus kommend windet sich der romantische Zug über Kurven und Anstiege empor. Schon von Weitem hört man als Wanderer oft das Pfeifen des Tenders. Das Angebot ist dem Betrieb der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) zu verdanken. Diese unterhalten vor allem zwischen kleineren Orten über den gesamten Harz ein weitverzweigtes Streckennetz. Dieses kann man als Besitzer des Deutschlandtickets sogar umsonst nutzen. Nur wer eben auf den Brocken oder wieder hinunter möchte, muss ab bzw. bis zur Station Drei Annen Hohne zuzahlen.

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Durch deutsche Geschichte wandern

Nationalpark Harz
Solche Anblicke wie hier von der Rabenklippe muss ertragen, wer im Nationalpark Harz wandert. Zum Glück erholt sich die Natur längst wieder Foto: picture alliance / Peter Schickert

Eine Wanderung durch den Nationalpark Harz ist auch eine durch die Geschichte unseres Landes. Denn bis zur Wiedervereinigung verlief die innerdeutsche Grenze mitten durch das Naturreservat. Besonders eindrucksvoll kann man das zum Beispiel am Ecker-Stausee nachvollziehen. Auf dessen Mauer lassen sich immer noch die alten DDR-Grenzmarkierungen entdecken. Die Demarkationslinie verlief damals mitten durch das Staubecken. Selbst der Nationalpark bestand bis 2006 laut Baumgartner aus zwei Teilen, die man erst dann fusionierte. Auch in dem kleinen Ort Torfhaus ist die Vergangenheit noch heute spürbar. „Früher fuhren hier die Wessis bis an die Grenze ran, um mal einen Blick in den Osten rüberzuwerfen“, sagte mir bei meinem Besuch eine Mitarbeiterin des hiesigen Nationalpark-Zentrums. Heute kann man vom 65 Meter hohen Harzturm in die weiten Lande schauen und ein mehrere tausend Jahre altes Torfmoor besuchen. Und sich in einem der Imbisse und/oder Restaurants für eine Tour stärken.

Überhaupt gibt es im Nationalpark Harz zahlreiche wunderschön gelegene Gaststätten zu erwandern. Zum einen ist da das Waldgasthaus Plessenburg hoch über Ilsenburg, das bereits seit 1776 existiert. Solide Küche zu guten Preisen, und wer Glück hat, wird sogar Zeuge einer Wildtierfütterung. Die kann man von Dezember bis April auch im mitten im Wald gelegenen Molkenhaus in der Nähe des Ecker-Stausees beobachten. Die Speisekarte hier ist sehr überschaubar, die Lokalität an sich mit großer Sonnenterrasse und Kamin für den Winter aber überaus einladend. Spektakulärer wird es nur im Gasthaus Rabenklippe, gelegen hoch über dem Tal auf einem gleichnamigen Felsen. Deftige Hausmannskost, eine überragende Aussicht, und in einem angrenzenden Gehege kann man mit etwas Glück drei Luchse beobachten.

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„Wieder mehr Geduld lernen“

Skurril wird es, wenn auf einmal mitten auf einem Waldweg ein Bus an einem vorbeirauscht. Doch tatsächlich verkehren in dem sehr weitläufigen Nationalpark Harz gleich mehrere Linien. Mit ihnen erreicht man so manche Raststätte. Oder bei müden Füßen auch wieder seine Unterkunft. In die Nähe des oben genannten Molkenhaus kommt man zum Beispiel auf diese Weise. Immer wieder tolle Aussichten eröffnen sich vor allem in den höheren Lagen des Naturreservates, zum Beispiel von der Scharfensteinklippe oder der Taubenklippe. Für Sie, liebe Leser, würde ich mir wünschen, dass Sie schon bald einmal selbst eines dieser Panoramen mit eigenen Augen genießen. Und dabei nicht nur das sehen, was aktuell zu sein scheint. Sondern auch einen Blick dafür haben, was hier, in Nationalpark Harz, hoffentlich bald wieder ist.

„Man muss in puncto Naturschutz natürlich längerfristiger denken, als wie wenn man zum Beispiel für das nächste Jahr einen Urlaub plant“, so Baumgartner. „Wir Menschen müssen im Umgang mit der Natur wieder mehr Geduld lernen. Und akzeptieren, dass sich manche Dinge eben nicht von heute auf morgen ändern lassen.“ Im Nationalpark Harz wolle man die Natur für alle Menschen erlebbar machen. Und ihnen so zeigen, warum es so wichtig ist, sie zu schützen. Dabei gebe es natürlich auch hier Bereiche, die der Mensch nicht betreten solle. Aber: „Wandern und Erholung wird hier immer möglich sein.“

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