Kein Wunder, dass ganz Hollywood auf Island abfährt. Die Landschaft ist einfach zum Niederknien. Und: Sie bietet zahlreiche Abenteuer. Eine Reise an den Drehort von Ben Stillers „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, das in diesen Tagen auf DVD erschien. In Teil 1 der Reportage begegnen wir einem Hai und erfahren auf schmerzhafte Art und Weise, wie man einen Fluss besser nicht durchquert.
Ob es denn gefährlich würde, auf dieser Reise nach Island? Schließlich ging es um Walter Mitty, jenen phlegmatischen Tagträumer und Büroangestellten, der sich plötzlich aufmachen muss in die große weite Welt – und Abenteuer bestehen, die es mit seinen kühnsten Tagträumen locker aufnehmen können.
Ob ich etwa wie Ben Stiller in „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ von einem Helikopter mitten in den eiskalten Atlantik springen müsse? Oder – nur mit einem Aktenkoffer bewaffnet – gegen Haie kämpfen? Ob ich einen Berg auf einem Skateboard herunterjagen müsse? Und mich vor einem ausbrechenden Vulkan retten?
Filmbilder aus „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“:












„Nein“, beruhigte die freundliche Stimme im Telefon. „Ein bisschen Abenteuer“, sagte sie, während ihre Stimme eine Art hörbares Augenzwinkern produzierte, „ein bisschen Abenteuer ist allerdings schon dabei.“
Aber versteht sich das nicht von selbst? Denn ohne geht es ja wohl kaum auf dieser Insel, auf der es Gletscher gibt und wilde Pferde, wo die Erde spuckt und Elfen spuken. Allein ein Ausflug über Land, so sah es zumindest aus sicherer Entfernung aus, müsste schon das reinste Abenteuer sein. Und wirbt nicht auch das Fremdenverkehrsamt Islands mit dem Spruch: Iceland. It’s not a destination. It’s an adventure?
Wenn ein Abenteuer zum touristischen Versprechen wird, verliert es an Gefährlichkeit und schrumpft auf ein – vor allem für nicht sonderlich Mutige wie mich – durchaus konsumierbares Maß. Dachte ich.
Ich hatte ja keine Ahnung.
Die Begegnung mit dem Hai
Es ist fast wie in der berühmten Bootszene bei Walter Mitty. Wir sind auf dem Wasser. Der Kapitän aus dem Film ist da – genauer: Schauspieler Þórhallur Sigurðsson –, auch der Matrose alias Ari Matthíasson. Fehlen nur: Ben Stiller (entschuldigt), der Wellengang (Wetter!), aber vor allem – der Hai. Spiegelglatt liegt das Wasser, keine Haiflosse, die es zerschneidet. Und so wie das Meer unter der Reling macht sich an Bord leise Enttäuschung breit. Wir ahnen ja nicht: Der Hai ist näher als wir denken.
Die Isländer und die Haie, so viel vorweg, pflegen eine sehr innige Beziehung, will sagen: Sie haben sich zum Fressen gern. Dass Haie zuweilen Menschen verzehren, ist hinlänglich bekannt, und auch Walter Mitty entging nur knapp dem Tod durch Haibiss. Allerdings: Kaum jemand würde auf die Idee kommen, es umgekehrt zu halten und einen Hai zu essen.
Erst recht keinen Grönlandhai, der anders als die meisten anderen Lebewesen keine Nieren hat, weshalb sich Giftstoffe, die beim Stoffwechsel entstehen, im Fleisch ablagern. Das frische Fleisch eines Grönlandhais könnte damit schaffen, was dem Tier bei Lebzeiten vielleicht nicht gelang: den Menschen töten.
Doch die Isländer haben einen Weg gefunden, Hai zu essen, ohne dabei draufzugehen: Sie lassen ihn einfach vergammeln. Denn während der Fermentierung können sich die Giftstoffe zersetzen, und das Fleisch wird essbar. Aber auch: genießbar? Sollte man Gammelhai wirklich essen? Wir fragten Schauspieler Ari Matthíasson und Þórhallur Sigurðsson.
Ihre Antwort war leider nicht sehr eindeutig:
Unten in der Kombüse wartet der Hai schon auf seine Opfer. Zugegeben, er ist schon lange tot, nämlich mindestens sechs Monate (siehe auch Kasten rechts: So entsteht der Gammelhai) – und so stinkt er auch. Wahrlich übel ist der Geruch, der der Plastikbox entströmt. Allerdings, riecht nicht auch ein Harzer Roller sehr streng und schmeckt dann doch ganz passabel? Ohnehin erinnert der Hai sehr an Käse, so gewürfelt und butterweich er ist. Also zugegriffen.

Doch was sich nach dem ersten Happen zwischen Mund und Magen ereignet, war keineswegs vorherzusehen: eine Explosion des schlechten Geschmacks, eine Haiattacke von innen. Man möchte nur noch eines: nachspülen. Der Brennivín – auch „Schwarzer Tod“ genannt – wird schon bereitgehalten. Aber kann man überhaupt so viel Schnaps trinken, wie man müsste? Und während der Alkohol im Hals den Hai bekämpft, keimt langsam ein Verdacht auf: Haben die Isländer den Gammelhai vielleicht nur erfunden, um einen guten Grund zu haben, hemmungslos zu bechern?
Die Island-Taufe
Die Isländer lieben ihre Jeeps. Denn damit kommen sie überall dahin, wo keine Straße hinführt – also wo die Landschaft am spannendsten wird. So sehr lieben die Isländer ihre schweren Monster mit Allradantrieb, dass die Pkw-Dichte hier sogar höher ist als in Deutschland. Aber mindestens so sehr wie ihre dicken Autos lieben die Isländer die Natur, von der sie eine Karosserie natürlich – zumindest für die Dauer der Fahrt – physisch trennt. Die Lösung heißt ATV (kurz für All Terrain Vehicle), oder auch Quad, hat vier Räder und kein Dach und erlaubt den Fahrspaß im Gelände bei maximalem Körperkontakt mit den Naturgewalten.
Es sieht zunächst ganz einfach aus, nur Bremse lösen – und der Quad rollt fast von allein vom Hof. Die ersten Schotterwege nehmen wir locker, die einzige Herausforderung, so sieht es zunächst aus, scheint nur die Kälte, die sich durch die Handschuhe frisst, und der Regen, der die Sicht nimmt. Artig folgen wir in unseren Quads dem Guide wie eine Brut Küken der Henne.

Man hatte uns vorher gesagt, dass wir mehrere Flüsse durchqueren müssen. Was das wirklich bedeutet, wird mir leider erst in dem Moment klar, als der erste plötzlich vor mir liegt – reißend, sprudelnd – und mit seinen Fluten erst mal all meinen Mut fortträgt. Noch bevor mein Kopf zu irgendeiner Entscheidung fähig ist, sind es die Hände: Sie reißen das Steuer um, steuern auf einen Abhang zu, und kurz vor dessen Ende gelingt es meinen Füßen immerhin noch, zu bremsen.
Durchatmen, die anderen vorbeilassen, sich dann von den Guides zeigen lassen, wie der Rückwärtsgang funktioniert und die Durchquerung dann – mit etwas mehr Mut und Verve – erneut angehen. So der Plan. Doch dann kam alles ganz anders:
Ein Mitty-Moment, wie er im Drehbuche steht. Plötzlich. Peinlich. Peinigend. Nur das Publikum, natürlich, hat seinen Spaß. Ich muss an die Filmszene denken, in der Walter Mitty über die Insel radelt, vorbei an düsteren Lavafeldern, ins Tagträumen verfällt und deswegen an den einzigen Laternenpfahl in der Landschaft knallt. Doch was macht er? Lässt das kaputte Rad einfach liegen und läuft zu Fuß weiter. Er rennt sogar. Nimmt die Beine in die Hand. Gibt nicht auf.
Und ich? Bin eher Mutti statt Mitty. Auf das Gefährt wagen es weder ich noch die beiden anderen, die – im Gegensatz zu mir – nicht nur einen Schock, sondern auch nasse Klamotten davon tragen. Der Rest der Fahrt wird also als Sozios verbracht. Das hat den Vorteil, dass man die Augen schließen kann, wenn ein Fluss durchquert wird, und die Füße heben, damit die nicht nass werden. Aber vor allem: Man kann die Landschaft ausgiebig betrachten.
Ob es an der Wolkendecke liegt, unter der sich die Farben gedeckt und geheimnisvoll geben, oder an dieser Weite, die kein Ende kennt – diese Landschaft hat etwas Mysteriöses. Je unverstellter der Blick – kein Baum, der im Weg steht, kaum ein Strauch, der was verdeckt –, umso wahrscheinlicher wird das Unwahrscheinliche. In dieser unwirklichen Märchenwelt muss es einfach Feen geben, Kobolde, Elfen. Es erscheint nur logisch, dass die Isländer an solche unsichtbaren Wesen glauben. Und auch wir werden ihnen sehr bald begegnen.
Lesen Sie hier, wie die Geschichte weitergeht: Teil 2: Wie man Feen findet – und andere Abenteuer
Die Reise wurde unterstützt von Twentieth Century Fox.
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